baby-boyfriends || fluff

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Mit sanftem Lächeln blicke ich noch einmal auf das alte Foto, bevor ich es zurück in die Box lege und der Stimme meiner Mutter folge, die gerade zum Abendessen gerufen hat.

"Da bist du ja endlich, was machst du denn da oben so Wichtiges, dass ich dreimal rufen muss, bis du runter kommst?" Ich lasse mich auf dem Stuhl nieder und murmle "Tut mir leid, Mum, bin irgendwie in meiner Erinnerungsbox versunken..." Ich türme mir einen Haufen fluffiges Kartoffelpüree auf den Teller und überflute es anschließend mit der Bratensoße. "Oh Liebes, wieder die alten Briefe?" schmunzelt sie und streichelt mir über die Wange. "Lass mich, ich denke nun mal gerne an die Zeit zurück..." verlegen schiebe ich das Hähnchen auf meine Teller hin und her.

"Hattest keinen Erfolg bei deiner Suche, nehme ich an?" fragt sie und legt den Kopf schief. Schnaufend schüttle ich den Kopf. "Das ist absolut hoffnungslos, niemand nutzt auf Social Media seinen echten Namen, ich weiß ja nicht mal mehr, ob er noch den gleichen Nachnamen hat. Er hat damals in dem letzten Brief ja erzählt, dass seine Mum wieder heiratet, vielleicht hat er ja auch den Namen seines Stiefvaters angenommen?"

Sie streicht mir über die Hand und flüstert "Wenn das Schicksal es will, wirst du ihn irgendwann wieder sehen, Love. Ich weiß, die Freundschaft hat dir echt viel bedeutet."

Ja, das hat sie. Diese Freundschaft war etwas besonderes. Als ich ihn damals im Familienurlaub in Südfrankreich kennengelernt habe, war es, als hätte ich meinen Seelenverwandten gefunden. Und, ja mir ist selbst bewusst, wie bescheuert das klingt, wenn man bedenkt, dass wir zu dem Zeitpunkt erst 7 & 8 Jahre alt waren. Aber dennoch war es etwas Einzigartiges zwischen uns. Ich war einfach so schüchtern und als Einzelkind komplett überfordert, sodass ich die ersten 2 Tage allein unter dem Schirm gesessen habe, während ich all die anderen Kinder beim Freundschaften schließen beobachtet habe.

Und dann war da plötzlich Harry.

Er war fast 2 Jahre jünger als ich, aber trotzdem derjenige, der auf mich zugekommen ist. Er ist einfach zu mir rüber gekommen, hat sich neben mich in den Schneidersitz gesetzt und gesagt "Hi, ich bin Harry. Und du bist?" Ich war im ersten Moment so überfordert, dass ich nicht antworten konnte, weshalb er mich gefragt hat, ob ich ihn nicht verstehe. Auf Französisch und Spanisch, denn er hat beides damals bereits nahezu fließend sprechen können. Ich musste schmunzeln, weil ich so süß fand, wie viel Mühe er sich gegeben hat, um mich anzusprechen. Ich habe dann gesagt, dass Englisch gut ist und mich ebenfalls vorgestellt.

Den kompletten Urlaub haben wir von da an zusammen verbracht und am Ende der 3 Wochen Adressen ausgetauscht. 2 Jahre lang haben wir uns regelmäßig Briefe hin und her geschrieben, von denen ich alle noch habe. Obwohl ich dadurch immer nur kurze Ausschnitte seines Lebens mitbekommen habe, war es, als wäre ich ein Teil davon gewesen.

Unsere Freundschaft war definitiv etwas ganz besonderes, auch wenn wir noch so jung waren. Ich denke oft daran zurück und frage mich, was wohl aus ihm geworden ist. Unsere Brieffreundschaft hat damals ganz plötzlich geendet, als einer meiner Briefe unzustellbar zurück kam. Ich weiß nicht, wohin seine Familie gezogen ist, ich hatte absolut keine Chance, ihn wieder zu finden, vor allem mit 10 Jahren. Ich habe wirklich lange gehofft, dass ich einfach irgendwann wieder einen Brief von ihm bekomme, aber... ich warte darauf bis heute.

"Irgendwie finde ich es ja echt süß, dass du nach all den Jahren immer noch an ihn denkst und hoffst, ihn wieder zu finden." Daniel, mein Stiefvater, lächelt mich schief an, während ich nur verlegen den Kopf senke und mein Kartoffelpüree auf dem Teller hin und her schiebe. "Wer weiß, vielleicht war er ja sogar der erste Junge, für den du ein bisschen mehr übrig hattest, als Freundschaft?" Er stupst mir sanft gegen die Schulter und kichert leise. "Du meintest doch mal, du wusstest es schon immer, oder?" Ich nicke. "Die meisten Jungs merken bereits als kleines Kind, dass sie schwul sind. Es ist nur immer unterschiedlich, wie früh man es sich eingesteht..." murmle ich. Auch er nickt nun. "Ich bin froh, dass du dich so früh getraut hast. Auch, uns davon zu erzählen." Leicht muss ich lächeln.

my golden habit || L.S. [OS]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt