Während ich allmählich wieder meine Sinne wiederfand, dröhnte es um mich herum. Ich spürte leichte Vibrationen auf meiner Sitzgelegenheit. Einen Moment später rüttelte mich etwas dezent durch. Irgendetwas klapperte. Eine helle Frauenstimme bot Getränke an und fragte nach dem Befinden. Eine dunkle, mir irgendwie bekannte männliche Stimme verlangte ein Glas Wasser und eine Schmerztablette. Ich versuchte zu blinzeln. Wo war ich? Es fühlte sich nicht wie mein Bett an. Es fühlte sich auch nicht wie fester Boden an. Aber auch nicht wie ein Schiff. Ich hatte das Gefühl, als sitze ich auf einem hohen Berg, wo der Luftdruck niedrig war und der Sauerstoff nur noch dünn vorhanden. Das machte den Kopfschmerz nicht besser.
Ich grummelte etwas Unverständliches und legte den Kopf zur Seite, da die Deckenbeleuchtung blendete. Mein Unterbewusstsein versuchte mir deutlich klar zu machen, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte, doch mein Körper war noch in der vollkommenen Entspannung.
Erst als ich erneut etwas Klappern hörte und die Frauenstimme wieder da war brachte ich meine Lider dazu, sich zu öffnen. An der Seite, zu der mein Kopf lag, war ein rundes Fenster. Benommen aber neugierig sah ich hinaus und erinnerte mich an die vielen Filme, die ich gesehen hatte, in denen die Leute geflogen waren. Ich erinnerte mich an Criminal Minds und den Privatjet des Teams. Irgendwie erinnerte mich dieses Fenster daran. Und die Wolken dort sahen so schön aus. Ich hätte mir Wolken von oben nie so schön vorgestellt. In Filmen waren sie immer so malerisch, aber in Wirklichkeit waren sie noch malerischer, wie sie vom Mond beschienen wurden.
"Du bist wieder wach", stellte die vertraute Männerstimme fest. “Wie schön.” Ich ließ meinen Kopf herum schwenken und betrachtete meinen Gegenüber. Er deutete mit mäßigem Interesse auf das Wasserglas und die Tablette, die auf dem Tisch zwischen uns lagen. "Gegen die Kopfschmerzen." Er selbst sah ebenfalls aus dem Fenster.
Was war das für ein Raum, in dem wir uns befanden? Er war an der Decke abgerundet und die Fenster hier waren alle rund wie das Bullauge einer Waschmaschine. Ich ließ meinen Blick erneut in die Nacht schweifen und erkannte wieder die blass schimmernden Wolken.
Wolken... Warum nochmal sahen sie von oben so schön aus?
Warum sah ich sie von oben?
Moment mal...?Ich blinzelte erneut. Die Wolken waren immer noch da. Ich sah zu meinem Gegenüber. Er starrte immer noch hinaus. Das Glas stand auch noch auf dem Tisch, die Tablette wackelte geringfügig.
"Wo sind wir?" Der Graf schien mich zu ignorieren. Wunderbar! "WO SIND WIR?!" Konnte man es mir verdenken, dass ich gerade leicht hysterisch wurde?
"Im Luftraum über den Niederlanden", gab er nüchtern zu verstehen, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. "Nimm die Tablette."
Ich fuhr mir unwirsch durch die Haare. "Okay... Okay. Gut zu wissen. Luftraum über den Niederlanden. Wunderbar! Nein, wirklich - ich finde das echt toll! So bin ich ja echt nah bei meiner Familie." Ich kämpfte krampfhaft gegen die Tränen und siegte - bis auf ein ungewolltes schniefen. "Ich brauche diese beschissene Tablette nicht, ich will nachhause!"
Was genau fand ich an dem Typen nochmal so toll? Der ließ sich ja nicht einmal dazu herab, eine Regung zu zeigen. "Das kannst du - bald."
Ich starrte ihn perplex an. "Bald? Achso, ja? Und deswegen fliegen wir... wohin noch mal?"
"London."
"LONDON!" Meine Stimme überschlug sich. London?! Ich schnaufte halb lachend, halb heulend. "London... Wie schön! London!"
"Durchaus", erklärte der Graf. "Eine moderne und dennoch traditionelle Stadt voller Leben, viel faszinierender als New York oder andere Städte des Westens."
"Ja klar, hätte ich auch selber drauf kommen können." Ich starrte das Wasserglas an. Ich hatte verdammt nochmal Durst und mein Schädel wollte geradezu platzen, allerdings weigerte ich mich vehement dieses Angebot anzunehmen. Ich wollte nicht hier sein. Wäre es nach mir gegangen, wäre ich zuhause in meinem Bett - ohne Kopfschmerzen! An denen war nur dieser Möchtegern-Gentleman schuld! "Und was bitte wollt Ihr in London?"
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Gegenwart ist Fluch
FanfictionDie Zeit ist ein Paradoxon. So vergehen für den einen über 200 Jahre, in denen er dem einzigen Opfer hinterherjagt, das ihm entkommen konnte, während für andere Personen nur wenige Wochen vergingen. Für Laura hätte gerne mehr Zeit vergehen können, b...