Kapitel 14

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Ich wusste nicht, wie lange ich schon mit angezogenen Beinen auf dem roten Sofa saß. Vielleicht waren schon drei Stunden vergangen - oder sogar sechs... Ich hatte keine Ahnung

Erschöpft starrte ich aus dem Fenster und versuchte meine Gedanken zu sortieren.
Mateo saß genauso still wie ich auf einem Hocker neben dem Fernsehen und stützte seinen Kopf mit den Händen.
Ich wischte mir die letzten Tränen aus dem Gesicht und sah langsam zu ihm hinüber. Ich musste dringend das Schweigen im Raum brechen.

„Wieso hast du sowas getan?", fragte ich mit leiser, heiserer Stimme. Diese Frage schwirrte mir schon seit Stunden im Kopf herum
„Wie konntest du sowas tun?"
Ich verstummte erneut, als ich merkte, dass meine Stimme anfing zu beben.

Mateo fuhr auf und sah mich entsetzt an. Die Verletzlichkeit, die seine Augen zum Ausdruck brachten, trieben mir erneut die Tränen in die Augen.
Er sah so unglaublich fertig aus. Sein sonst immer top gestyltes Haar stand wirr ab und er wirkte unglaublich blass.
„Ich habe Leyla nichts getan, Lou"
Verwirrt umschlang ich meine Beine mit meinen Armen fester.
Vorhin hatte er es doch zugegeben.

„Ich war das nicht"
Seine Stimme zitterte, als er sich wiederholte und ich befürchtete, dass er kurz davor war in Tränen auszubrechen. Niemals hätte ich gedacht, dass jemand wie Mateo sich jemals in diesen Zustand befinden könnte.

„Mein Vater und Alecs Vater waren ziemlich verfeindet. Ich weiß nicht was vorgefallen war, jedoch befahl mein Vater seinen Männern Leyla zu entführen. Alec war mit ihr zusammen und sein Vater liebte sie. Sie war wie eine Schwiegertochter für ihn. Du musst wissen, dass Alecs dad sich nicht mit jedem versteht, weshalb es verblüffend war, dass er sie akzeptierte. Außerdem war Leyla auch meine Freundin gewesen. Wir kennen uns schon seitdem wir sieben sind...

Nachdem die Männer losgefahren sind, dauerte es etwa 15 Minuten, bis sie mit ihr zurück zum Lager kamen. Sie kniete völlig verängstigt vor unseren Füßen"

Ein Zucken durchfuhr meinen gesamten Körper.

Die zwei waren befreundet?

„Sie hat mich weinend angefleht, Lou. Sie klammerte sich an meine Beine und schrie mir zu, dass ich ihr helfen solle. Mein Vater griff ohne zu zögern nach ihrem Arm und zerrte sie von mir weg. In diesem Moment habe ich vollkommen nachvollziehen können, wieso meine Mutter ihn verlassen hatte. Er war ein Monster. Ich wollte hinterher, wurde jedoch von den Männern festgehalten. Lou, ich habe alles hören können. Mein Vater ließ absichtlich die Tür des Raumes auf, damit ich alles mitbekam. Ich konnte alles hören. Ich hörte die scharfen Messer, die sich in ihrem Fleisch verfingen, das grausame Lachen meines Vaters und ihre lauten schmerzvollen Schreie. Diese Schreie werden mich ein Leben lang verfolgen und es gibt kein Entkommen.
Ich schwöre dir, ich habe versucht mich von den festen Griffen zu befreien, doch sie ließen mich nicht los. Sie schrie ständig verzweifelt meinen Namen. Immer und immer wieder. Als ich losgelassen wurde und sofort in den Raum stürmen wollte, kam mein Vater mit einem Sack hinaus. Dieser Sack war rot verfärbt. Frisches Blut tröpfelte durch den dünnen Stoff auf den Boden. Während mein Vater den Sack mit ihrem Körper hinter sich herzog, breitete sich eine Spur aus Blut aus. Was danach geschah habe ich nicht gesehen, jedoch soll mein Vater sie tatsächlich an unsere Hunde verfüttert haben. Er erklärte jedem voller Stolz, dass das mein Werk war. Er sagte, dass alles ganz allein meine Idee war"

Ich schluchzte laut auf und schlug mir die Hand auf den Mund.

„Ich-", Mateo brach ab.
„Ich habe sie nicht beschützen können"
Er fing an zu weinen und ich weinte mit ihm.

Mateo war unschuldig und trotzdem wurde er des Mordes beschuldigt. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie miserabel er sich bei der ganzen Sache fühlte. Das schreckliche Szenario, dass ich einfach nicht aus meinem Kopf vertreiben konnte, war grauenhaft.

Mit wackeligen Beinen stand ich auf und lief auf ihn zu.
Ich kniete mich vor Mateo, zog ihn in meine Arme und weinte mich auf seiner Schulter aus. Ich fühlte mich unglaublich elend und ich bereute es, ihm vorgeworfen zu haben, dass er seine Freundin getötet hätte.
Schweigend zog er mich auf seinen Schoß und strich mir sanft über den Rücken.
Mateo beruhigte sich relativ schnell. Ich hingegen saß auf seinem Schoß und heulte mir die Seele aus dem Leib.

„Eigentlich sollte ich heulen und nicht du", murmelte er und strich mit seiner warmen Hand mein Haar glatt.
Ich haute ihm leicht auf die Schulter und legte meinen Kopf auf seine Brust.
„Versucht du gerade ernsthaft witzig zu sein?"
„Ich möchte einfach nur nicht, dass du weinst. Es hat mich fertig gemacht, als du vorhin so eine große Angst vor mir hattest. Ich würde dir niemals etwas tun, Lou. Das weißt du doch, oder?"

Als ich nichts äußerte, griff er sanft nach meinem Kinn und brachte mich dazu in sein Gesicht zu sehen.

„Ich weiß, Mateo... ich weiß"

Gerade, als Mateo was sagen wollte, wurde die Haustür aufgeschlossen und plötzlich aufgerissen. Erschrocken wirbelten wir herum und starrten in zwei ebenfalls erschrockene Gesichter.

Alecs eiserner Blick wanderte von mir zu Mateo, während Kylie mit weit aufgerissenem Mund sich an den Arm ihres Bruders klammerte. Es dauerte nicht lange und Alec schien sich wieder gefangen zu haben, denn sein Gesichtsausdruck veränderte sich urplötzlich. Er blickte mich wütend an und schüttelte Kylies Arm ab. Ich konnte sehen, wie seine Augen sich verdunkelten und er sich anspannte.
Ich saß immer noch auf Mateos Schoß und hatte ihn mit meinen Armen umschlungen, während er mir mit der einen Hand durchs Haar strich und mit der anderen Hand mein Kinn hielt.

Alec musterte schweigend das Wohnzimmer und sein Blick blieb kurze Zeit später an einer ganz bestimmten Stelle hängen. Die Decke lag unordentlich auf dem Sofa und die Kissen hatte ich während meines Anfalls auf den Boden geworfen. Vor etwa einer halben Stunde hatte ich meinen dünnen Pullover ausgezogen und auf das Sofa geschmissen, da es mir durch den ganzen Stress zu warm wurde. Dazu hatte Mateo seine Schuhe achtlos in die Ecke geschmissen.
Falls überhaupt möglich, riss Kylie die Augen noch weiter auf, als sie ebenfalls Richtung Sofa sah.

Scheiße, das sah so falsch aus

AlecWo Geschichten leben. Entdecke jetzt