Bei Prof. Jürgen Harms in Langensteinbach
Mein Thema dieses Mal ist meine Halswirbelsäulenoperation vom Sommer 2010. Es war eine transorale Operation. Das heißt man hat mir mein Kiefer und auch die Zunge gespalten, um durch den Mund an die Halswirbel ranzukommen. Es war meine einzige Chance - sonst wäre ich vielleicht schon gelähmt. Es musste also sein. Aber nun von Anfang an:
Es war im Juli 2008 bei meinem Jahrescheck an der Universitätsklinik in Graz. Meine Ärztin Dr. Barbara Plecko bemerkte, dass ich eigenartige und teilweise sehr breite Reflexe hatte. Da stimmt wohl was nicht, das kann wohl nur am Rückenmark liegen... Wir vereinbarten einen Termin zur Mangnetresonanztomographie (MRT) für den August und die ganze Katastrophe stellte sich heraus. Die Ärzte stellten eine extreme Verengung des Rückenmarks fest, noch dazu sehr weit oben auf Höhe von C3-C4. Der 3. und 4. Halswirbel waren nach innen gekippt und drückten aufs Rückenmark, das ohnehin schon eng ist bei mir. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder operieren mit hohem Risiko oder abwarten und eine komplette Querschnittslähmung riskieren - beide Optionen waren furchtbar!
So schnell wollten wir nicht handeln, aber dennoch machten wir einen Termin in der Villa Metabolica in Mainz aus, um auch die dortigen Spezialisten auf dem Gebiet der MPS zu Rate zu ziehen. Doch auch hier lautete die Antwort, nach einem kompletten Check, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, wann die Lähmung eintreten würde. Frau Dr. Lampe, Herr Dr. Reinke und vor allem Herr Dr. Schwarz, der Neurochirurg, rieten uns noch im November zur OP. Wir könnten aber noch ein bisschen warten. Fünf Monate vielleicht. Beim nächsten Mal könnte es schon eilig sein. Im Juni vereinbarten wir einen neuen Termin für den November, es schien doch nicht so schnell zu gehen, obwohl die Symptome langsam zunahmen. Meine Kraft wurde langsam weniger, ich schaffte vieles nicht mehr, und hatte Angst mich im Dunklen zu bewegen, da mein Gleichgewichtssinn nicht mehr funktionierte. Manfred Schwarz nahm mit Prof. Harms in Langensteinbach Kontakt auf, da er die Operation keinesfalls alleine machen konnte. Er ist Neurochirurg, ich brauchte aber vor allem auch einen Orthopäden, denn der musste an die Knochen ran. Wir wollten noch eine weitere Meinung in Amerika einholen und bekamen in Mainz nochmal grünes Licht. Man wollte einen Termin mit Prof. Harms ausmachen.
So flogen wir im Dezember nach Amerika und holten uns im Rahmen der amerikanischen MPS-Konferenz auch von den dortigen Spezialisten noch eine Meinung ein. Es war leider die gleiche. Ohne OP keine Chance. Totaler Querschnitt mit Beatmung als Alternative. Wir sollten uns schnell um einen Termin kümmern. In Amerika sprach man ebenfalls von Prof. Harms, er war wohl weltberühmt! Das freute uns sehr und erleichterte die Entscheidung.
Dennoch, die Operation würde lebensgefährlich sein, die Entscheidung war also echt schwerwiegend und konnte mein gesamtes Leben beeinflussen. Mama überlässt die Entscheidung ganz mir. Ich bin schließlich 17 und ich werde die Konsequenzen selbst tragen müssen, so oder so. Meine Einstellung war von Grund auf diese: „Entweder die OP verläuft gut, dann geht es mir gut, oder sie verläuft nicht gut, dann geht es mir besser!“ Diese Aussage schockiert vielleicht im ersten Moment, jedoch wenn man mich kennt und weiß, dass ich großes Gottvertrauen habe, versteht man eher was ich damit sagen wollte. Ich sah nämlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich stehe nach der OP wieder gesund auf – längerfristig gesehen natürlich – oder der Herr hat meinen Platz oben im Himmel vorbereitet und ich kann im Himmel leben wie ein „normaler“ bzw. „gesunder“ Mensch: ohne Schmerzen und gesund! Ich entschied mich also für die OP und ging damit jedes Risiko ein. Die meisten bewunderten mich immer wieder für meine Entscheidung, doch wie gesagt, ich habe großes Vertrauen zu Gott.Ein paar Wochen vor der OP hatte ich einen Traum: Ich stand oben im Himmel und traf meinen Opa, der vor 6 Jahren gestorben ist. Er schloss mich liebevoll in seine Arme und ging auf dieses riesige, golden verzierte Tor zu. Vor mir und hinter dem Tor strahlte es so hell, dass man nichts erkennen konnte. Ich ahnte was er vorhatte und sagte: “Opa nein, es ist noch zu früh, ich kann jetzt noch nicht mit dir gehen! Da unten wartet noch jemand auf mich.“ Durch diesen Traum verstärkte sich meine Zuversicht, dass ich überleben werde nochmals. Selbst im Traum habe ich darüber nachgedacht, wie es wohl meiner Familie gehen würde, wenn ich weg bin. Wenn ich mir jetzt da im Himmel, mit Opa, ein schönes Leben machen würde. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, sie sind noch nicht so weit. Ich kann noch nicht gehen. Meine Familie ist - abgesehen von meinem Glauben - das Wichtigste das ich habe, sie würden wissen, wo ich bin und dass es mir gut geht, aber ich hatte Angst, dass sie dadurch in ein tiefes Loch fallen würden. Also habe ich mich im Traum nocheinmal von Opa verabschiede, mit dem Wissen, ihn irgendwann wieder zu sehen.
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Mein Leben mit MPS
General FictionHallo zusammen. Ich habe vor einiger Zeit begonnen über mein Leben zu schreiben. Wie es ist mit einer Stoffwechselkrankheit zu Leben, was für teilweise lustige aber auch oft schlimme Dinge einem passieren wenn man nicht "normal" ist. Wenn man "and...