♠Anastasia♠
Der Weg nach Hause ist fast nicht auszuhalten. Wir reden kein Wort und es regnet in Strömen. Ich mag den Regen. Zumindest wenn ich irgendwo drin sitze. Das Prasseln gegen die Scheibe beruhigt mich immer, auch jetzt. Ich lehne meinen Kopf an das Fenster und sehe hinaus. Die Häuser und Bäume fliegen an mir vorbei und wechseln sich mit offenen Feldern ab.
Dads Haus ist in der Großstadt. Ich weiß nicht genau wie weit das ist aber wir sind jetzt schon eine halbe Stunde unterwegs. Wie komme ich ab jetzt in die Schule? Oder in das Resort? Ich will den Stall nicht aufgeben. Wieso hat mich Mum einfach hier gelassen und nicht mitgenommen? Wieso ist sie überhaupt weg? Ich verstehe es nicht.
Als wir losgefahren sind, meinte Daddy wir sprechen Zuhause darüber. Mein Blick fällt auf seine Hände die fest das Lenkrad umschließen. Normalerweise fährt er cool mit einer Hand, doch jetzt krallt er sich so fest ins Lenkrad, dass seine Knöchel schon weiß werden. Als ich in sein Gesicht sehe kann ich erkennen wie sein Kiefer mahlt, das tut er nur wenn er angespannt oder sauer ist.
Ich liebe meinen Vater sehr und ich weiß dass er mich auch liebt und mir nie etwas tun würde, doch manchmal ist er schon extrem furchteinflößend. Das hat sicher etwas mit seiner Arbeit zu tun. Wenn man ein Chef seiner eigenen Firma ist, ist das nicht einfach. Denke ich zumindest.
Mum schimpft immer über ihn. Er sei ein Arsch, würde nur an sich denken und nie an andere. Sogar seine Angestellten würden einer nach dem anderen kündigen und er bräuchte sich nicht zu wundern dass er niemanden abbekommt und immer noch alleine ist.
Ich glaube Dad will gerade gar keine Frau und er ist nicht so ein Arsch wie sie sagt. Und nur an sich selbst denkt er auch nicht. Er hat mich zum Beispiel noch nie sitzen lassen und vor allem, er lästert nie über Mum so wie sie über ihn.
"Kommst du?"
Erschrocken sehe ich zur Vorderscheibe raus und kann erkennen dass wir schon daheim sind.
"Ja sorry", entschuldige ich mich, steige aus und nehme meinen Rucksack von der Rückbank.
Dad schließt die Garage und öffnet uns die Tür, die direkt von dort ins Haus führt um uns einzulassen. Drin ziehe ich meine Schuhe aus und lege meinen Rucksack hin, bevor ich mich im Wohnzimmer aufs Sofa fallen lasse.
"Erzählst du es mir jetzt?"
"Gleich, ich möchte nur kurz unter die Dusche und mich bequemer anziehen. Vielleicht solltest du auch mal deine Reitklamotten ausziehen und ebenfalls eine kurze Dusche nehmen."
Ich seh an mir herunter und mir fällt auf, dass ich tatsächlich noch meine Reitsachen an habe. Ich steh auf und nehme meinen Rucksack, mit dem ich dann in meinem Zimmer verschwinde.
Da ich jede Ferien und alle zwei Wochen am Wochenende bei meinem Vater bin, habe ich hier immer noch mein altes Zimmer, welches ich schon hatte bevor Mum ausgezogen ist und mich mitgenommen hat. Die Hälfte meiner Sachen sind immer noch da, obwohl der Umzug schon zwei Jahre her ist. Doch Mum hatte kein Bock sie zu holen und Dad meinte, da ich ihn ja eh oft besuchen komme möchte er sie aus genau diesem Grund auch hier lassen.
Ich ziehe meine Klamotten aus und hole mir eine Leggins und ein Shirt aus meinem Schrank und springe schnell unter die warme Dusche, bevor ich beides anziehe und wieder ins Wohnzimmer gehe um auf dem Sofa auf Daddy zu warten. Keine fünf Minuten später kommt er aus seinem Schlafzimmer, setzt sich neben mich und legt seinen Arm um meine Schulter.
Bevor er beginnt, atmet er noch einmal tief ein und fängt an meinen Kopf zu kraulen.
"Am Besten ich fang am Anfang an. Deine Mum und ich kennen uns ja schon seit der Highschool wie du weißt. Sie war damals unsterblich in mich verliebt, doch ich nicht in sie. Ich mochte sie, sehr, aber eher freundschaftlich. Trotzdem habe ich auf einer Party, nachdem ich mich ziemlich betrunken hatte, mit ihr geschlafen. Am nächsten Tag, ließ mein Vater mich wecken, da wir Besuch hatten der meine Anwesenheit erforderte. Als ich ins Esszimmer kam, saßen deine Mum und ihre Eltern am Tisch. Erst dachte ich sie hat ihnen irgendeinen Schwachsinn erzählt von der Nacht zuvor und sie wollen sich nun beschweren, doch der Fall lag ganz anders. Diese Zusammenkunft war von unseren Eltern schon lange geplant. Wie sich herausstellte standen Letizias Eltern kurz vor dem Bankrott und brauchten Hilfe. Ihr letzter Ausweg war, meinen Dad um Geld zu bitten und sie waren bereit dafür alles zu tun. Somit schlossen sie - ohne uns zu Fragen - einen Deal. Mein Dad gibt ihnen das benötigte Geld, wenn Letizia und ich heiraten."
