Erste Veränderungen und Diagnose

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Als ich zwei Jahre alt war, ging Mama, weil ich einen komischen Gang hatte, mit mir zum Orthopäden. Dieser meinte, ich solle so viel als nur möglich auf Zehenspitzen gehen. Also watschelte Mama wie eine Gans auf Zehenspitzen vor mir her und ich, das lustige Spiel mitmachend, hinterher. Als es nach drei Monaten immer noch keine Veränderung gab, wechselten wir den Orthopäden. Dieser verschrieb uns dann orthopädische Schuhe und Einlagen. Damit war Mama dann vollauf zufrieden. Kinder die Einlagen brauchen gibt es ja öfter.

In den ersten Jahren meines Lebens wuchs und wuchs ich. Ich  war immer die Größte! Als ich dann plötzlich nicht mehr wuchs, meinte Mama nur: „Sie kann ja nicht immer so weiterwachsen, da würde sie ja ein Riese werden.“ Nur, dass ich nie wieder anfangen würde zu wachsen, das hätte keiner gedacht.

Auch wollte ich immer getragen werden und Mama dachte, sie hätte mich mit dem Tragetuch zu sehr verwöhnt, denn sie liebte es mich herumzutragen. Egal wo sie war, ich war immer mit dabei. Dass ich Schmerzen hatte, fand sie erst später heraus.

Aber langsam veränderte sich mein Körper, meine Brust wölbte sich nach außen (Hühnerbrust – sprich das Brustbein wächst nach außen, sodass die inneren Organe wieder mehr Platz haben), ich bekam Plattfüße, X-Beine und auch meine Handgelenke und Finger sahen irgendwann eigenartig aus. Man vermutete Rachitis, eine Knochenkrankheit die durch einen Vitamin D oder Calciummangel entsteht, aber Mama wusste, einen Vitamin D Mangel hatte ich ganz sicher nicht. Ich war immer an der frischen Luft und ich bekam sogar Vitamin D Tropfen.

Eines Abends im August 1996 dachte sich Mama dann, dass mit mir etwas nicht stimmt und fuhr noch spät abends mit mir zum Kinderarzt. Sie stellte mich vor ihm auf den Tisch und sagte:“ Herr Doktor, bitte schauen Sie sich Maria doch einmal an: Irgendetwas hat sie, irgendetwas ist nicht normal. Der Oberarm kommt mir auch zu kurz vor, irgendwie stimmen die Proportionen nicht. Die Füße wachsen, sie braucht ständig neue Schuhe, selbst bleibt sie aber klein. Kann es nicht sein, dass sie kleinwüchsig ist?“ Primar Dr. Gruber sagte: „Schauen wir mal.“ Und da wusste Mama, dass sie Recht hatte, irgendetwas stimmte ganz und gar nicht mit mir. Dr. Gruber überwies uns ins Krankenhaus zum Ganzkörperröntgen. „Radiologisch sind diese Befunde eine Katastrophe!“, teilte uns der Röntgenarzt gleich mit. Meine Rippen schauen aus wie Ruderblätter, Meine Wirbel sind flach und zackig, meine Fingerknochen laufen spitz zu, einer der wichtigsten Knochen der Halswirbelsäule fehlt überhaupt, und und und

Er äußerte gleich einen Verdacht auf MukoPolySaccheridose oder eine Osteochondrodysplasie.

Wir fuhren noch am Tag der Röntgenaufnahmen weg, auf eine Familienfreizeit auf Schloss Klaus. Mama war in Tränen aufgelöst, wollte sich aber keinesfalls etwas anmerken lassen. Das ist ihr nicht gelungen, denn als sie ein Freund mit den Worten „Ist die lieb, und so groß ist sie auch schon geworden“ begrüßte, da war es mit ihrer Beherrschung vorbei. Die Gruppe war wahnsinnig lieb und hatte für den Abend gleich einen Gebetskreis organisiert, wo dann intensive für mich und meine Familie gebetet wurde. Mama hatte zwar die ganze Zeit durch geheult, aber es hat ihr trotzdem gut getan zu wissen, dass sie nicht alleine für mich betet und dass wir nicht alleine waren in dieser Zeit.

 Mama hat mir in dieser Zeit oft die Hände aufgelegt und für mich gebetet. Gott einfach gebeten, er möge mich doch einfach wieder gesund machen. Sie kniete neben meinem Bett, hat gebetet und geweint und sich einfach nicht vorstellen können, was das jetzt ist und was werden wird und was das für eine Krankheit ist.

Nach dem Wochenende wurden die Untersuchungen fortgesetzt. Nach der Harnprobe wurde die Idee MPS aber wieder verworfen, da nicht genug Mukopolysaccharidausscheidungen im Harn waren. Ich habe es also schriftlich NICHT MPS zu haben. Mamas Jubel wäre groß gewesen, wäre sie nicht nachdem der Name Mukopolysaccharidose mal gefallen war selbst aktiv geworden. Sie hat sich das Buch „Mukopolysaccharidosen – ein Leitfaden für Eltern und Ärzte“ das einzige deutschsprachige Buch zu dem Thema. Als sie über MPS IVA Morbus Morquio las, dachte sie, eine Beschreibung von mir zu lesen und  rief sofort bei der Autorin Frau Prof. Dr. Dr. Susanne Kircher an. Frau Dr. Kircher empfahl uns den Harntest zu wiederholen, allerdings braucht man 24-Stunden Harn um genügend Mukopolysaccharidausscheidungen feststellen zu können.

Mein Leben mit MPSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt