Zwei Tage schon. Zwei verdammte Tage saß ich hier fest. In einem Etablissement, das ich schon unter menschlichen Aspekten nie betreten hätte. Jetzt bekam ich gratis ein halbes Dutzend angestellte Vampire dazu und täglich unzählige nachtaktive Besucher. Schlimm genug, dass ich keinen wirklichen Ort des Rückzugs hatte. Ich musste mitansehen, wie diverse Kunden sich ihre Mätressen heraus pickten. Einer von ihnen hatte tatsächlich gemeint, sich für mich interessieren zu müssen. Auch wenn er danach unter Anämie zu leiden hatte, dem Marquis sei Dank.
Ich zog die Beine an und schlang die Arme um meine Knie. Den Kopf ließ ich gegen die Wand sinken. Zwei Tage lang hatte ich alles daran gesetzt, meinen Hals zu verbergen. Jetzt straften mich Verspannungen für dieses Verhalten. Scheiß auf die Blicke der Vampire. Scheiß auf das lüsterne Schmunzeln der Kerle. Scheiß auf diese ganzen perversen Schweine! Sobald meine Mutter davon erfuhr würde sie ohnehin jedem einzelnen die Polizei und Staatsanwaltschaft auf den Hals hetzen. Und wenn nicht, dann würde sie ihnen gehörig die Hölle heiß machen. Persönlich, wohlgemerkt.
Wenn sie es denn irgendwann erfahren würde. Ich fragte mich nach wie vor, ob ich für sie noch lebte oder längst totgeschrieben war. Immerhin war ich nun schon wieder geschlagene sechs Tage verschwunden. Erneut wie vom Erdboden verschluckt. Was mussten sich meine Eltern nur denken? Sie hatten das nicht verdient. Ich konnte mir vorstellen, wie für meine Mutter die ganze Welt förmlich zusammenbrach.
Ich blinzelte die Tränen weg. Warum lief mein Leben nur so scheiße? Schniefend presste ich die Lippen aufeinander. Hier in der dunklen Ecke des Raumes fühlte ich mich zurückgezogen und halbwegs separiert von den Perverslingen. Sie mussten nicht aufmerksam auf mich werden, indem ich zu heulen anfing.
"So hübsch und doch so traurig", raunte mir die Stimme des Marquis entgegen. Ich erkannte seine Silhouette aus dem Augenwinkel und wandte den Blick ab. Den Glanz in meinen Augen erkannte er sicherlich aus so gut genug.
"Lasst mich in Ruhe", schniefte ich. Meine Stimme zitterte. Zum ersten Mal erweckte meine eigene Schwäche Wut in mir.
"Ich werde dich sicher nicht zu dieser Zeit unbeaufsichtigt lassen", erklärte de Sade. "Heute ist einer der wenigen Tage, an denen ich einen wahren Ansturm erwarte."
Mir schauderte es bei dem Gedanken an noch mehr triebgesteuerte Blutsauger als sonst.
"Deine Formulierung gefällt mir. Sie ist provokativ", erklärte der größte Hurenbock von allen. "Vorsicht, meine Liebe. Ich kann persönliche Angriffe zwar recht gut verkraften, doch kenne auch ich gewisse Grenzen." Ich hörte ihn leise in sich hinein lachen. "Wir wollen doch nicht, dass du dir eine weitere Strafe zuziehst."
Zärtlich legte sich ein Finger auf meine Kehle. Ruckartig fuhr ich zusammen, kreischte auf, doch der Schrei wurde von einer kühlen Hand erstickt. Im nächsten Moment lag ich auf der Couch dahingestreckt, der Marquis halb über mir.
"Sssht, nichts Unüberlegtes denken. Ich kenne weit mehr Möglichkeiten der Strafe, als sie dem guten Breda je in den Sinn kämen", säuselte er mit überheblich süffisantem Grinsen. In seinen Augen glänzte unverkennbare Gier.
"Wie erfreulich für sie, dass der 'gute Breda' eben jene zu verhindern weiß", ertönte tödlich ruhig seine erlösende Stimme.
Der Marquis rührte sich bis auf einen zuckenden linken Mundwinkel keinen Millimeter. "Wie bedauerlich. Verehrteste, ich fürchte wir müssen unser Rendez-vous verschieben." Dann löste sich seine Hand endlich von meinem Hals. Erst jetzt fiel mir wieder ein, zu atmen. Hustend stützte ich mich auf der Lehne des Sofas ab.
"Donatien, ich bin mir sicher, deine Geschäfte lassen dir kaum einen Moment der Ruhe. Wie fahrlässig, sie hier und jetzt zu vernachlässigen." Breda lehnte unweit entfernt völlig entspannt an der Wand, seine langen Nägel begutachtend.
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Gegenwart ist Fluch
Fiksi PenggemarDie Zeit ist ein Paradoxon. So vergehen für den einen über 200 Jahre, in denen er dem einzigen Opfer hinterherjagt, das ihm entkommen konnte, während für andere Personen nur wenige Wochen vergingen. Für Laura hätte gerne mehr Zeit vergehen können, b...