Ich runzle meine Stirn weil wir haben das 21. Jahrhundert und ich finde das sowas von Mittelalter, aber ich bleibe still und höre weiter zu, froh endlich mal gesagt zu bekommen, was in unserer Familie nicht stimmt.
„Ich war ein ziemlicher Herumtreiber damals und mein Dad wollte dass das aufhört. Ich weigerte mich vehement, doch Dad meinte kurzerhand er würde mich einfach enterben wenn ich es nicht tu. Drei Wochen später kam dann noch Letizia und meinte sie sei von mir schwanger, ab da ging alles recht schnell. Sie zog bei uns ein, wir haben geheiratet und dann kamst du. Letizia konnte schon damals nicht viel mit dir anfangen, aber das lag nicht an dir. Schon im Wochenbett bekam sie starke Depressionen, die dann leider blieben. Die meiste Zeit kümmerte ich mich um dich, oder meine Mum. Vor allem wenn ich in der Uni war.
Mit der Zeit verlangte Dad immer mehr von uns weshalb es deiner Mutter immer schlechter ging. Deshalb sind wir hierher gezogen. Weit weg von der Ranch und deinen Großeltern. Ich hatte wirklich die Hoffnung Letizia würde es damit besser gehen, was auch der Fall war. Bis zu unserer Scheidung, da drehte sie wieder durch. Und jetzt? Sie hat mir geschrieben dass sie es nicht mehr schafft, sie müsse alleine sein und ich soll mich um dich kümmern."
Er schnauft und drückt mich fest an sich.
"Liebling es tut mir so leid. Ich hätte es dir gerne eher erzählt, aber du warst einfach noch viel zu jung", meint er und ich kann seine Ehrlichkeit und Traurigkeit aus seiner Stimme heraushören. Ich dachte mir sowas in der Art schon, da zwischen ihm und Mum nie große Gefühle zu sehen waren. Ich spürte immer den Abstand den sie zueinander wahren aber ich konnte nie genau herausfinden wieso. Jetzt weiß ich es. Sie haben sich gar nicht geliebt sondern waren nur wegen eines Zwangs verheiratet. Doch eins versteh ich nicht.
"Wieso habt ihr euch nicht gleich scheiden lassen als ihr umgezogen seid? Ich meine wenn ihr euch eh nie geliebt habt, wieso seid ihr zusammen geblieben nachdem ihr hierher kamt?"
Sein Blick auf mich und der Griff um meine Schulter, der mich näher zu ihm zieht, spricht Bände.
"Ich wollte Letizia nicht mit ihren Dämonen alleine lassen. Sie weigerte sich zu einem Psychologen zu gehen. Ich liebte sie nicht, ja, aber ich mochte sie und wollte sie einfach nicht hängen lassen", erklärt er mir und mich wundert es wirklich wieso Mum dann sagt er sei egoistisch und würde nur an sich denken, wenn er doch sein Leben mehr oder weniger dafür geopfert hat für sie und mich da zu sein. Liegt das an den Depressionen dass sie so denkt? Und wo ist sie denn jetzt überhaupt und kommt sie wieder?
"Wo ist Mum jetzt und kommt sie wieder?", stelle ich genau die Frage die ich im Kopf habe.
"Das weiß ich leider nicht. Ich habe versucht sie anzurufen, doch sie meldete sich nicht. Ich denke ich werde ihr etwas Zeit geben und warten ob sie sich von selbst meldet. Es tut mir leid Kleines."
"Du kannst nichts dafür, aber es tut trotzdem weh", sage ich und beginne zu weinen. Erst jetzt fange ich an zu realisieren, dass mich meine Mum wohl einfach nicht gewollt hat. Sie hat mich einfach alleine gelassen. Wäre Daddy nicht, was hätte ich dann gemacht? Ich will mir gar nicht ausmalen was passiert wäre wenn ich ihn nicht hätte.
Ich drücke mein Gesicht gegen seine Seite und schluchze in sein Shirt.
Er streichelt beruhigend über meinen Rücken und so sitzen wir eine lange Zeit lang nur da, ohne noch etwas zu reden.
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Resort de la Pheya 3 - Cody
Romance🍀Buch 3🍀 ~Das ist Buch 3 der 'Resort de la Pheya' Reihe. Die Bücher sind in sich abgeschlossen. Es wird dennoch empfohlen das vorherige Buch zu lesen~ Probieren geht über studieren, so sagt man. Doch wenn sich das Schicksal einmischt, dann kann da...