Kapitel 5

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"Kylie, wir sollten gehen", sagte ich mit zittriger Stimme und zog den Reißverschluss meiner Jacke hinauf bis zu meinem Kinn. Es war viel zu kalt für einen Spaziergang im Wald.

"Jetzt scheiß dir mal nicht in die Hose, Lou", antwortete sie mir gelassen und wühlte in ihrem Kofferraum rum. Sie warf mir eine Taschenlampe zu, schloss den Kofferraum und verriegelte das Auto.

"Wie kommst du eigentlich auf sowas?", fragte ich sie verzweifelt und schaltete die Lampe an.

"Ich hatte halt nie Freunde". Kylie zuckte mit den Schultern und hielt mir die leuchtende Taschenlampe ins Gesicht "Ich wollte schon immer mal sowas mit einer Freundin machen"

Ich verengte die Augen zu schlitzen und hielt mir die Hand davor.

"Man Kylie, nimm die Taschenlampe runter! Ich kann nichts sehen"

Entschuldigend ließ sie ihren Arm sinken und stampfte durch den Wald.

"Mit Freunden geht man shoppen oder was essen. Man trifft sich zu Hause oder geht ins Kino", erklärte ich ihr verzweifelt. "Mit Freunden geht man nicht nachts in einen verfluchten Wald aus welchem Grund auch immer!

"Psht, sei leise, du Schisser", flüsterte sie und ignorierte meine Aussage.

Dieses Mädchen macht mich noch verrückt

Es war stockdunkel und ich wollte nichts lieber, als nach Hause zu gehen, doch ich konnte Kylie nicht alleine lassen.

Seufzend umschloss ich die Taschenlampe fester und ging hinter ihr her. Wir liefen immer tiefer in den Wald. Während Kylie keine Probleme hatte, über die vielen Ästen und den rutschigen, nassen Boden zu laufen, fluchte ich alle paar Minuten und strich mir die Haare aus dem Gesicht.

"Verdammt!", stöhnte ich auf, als sich meine Schnürsenkel lösten und mit einem Ast verhedderten.
"Kylie, warte kurz!", rief ich ihr noch zu und nahm die Taschenlampe in den Mund.
Mit eisigen Fingern versuchte ich den Knoten zu lösen und rappelte mich anschließend wieder auf.

Ich schmiss mein Haar zurück und leuchtete in die Gegend, doch außer den dicht bewachsenen Bäumen, die sich bedrohlich über mich ragten, konnte ich nichts anderes sehen. Panik stieg in mir auf und ich riss entsetzt die Augen auf.

"Kylie!", schrie ich und drehte mich hektisch im Kreis. Ich griff nach meinem Handy und stöhnte genervt auf, als ich sah, dass ich kein Netz hatte. Ich ließ mein Handy zurück in die Jackentasche gleiten und wollte nach Kylie suchen, doch plötzlich erlosch auch das Licht der Taschenlampe. Ich verharrte in meiner Position und schmiss diese dann wütend auf den Boden. Verzweifelt raufte ich mir die Haare.

Das kann doch nicht wahr sein!

"Kylie!", schrie ich ein weiteres Mal, in der Hoffnung, dass sie mir antworten würde, doch sie war verschwunden.

Ich irrte durch einen stockdunklen Wald und zuckte jedes Mal zusammen, wenn ein Busch raschelte.

Und dann hörte ich es...

Ich hörte jemanden schmerzvoll aufschreien. Ich dachte an die Gerüchte, dass es im Wald spuken würde und eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Armen aus.

"Reiß dich zusammen, Lou! Geister gibt es nicht", murmelte ich und raffte die Schultern.
Ich weiß nicht, woher dieser plötzliche Mut kam, doch ich lief auf die Schreie zu. Vielleicht benötigte jemand meine Hilfe!

Ich stoppte und versteckte mich hinter einen breiten Baum. Vorsichtig lunzte ich an diesem vorbei und sah vier auf den Boden kniende Männer. Ihre Hände waren verbunden und sie hielten den Blick gesenkt. Vor und hinter ihnen Standen Männer mit Waffen in den Händen.

Zwei von ihnen standen weiter vorne und sie kamen mir unglaublich bekannt vor.

Ich kam aus meinem Versteck, um mehr sehen zu können.

Mir stockte der Atem und ich sah entsetzt zu Alec und dem grünäugigen Jungen, der mich vor Kylies Haus vor den Fremden gerettet hatte. Sie zogen ihre Waffen und richteten sie ohne zu zögern auf die wehrlosen Männer. Alec unterhielt sich mit dem Jungen, doch ich stand zu weit weg, um seine Worte verstehen zu können.

Sie schossen beide gleichzeitig auf jeweils zwei der Männer.
Die Jungs zuckten nicht mal mit den Wimpern, sie knallten sie einfach ab.
Der Schuss halte in meinen Ohren wieder und ich fing vor Schreck an wie am Spieß zu schreien.
Die Männer fielen wie zwei schwere Säcke um. Plötzlich wirbelten sie alle in meine Richtung und richteten die Waffen auf mich. Es kam mir so vor, als würde sich das ganze Geschehen in Zeitlupe abspielen. Schweratmend stütze ich mich am Baumstamm ab und hielt mir mit der anderen Hand den Kopf.

Das ist nicht echt Lou, du träumst!

Ich fühlte mich wie in einem falschen Film.
Vor meinen Augen tanzten auf einmal schwarze Pünktchen und meine Sicht verschwamm. Als ich den Blick hob sah ich, wie Alec auf mich zu rannte. Gerade, als ich fliehen wollte, wurde meine Sicht vollkommen schwarz und ich fiel unsaft auf den harten, feuchten Boden. Ich spürte warme Hände, die mich an den Schultern rüttelten, bevor ich vollkommen von der Dunkelheit verschlungen wurde.

Die bringen mich bestimmt um, weil ich zu viel gesehen habe...

AlecWo Geschichten leben. Entdecke jetzt