Das Erste Jahr mit Enzymersatztherapie!

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Vor einem Jahr habe ich an dieser Stelle unter dem Titel „15 Jahre warten haben sich gelohnt" erzählt, dass ich als Testperson für die klinische Studie zugelassen wurde und Ende Oktober in London meine erste Enzymersatztherapie erhalten habe. Damals war geplant, dass ich für 26 Wochen hin und her pendeln werde, sozusagen jede Woche drei Tage in London und vier Tage daheim. Ich freute mich total und war glücklich über die Chance.

Glücklich bin ich immer noch, denn – und das möchte ich hier vorwegnehmen – das Enzym wirkt und hilft mir tatsächlich sehr, möglicherweise mehr als ich erwartet hatte. Und in London bin ich auch immer noch... Mama sagt immer „Irgendwie geht alles!" und sie hat auch Recht behalten, trotz aller Anstrengung schaffen wir es tatsächlich jede Woche irgendwie gut in London anzukommen und meistens kommen wir auch wieder gut nach Hause. Nicht immer.

Nun hab ich mich entschlossen, euch dieses Mal ein bisschen mitzunehmen in mein erstes Jahr Enzymersatztherapie und euch ein bisschen zu erzählen, davon, dass in London alles ganz anders läuft als daheim, von Infusionen, die nicht ganz so liefen wie geplant, von abenteuerlichen Flügen und auch davon, wer mich aller begleitet hat – schließlich musste Mama ja auch öfter zu Hause bei meinen kleinen Geschwistern bleiben.

Ihr werdet euch wundern, Mitte November waren es bereits über 50 Mal Finklham-London und zurück. Ganz selten sind wir direkt geflogen, da die Verbindung mit der Ryan Air gar nicht fein ist und ich die Ryan Air auch sonst nicht mag. Kein Service, kein Check-in, endlose Taxifahrt in London ... Es hat auch lange gedauert, bis wir unsere optimale Verbindung ausgelotet hatten, jene, mit der man mit ziemlicher Sicherheit und möglichst rasch hin und her kommt. Wir haben einige Flüge probiert und fliegen nun fast immer mit der Lufthansa mit Umsteigen in Frankfurt. Wenn alles glatt geht, dann sind wir in sieben Stunden in London im Hotel, und mit viel Glück in acht Stunden wieder daheim, wo wir dann erst mal durchatmen und das Gefühl wieder Platz und Luft zu haben, genießen. In London ist es schön, keine Frage, wirklich toll, aber wenn man gewöhnt ist im Grünen zu leben, dann ist diese Enge schon gewöhnungsbedürftig. Eigentlich ist es so, dass wir uns freuen, in London zu sein, aber noch mehr freuen, wenn wir wieder daheim sind...

Naja, so denke ich, wenn ich es mal kurz überschlage, dass ich in diesem Jahr in ungefähr 200 Flugzeugen gesessen bin und 190 Tage nicht zu Hause war, dann bin ich fast ein wenig entsetzt. Ich habe somit ein halbes Jahr in London, in Taxis, in Flugzeugen und auf Flugplätzen verbracht. Das mit „drei Tage in London, vier Tage in Finklham" hat sich ganz anders entpuppt, denn in Wirklichkeit verging der Mittwoch zum Großteil mit Anreise und der Freitag war noch viel schlimmer, besonders dann, wenn wir statt der geplanten acht Stunden zwölf oder gar vierzehn Stunden für die Heimreise brauchten! Abgesehen von den wöchentlichen drei Tagen, war ich schon fünfmal zur „langen Woche" in London. In diesen „langen Wochen", die jeweils zehn Tage dauern, wiederhole ich den Großteil der Untersuchungen, damit dokumentiert werden kann, ob sich mein Zustand unter dem Einfluss des Enzyms verändert. Da stehen u.a. zwei „6-minute-walks" und zwei „3-minute stair climbs" auf dem Programm, die vorschriftsmäßig an verschiedenen Tagen stattfinden müssen. Üblicherweise wiederhole ich auch den Lungenfunktionstest, zeitweise den Herzultraschall und die Röntgenaufnahmen. Das sind dann auch die seltenen Gelegenheiten wo ich meine Ärztin Dr. Hughes treffe, weil natürlich auch die „vital signs" dokumentiert werden müssen. Ja, wie schon angedeutet, in England ticken nicht nur die Uhren anders (eine Stunde Zeitverschiebung), auch sonst ist so manches anders. Hier sind die Krankenschwestern sogenannte „special nurses" mit einer Spezialausbildung und machen eigentlich alles, angefangen vom Legen des Venflons bis zum Spülen und Ziehen der Nadel, wenn ein paar Stunden später alles vorbei ist. So ist es denn auch so, dass Dr. Hughes zwar im Haus ist, aber nur zu Untersuchungen bzw. in kritischen Momenten erscheint. Ja, diese kritischen Momente habe ich auch erlebt, immer wenn ich auf die Infusion reagiert habe... Dann tauchte sie auf wie der Blitz! Wir haben allerdings beobachtet, dass sie – auch wenn ich sie nicht treffe – immer genau weiß, was sich auf der Station abspielt.

Mein Leben mit MPSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt