Einen Schritt voraus

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Es war zum Kotzen. Alles war zum Kotzen. Fast eine Woche saß ich nun hier rum, drehte meine Daumen und hoffte darauf, dass der nächste Tag eine Änderung bringen würde. Ich war wieder gefangen. Wie in London. Nur dass ich diesmal unsichtbare Fesseln trug, die mich in keiner Bewegung einschränkten, mir jedoch alles verboten, was ich wirklich wollte. Daran konnte auch die schrullige Sekretärin des Magisters nichts ändern, die mir als 'Gesellschaft' mitgegeben worden war. Im Grunde war sie doch ohnehin nur meine Aufpasserin. Als wenn ich das noch nötig hätte!

Die Atmosphäre im Raum lag bereits seit Stunden unter dem Gefrierpunkt, während die Dame in einem mitgebrachten Laptop tippte. Ab und zu sah sie über ihre halb auf der Stupsnase sitzende Brille zu mir herüber, musterte mich wie einen Hund, bei dem man prüfen wollte, ob er noch brav auf seiner Decke lag. Sagen konnte sie scheinbar nicht allzu viel. Bis auf eine unterkühlte Begrüßung hatten wir noch nicht viele Worte gewechselt. Um mir die Zeit zu vertreiben nahm ich mir meine Wasserflasche und jonglierte sie sinnbefreit durch die Luft.

Es folgte ein mahnender Blick über die Brille, der alles andere als freundlich wirkte. Wow! Es war erstaunlich, dass mir diese Person von jetzt auf gleich noch unsympathischer werden konnte. Provokativ warf ich die Flasche weiter in die Luft. Das darin schwappende Wasser, das früher mal mit Kohlensäure versetzt gewesen war, gluckerte fröhlich, was diese... Constanze, wenn ich ihren Namen richtig behalten hatte, zum Räuspern brachte.

Ich ließ den Kopf in den Nacken fallen und schloss die Augen. "Darf ich überhaupt noch irgendetwas tun, außer armselig vor mich hinzuvegetieren?"

Sie tippte in unheimlicher Geschwindigkeit auf der Tastatur herum. Ihr Blick fixierte den Bildschirm. Warum sollte sie mich auch ansehen? Ich war ja nur das Baby, das sie sitten musste. "Das Geräusch ist störend."

Klasse! "Tut mir leid, aber lautlos kann ich diese Flasche nicht werfen", ahmte ich halbwegs ihren Tonfall nach. Warum auch immer ich heute so hochgradig angepisst war, ich war fest entschlossen, das an ihr auszulassen. Ich warf die Flasche erneut.

"Unterlassen Sie das", wies mich Frau Oberschlau scharf an.

Prompt fiel die Flasche unheilvoll polternd zu Boden. Der darauf folgende Blick meiner Aufsicht war zum Schießen komisch, wenn auch nicht minder tödlich. "Was?", pflaumte ich sie an.

Sie schüttelte nur den Kopf und tippte weiter.

Gott, ich wurde aus dieser Frau nicht schlau! Das hieß - doch, ich wurde aus ihr schlau. Sie passte auf verblüffend perfide Weise geradezu perfekt zum Magister. Auch wenn ich nicht verstand, warum er eine Engländerin eingestellt hatte. Und dann noch dieser absurde Nachname: Featherstone. Ganz zu schweigen von ihrem Akzent! Waren Franzosen und Engländer nicht Todfeinde?

Ihre Finger stoppten einen kurzen Moment auf den Tasten, dann flogen sie in Windeseile weiter. Ich seufzte gedehnt. Ich durfte wegen 'störender Geräusche' meine Flasche nicht mehr werfen, aber sie durfte nervraubend auf der Tastatur rumhämmern? "Tippen Sie immer so laut?"

Sie ließ sich nicht im Geringsten von ihrem Vorhaben, heute noch die Tastatur zu ruinieren, abbringen. "Ja."

"Ich hoffe für den Magister, dass Ihre Büros voneinander getrennt sind."

"Der Magister ist sehr zufrieden mit meiner Arbeit", kommentierte Constanze und sah beinahe pikiert mit gekräuselten Lippen auf.

Ich zog die Stirn kraus und starrte auf die Raufasertapete an der Decke. "Wirklich? Da muss er ja erstaunliche Nerven haben."

Sie erwiderte darauf nichts, sondern tippte voller Elan weiter. Irgendwie tat mir ihr Laptop leid. So ein reines Bürokratiegerät. Es hatte in seinem ganzen digitalen Leben sicher noch kein einziges Spiel gesehen...

Gegenwart ist FluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt