Eine Frage der Perspektive

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„Was wäre wohl die spitzere Bemerkung zu den Vorgängen im Hochstift. ‚Sieben Nonnen verführen einen Gemeindepfarrer zur Unzucht‘? Oder ‚ein enorm bestückter Benediktiner sodomisiert mit einer Ziege namens Pius‘?“

Den Controller in der Hand haltend und auf das virtuelle Abbild des Marquis starrend, dachte ich über die seltsame Ironie meines Schicksals nach. Hier saß ich nun, zockte Assassins Creed, durchstreifte die Französische Revolution und wurde doch die Visage de Sades nicht los. Es war, als verfolge er mich. Zumal ich gar nicht wissen wollte, was er davon hielt, dass ich in seiner Einrichtung virtuelle Leute tötete.

Dennoch war es eine mehr als willkommene Abwechslung. Ich konnte einfach abschalten, auf der Couch in meinem Zimmer sitzen und auf den überdimensionalen Bildschirm des LED-TVs gucken. Allmählich gewöhnte ich mich sogar an den extravagant verschwenderischen Lebensstil der Vampire. Auch wenn ich ihn immer noch nicht gutheißen wollte, gab es immerhin genügend Menschen auf der Welt, die am Hungertuch nagten.

Der Pixel-Marquis umgarnte gerade mit süffisant verruchtem Lächeln Elise, die ihn selbstbewusst wie eh und je zurückwies. Dass ihn das nicht im Geringsten zu stören schien, ließ mich erschaudern. Jetzt, wo ich diese Person sogar in der Realität kannte, wollte ich erst recht nicht wissen, was in dem Moment in seinem Kopf vorgegangen sein mochte.

Ich machte mich auf die Suche nach Le Peletier. Doch ehe ich das Café in der Nähe des Palais Royale erreichen konnte, klopfte es an der Tür. Ich pausierte das Spiel. „Ja?“

Es blieb still. Erst zu spät fiel mir ein, dass die Scharniere hier keineswegs wie im Schloss quietschten. Als ich aufsah stand er bereits hinter mir. „Ich scheine die interessanteste Stelle verpasst zu haben“, säuselte eine Stimme, die entfernt an Charles Lee erinnerte mit französischem Akzent.

Seltsamerweise gewöhnte ich mich allmählich an das ungute Gefühl, sobald ein Untoter in meiner Nähe war. Ich war mir nicht sicher, ob das nun gut war oder nicht. „Ja, die Ziege war wirklich atemberaubend.“ Mit einem beiläufigen Knopfdruck beendete ich die Spielpause und sah wieder zum Bildschirm. Der war ansprechender als der Marquis.

„Oh, die Phantom Montur. Sehr nützlich, um unbemerkt durch Paris zu streifen.“

„Ihr müsst es ja wissen.“ Ich rannte auf zwei Männer der Bourgeoisie zu und legte sie im Doppelattentat um. Der Zivilist dankte es mir ausschweifend.

Mein Gefühl sagte mir, dass der Marquis sich wieder von mir entfernte. Als ich über die Schulter linste schlenderte er einer anmutenden Katze gehobenen Alters gleich zum Barschrank. Ich konzentrierte mich wieder auf die Mission. „Durchaus. Wie meinst du, hätte ich sonst die Revolution überlebt?“ Hinter mir ertönte das leise Klirren von Glas.

Eine Wache entdeckte mich beim Plündern einer Schatztruhe. Er war tot, noch ehe er den ersten Angriff wagen konnte. „Soweit ich weiß, wart Ihr mehrmals für längere Zeit inhaftiert worden. Also vermute ich mal: Glück?“

Ein kehliges Lachen rollte zu mir heran. „Wenn du es so nennen möchtest.“ Ein Gefäß wurde mit dem typischen Geräusch des Entkorkens geöffnet, woraufhin kurzweiliges Plätschern folgte. Ich knackte gerade den dritten Zylinder der Schatztruhe. „Ich für meinen Teil bevorzuge den Begriff ‚Nützliche Bekanntschaften‘.“

Ich zuckte nur mit den Schultern. „Welch ein Glück, dass Ihr diese Bekanntschaften besaßt.“ Der Inhalt der Truhe waren ernüchternde 3000F, die sich zu den restlichen 118.038F hinzu gesellten. Vielleicht sollte ich mein Geld mal für ein Upgrade ausgeben.

„Apropos Bekanntschaften… Möglicherweise besitze ich auch dieser Tage noch solche nützlicher Art.“ Etwas an der Betonung des Marquis missfiel mir.

Gegenwart ist FluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt