Kapitel 10 (Anthea)

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Eigentlich dachte Anthea, als Orion sie am Arm gepackt und durch seine Villa gezerrt hatte, dass er sie wie schon so oft zuvor, in ihr Zimmer schleppen würde. Erst als sie vor der Kellertreppe gestanden waren, hatte sie begriffen, dass er sie in den Kerker bringen wollte.

Mitlerweile saß sie schon seit 2 wochen im Kerker und hatte inzwischen völlig das Zeigefühl verloren, da sie nicht einmal erkennen konnte, wann Tag oder Nacht war.

Es war nicht das erste mal, dass sie eingesperrt wurde. Ihr Addoptifvater hatte sie schon oft eingesperrt, doch normalerweise war sie dann in ihrem Zimmer und ihr bester Freund war bei ihr.

Sie fragte sich die ganze Zeit über, warum sie diesmal im Kerker eingesperrt wurde, doch auf einmal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen:

Sie hatte in ihrem Zimmer ein Brecheisen verstekt, um weglaufen zu können, wenn sie wieder eingesperrt wurde. Möglicherweise hatten ihre Väter es gemerkt und wollten sie an der Flucht hindern.

Nachdem sie eine Weile eingesperrt war, hatte sie allerdings eine zweite Chance, die sie auch sofort nutzte.

Irgendwann wardie wache, welche Theas Zelle bewachen sollte, eingeschlafen. Als sie den Wachmann genauer betrachtete, bemerkte sie, dass er einen Schlüssel bei sich trug.

Sie streckte den Arm aus und versuchte, den Schlüssel zu greifen. Plötzlich bemerkte Thea, dass sich der Mann bewegte. War er etwa wach?

Erleichtert stellte Thea nach ein paar Sekunden allerdings fest, dass er sich nur umdrehte. Dabei fiel ihm der Schlüssel aus der Hand und Thea zog ihn so schnell wie sie konnte zu sich.

Mit hastigen Bewegungen öffnete sie die Tür und hoffte dabei, dass diese nicht quietscht. Da sie taub war, konnte sie dies leider nicht beurteilen, doch sie schien Glück zu haben.

Vorsichtig zog sie dem Wachmann seine Arbeitskleidung aus und zog diese über ihre eigene Kleidung. Danach setzte sie auch noch ihre Handschuhe aus, welche normalerweise ihre Raffnarben verstecken sollten. Allerdings würde sie mit diesen Handschuhen sofort auffallen, also versteckte sie diese unter ihren Klamotten.

Während sie vorsichtig den Kerkergang entlangschlich, sah sie sich immer wieder nach Wachen und Kameras um, denn sie wusste, dass man sie sofort wieder einsperren würde, wenn man sie erwischt.

Anfangs hatte sie auch Glück, doch da sie taub war, hatte sie nicht bemerkt, dass jemand hinter ihr stand. Hatte er sie erkannt?

Es sah so aus, als ob er mit ihr reden wollte, doch Thea verstand kein Wort.

Der Mann schien es zu merken, denn er packte sie am Arm und versuchte, sie wegzuzerren. Offenbar war Thea aufgeflogen.

So schnell wollte sie aber nicht aufgeben. Sofort riss Thea ihren Mund auf und biss dem Wachmann so fest sie konnte ins Handgelenk.

Augenblicklich lies er sie los und fasste mit der anderen Hand an die Bisswunde.

Thea ergriff ihre Chancen und rannte sofort los, bevor der Mann sie aufhalten konnte. Der Wachmann gab die Verfolgung sofort wieder auf und rannte ihr hinterher.

In diesem Moment war Thea sehr froh darüber, dass sie so viel Sport gemacht hatte. Orion hatte nämlich immer darauf geachtet, dass sie nicht nur faul zuhause rumsaß, sondern sich auch bewegte.

Sie rannte so schnell sie konnte, doch nach einer Weile holte der Mann auf.

In diesem Moment erkannte Thea, dass sie nicht wegrennen konnte.

Sie stümte auf den man zu und schlug ihn so fest sie konnte ins Gesicht. Dieser ließ das nicht auf sich sitzen und gab ihr eine so kräftige Ohrfeige, dass sie nach hinten stolperte. Sie rappelte sich aber schnell wieder auf und versetzte dem Mann einen kräftigen Tritt in die Magegrube. Daraufhin entbrannte eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen den beiden.

Als Thea merkte, dass der Mann ein Funkgerät bei sich hatte und versuchte, Hilfe zu holen, schlug sie es ihm mit voller Kraft aus der Hand.

Es schlug hart auf dem Boden auf und wurde durch die Wucht des Aufpralls zerstört.

Der Schlag hatte allerdings nicht nur für das Funkgerät Folgen, sondern der Mann hatte durch eine scharfe Kante am Gerät eine große Schnittwunde abbekommen.

Dadurch war er fürs erste geschwächt und Thea rannte wieder los. Nach einer Weile hatte sie den Mann abgeschüttelt und kam an der Kellertür an.

Sie rüttelte daran, doch die Tür ging nicht auf. Offenbar war sie ebenfalls verschlossen.

Plötzlich kam ihr eine Idee. Es gab für das Haus einen Universalschlüssel. Sofort zog sie den Schlüssel aus der Hosentasche und drehte ihn im Schlüsselloch.

Nun kam der Moment der Wahrheit. Langsam versuchte sie, die Tür zu öffnen und tatsächlich schaffte sie es.

Als sie aus dem Fenster sah, bemerkte sie, dass es draußen dunkel war. Das würde ihre Flucht um einiges erleichtern.

Nun konnte sie fliehen, doch vorher wollte sie noch etwas wissen.

So leise wie möglich schlich sich in das Arbeitszimmer von Orion und hoffte, dass es leer war.

Wenn Orion drinnen wäre, dann würde er sie sofort wieder einsperren und das wollte Thea um jeden Preis verhindern.

Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt weit um hineinsehen zu können. Das Zimmer war leer.

Nun war sie sehr aufgeregt, denn sie würde nun endlich erfahren, wer ihr leiblicher Vater war.

Aufgeregt startete sie den PC und durchsuchte sämtliche Dateien, bis sie auf einen Ordner mit dem Namen "Thea" fand.

Sie klickte ihn an und musste die Hände vor den Mund pressen.

Es war ein Dokument, welches besagte, dass sie als Baby entführt worden war und eigentlich in einer asiatischen Pflegefamilie leben sollte.

Nun brach sie in Tränen aus. Ihre leiblichen Eltern waren höchst wahrscheinlich am Virus gestorben und sie war eins der geretteten Kinder.

Sie öffnete weitere Daten und fand heraus, dass ihre Entführer auch noch Gretzer waren.

Nach einer Weile fuhr sie den Computer herunter und schlich sich wieder aus dem Zimmer.

Nun wollte sie erst recht fliehen, denn sie wollte keine Sekunde länger mit den Leuten verbringen, die sie ihr ganzes Leben lang angelogen hatten.

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