Kapitel 10

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Kylie und ich standen mit den ganzen Tüten draußen vor der Mall und warteten auf ihren Bruder. Es dauerte nicht lange und Alec stieg aus seinem Wagen und lief eilig auf uns zu. Er sah kein einziges Mal zu seiner Schwester, sondern starrte mich durchgehend an. 
Als er vor mir stand, zog er mich sofort in eine feste Umarmung und stützte sein Kinn auf meinem Kopf ab. Erstarrt riss ich die Augen auf und zog seinen Duft ein. Dieser Geruch war einzigartig.

Eine angenehme Wärme umhüllte mich. Ich fühlte mich unglaublich geborgen und sicher. Jedoch löste er sich viel zu schnell von mir. Enttäuscht sah ich hinauf in sein Gesicht und wünschte mir, dass er mich ein zweites Mal umarmen würde. Stattdessen griff er nach meiner Hand und durchbohrte mich mit einem besorgtem Blick.
So habe ich ihn zuvor noch nie gesehen. Er wirkte so verletzlich und fürsorglich... Sanft strich er mit seiner anderen Hand ein paar Haarsträhnen aus meinem Gesicht und checkte mich ab. Mit großen Augen hielt ich den Atem an. 

"Hat er dir was getan?", fragte er mit tiefer und besorgten Stimme. In meinem Bauch flogen Schmetterlinge und randalierten förmlich.

"Ne-nein", stammelte ich leise und schlug mir innerlich auf die Stirn.

Wieso stotterte ich?!

"Ganz im Gegenteil", sagte Kylie und sah zwischen mir und ihrem Bruder hin und her. "Er hat sie sogar geküsst"

Alec spannte sich sofort an, wendete den Blick von mir ab und entfernte sich einen Schritt von uns. Ich hatte das Gefühl, dass sich die ganze Wärme, die mich Sekunden zuvor umgab, mit ihm zusammen entfernte. Kälte umhüllte mich und ich rieb mir über die Arme. Am liebsten hätte ich Kylie eine reingehauen.

Ihr Bruder drehte sich um, griff nach seinem Handy und ging noch weitere Schritte zurück.

"Was ist so schlimm an Mateo?", fragte ich Kylie.

Sie kratze sich am Kopf und es schien, als würde sie überlegen, ob sie es mir erzählen oder lieber still sein sollte.

Sie warf Alec einen flüchtigen Blick zu.

"Mateo hat vor drei Jahren Alecs Freundin getötet und sie anschließend zerstückelt. Er gab Leyla, also seine Freundin, seinen Hunden zum Fraß. Er schwor bis zu seinem Tod Rache zu nehmen", sagte sie wie aus der Pistole geschossen.

Ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke und umfasste die Taschen fester. Wie von der Tarantel geschossen wirbelte ich herum und sah zu Alec, der hektisch am Telefonieren war. 

"Hey, sie mich an, Lou"

„Kylie!", stammelte ich mit piepsiger Stimme und ließ die Tüten fallen. "Du kannst mir das doch nicht einfach so ins Gesicht sagen!"

Kylie verschränkte die Finger ineinander und schmollte. „Du wolltest es doch wissen"

"Er hat sich zerstückelt?", flüsterte ich und rückte näher an sie ran. Ich betete, dass sie anfing zu lachen und gestehen würde, dass das nur ein Scherz sei.

"Jep", murmelte sie und blickte hinunter zu ihren perfekt lackierten Fingernägeln. 

Der Psychopath hatte mich geküsst und versprochen mich bald wiederzusehen.

Ich spürte, wie die Farbe mir aus dem Gesicht wich.

"Er wird dir nichts tun, Lou. Wir sind bei dir und passen auf dich auf, okay? Alec redet gerade mit meinem dad, wir kriegen das hin"

"Meinst du wirklich, er will was von mir?", fragte ich mit heißerer Stimme und ließ die Schultern hängen.

"Ja, er wird dich nicht in Ruhe lassen. Er hat deutlich seine Interesse an dir gezeigt"

Meine Unterlippe bebte und meine Augen füllten sich mit Tränen.

Oh ne, bitte nicht heulen... Fang jetzt bloß nicht an zu heulen, Lou.

Ich kämpfte mit den Tränen und versuchte den Klos in meinem Hals herunterzuschlucken. Schluchzend ließ ich den Tränen den freien Lauf. 

Sie räusperte und zögerte, als sie mich prüfend ansah. Plötzlich fing sie an zu kichern und griff nach meiner Hand. 

"Beruhig dich mal du Schisserin. Das war nur ein Joke. Das sind halt Jungs, keine Ahnung, was für ein Problem die miteinander haben"

"Wie kannst du nur so gemein sein, du herzloses Stück Scheiße", flüsterte ich und runzelte verärgert die Stirn.

Sie zuckte nur mit den Schultern und zeigte mir ihren Mittelfinger. 

"Lou, du bleibst für eine Weile bei uns", sagte Alec knapp ohne mich anzusehen und nahm uns die Tüten ab. Ich wollte verneinen, aber traute mich dann doch nicht, als ich seinen verärgerten Blick sah. 

Ohne was zu sagen, stieg ich in den Wagen und lehnte meinen schmerzenden Kopf an der kühlen Fensterscheibe. 

"Gegen wen kämpfst du heute?", fragte Kylie ihren Bruder und lenkte vom Thema ab.

"Weiß ich nicht"

Stumm nickte sie nur und sah dann zögernd zu mir.

"Wir werden auch da sein"

Alec drehte sich zu uns nach hinten, malmte mit seinen Zähnen und sah uns genervt an.

"Ihr werdet nicht dort sein", sagte er und drehte sich wieder um. 

Mein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren. 

Ich richtete mich auf und übernahm das Sagen. 

"Du bist weder mein Vater, noch mein Freund oder mein Bruder. Du hast ihr und vor allem mir nichts zu sagen"

Kylie warf mir eines ihrer berühmten Luftküsse zu, den ich grinsend auffing.

"Und trotzdem bin ich der, der euch jedes Mal den Arsch retten muss und es auch in Zukunft tun wird"

"Na und? Dann rette uns halt nicht den Arsch. Ich mache trotzdem was ich will"

Da ich hinten saß, sah ich nicht seinen Blick, doch Kylie warf mir einen mahnenden Blick zu, der so viel wie "sei still jetzt" bedeuten sollte.

Ich wendete erneut den Blick ab und schloss die Augen.

"Lou, du gehst mir extrem auf die Nerven. Übertreibe es nicht", sagte er sauer. 

Wenn ich zu dieser Zeit zurückblickte, dann wünschte ich mir auf ihn gehört zu haben. Scheiße, bin ich stur.

A/N:

Kleiner Spoiler,
die Situation wird miiiniimaaal eskalieren. Freue mich schon mega das nächste Kapitel zu schreiben.

AlecWo Geschichten leben. Entdecke jetzt