Dumpfes fluoreszierendes Licht flackerte unregelmäßig, ließ kaltblaue Schatten durch den kleinen Raum zucken. Eine schwarze lederne Couch füllte das Zimmer fast aus. Ein schemenhaftes Ungetüm, auf dem sich der Leuchtstoff reflektierte. Ungemütlich und unheilvoll. Die Federn der abgenutzten Polsterung waren deutlich zu spüren, sobald man darauf Platz nahm. Das und die allgegenwärtige Nervosität im Raum verhinderten es, dass ich auch nur eine Sekunde länger als nötig die Augen schloss. Ganz zu schweigen davon, dass ich mir die knapp 15 Quadratmeter mit einem Kerl teilen musste, bei dem “Ruhe” nicht im Wortschatz enthalten war.
“Könntet Ihr auch mal fünf Minuten still stehen?” Ich rieb mit den Händen über meine gereizten Augen. Wie viele Stunden - oder waren es Tage - saßen wir hier schon?
Eine halbfettige Strähne fiel mir in die Stirn. Von meinem Platz in der Ecke aus, den ich lauernd hockend auskostete, konnte ich den Grafen seit Stunden beim hin und her gehen beobachten.“Nein”, entgegnete er mir, hielt dabei nicht einmal an. Seine Schritte dröhnten auf dem Laminat und in meinen Ohren.
“Bitte!” Ich versuchte ruhig zu atmen. Enge Räume waren nie ein Problem für mich gewesen. Jetzt hatte ich das Gefühl zu ersticken, was nicht zuletzt an der stickigen Luft und den nicht vorhandenen Fenstern lag.
Natürlich tat der Graf mir nicht den Gefallen, sich zu beruhigen. Immer wieder und wieder ging er von links nach rechts und wieder zurück, quer durch das Zimmer, soweit die Couch das ermöglichte. Jedes Mal flog ein diffuser Schatten in meine Ecke.
Ich ließ meinen Schädel gegen die Wand sinken. “Was ist Euer Problem?”
Für einen Moment hielt der Graf an, sah von oben mit eisigem Blick zu mir herab. Die Schatten um seine Augen schienen dunkler als sonst. Sein Gesicht wirkte kantiger. Irgendwie ausgezehrt. Ich schob es auf die Lichtverhältnisse. In diesem Raum kam mir alles düsterer vor.
“Ich sitze in einem Loch fest ohne die Möglichkeit, hier raus zu kommen”, spie er mir die Erklärung vor die Füße und setzte seinen Weg fort.
Ich schloss die Augen. Er war ja ohnehin schon ein Ekel gewesen. Jetzt war er unausstehlich. “Und Ihr glaubt, das macht es besser?” Der Takt seiner Schritte und der immer wieder vorüberziehende Schatten wühlten mich auf.
“Vielleicht nicht besser, aber erträglicher”, raunte er gepresst im Vorübergehen.
“Wie schön für Euch”, schnaubte ich.
Er stockte, raufte sich das strähnige Haar und wandte sich mir mit Verzögerung zu. “Darf ich vermuten, dass du eine bessere Idee hast?”
Ich überlegte einen Moment. Hatte ich die? Im Endeffekt saßen wir beide in diesem Rattenloch fest, das sich Hauptsitz des Magisters nannte. “Nein, habe ich nicht.”
Dafür erntete ich einen abfälligen Blick und eine weitere gefühlte Ewigkeit angespanntes Schweigen. Zumindest setzte sich der Graf auf das schwarze Monstrum und ging dazu über, seine Fingernägel ausgesprochen eindringlich zu inspizieren.
Mein Blick blieb automatisch an ihnen haften. Wie damals im Schloss. Jetzt sahen sie länger aus, gefährlicher, wie sie an seinen dürren Fingern prangten. Ich fragte mich, ob man bei ihm schon immer so deutlich die Knochen unter der Haut erahnen konnte.
Nein, das war sicher nur eine optische Täuschung. Der flackernde Leuchtstoff spielte meiner Wahrnehmung streiche. Und doch konnte ich den einen Gedanken nicht verhindern: Würde das Kind auch solche Hände haben? Diese furchtbaren Klauen, die eigentlich ganz sanft sein konnten?
Der Graf hielt inne, musterte mit stechendem Blick seine Finger. “Ich könnte dir die Bürde nehmen”, brach er das Schweigen. Seine Augen schienen leer, seine Iris reflektierte das Licht unstet, während er wie in Zeitlupe seine Hand wendete.
DU LIEST GERADE
Gegenwart ist Fluch
FanfictionDie Zeit ist ein Paradoxon. So vergehen für den einen über 200 Jahre, in denen er dem einzigen Opfer hinterherjagt, das ihm entkommen konnte, während für andere Personen nur wenige Wochen vergingen. Für Laura hätte gerne mehr Zeit vergehen können, b...