wrapped it myself || fluff

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Irritiert blinzle ich mit müden Augen auf meinen Handy-Bildschirm. Doch, dort steht tatsächlich 05:45 Uhr - ich bin durch meinen Wecker geweckt worden. Ja, an 364 Tagen im Jahr ist das auch vollkommen richtig so, aber nicht heute. Seit 28 Jahren (naja, oder zumindest soweit ich mich zurück erinnern kann) werde ich um Punkt 12 Uhr nachts geweckt, exakt in der Sekunde, in der der Tag die Welt erblickt. Es ist einfach so etwas wie eine Tradition, dass Louis mir als Allererster zu meinem Geburtstag gratuliert.

Und genau das ist auch der Grund, weshalb ich direkt besorgt bin, ob eventuell etwas passiert sein könnte.

Sofort öffne ich also unseren Chat, doch zu meiner Erleichterung war er vor wenigen Minuten erst online. Ob ich dennoch etwas enttäuscht bin, noch nicht mal eine Nachricht von ihm zu haben, obwohl auch er offensichtlich schon wach ist? Seufzend reibe ich mir durchs Gesicht, schüttle dann über mich selbst schmunzelnd den Kopf.

Irgendwie ist es ja auch albern, fast sogar kindisch, so etwas zu erwarten. Ich meine, er ist bereits seit ein paar Monaten 30 Jahre alt, ich werde es in 2 Jahren. Vielleicht ist es auch einfach bloß mein Hirn, dass so wahnsinnig gern ein Gewohnheitstier ist, das mir einreden mag, er MÜSSE trotz einer stressigen Woche mitten in der Nacht anrufen, um seinem Kindergartenfreund zum Geburtstag zu gratulieren.

Also sperre ich mein Handy wieder, strecke mich noch einmal ächzend, bevor ich die Decke zur Seite schlage und unter die Dusche hüpfe. Knapp eine Stunde später stelle ich mein Auto auf dem Parkplatz ab, bevor ich die riesige Tüte voll Süßigkeiten und Knabberkram vom Beifahrersitz zerre. Hier bei uns in der Firma ist es nämlich ein ungeschriebenes Gesetz, als Geburtstagskind einen Haufen ungesundes Zeug mitzubringen, mit welchem sich die Kollegen die Bäuche vollschlagen, wenn sie zum Gratulieren vorbei kommen. Ich liebe diese Tradition, denn gerade jetzt im Herbst haben einige aus der Belegschaft Geburtstag, sodass man ganz fantastisch jede Woche eine Menge Blödsinn in sich hineinfressen kann.

Irgendwie muss man den Winterspeck ja ansetzen...

"Guten Mooooorgen..." flöte ich in die geöffnete Bürotür der Hausmeisterin, wie ich es jeden Morgen tue, wenn ich bei ihr vorbeikomme. Sie hebt müde den Kopf, ringt sich ein schwaches Lächeln ab und erwidert ein brummendes "Mooorgen", bevor sie wieder in der gestern gelieferten Papierhandtuchbestellung versinkt. Ich atme tief durch, rede mir ein, sie habe bestimmt noch nicht den PC gestartet, auf dem sie in Ihrem Kalender jeden einzelnen Geburtstag des Hauses notiert hat.

Ich gehe also, vollbepackt wie ich bin, weiter durchs Haus, laufe dabei dem Geschäftsführer übern Weg, welcher ebenfalls bloß ein höfliches "Guten Morgen Mister Styles" über die Lippen bringt. Von Mister Rowland habe ich allerdings auch nicht erwartet, dass er sich die Geburtstage aller seiner Mitarbeiter merken kann. Er hat definitiv zu viel anderes im Kopf.

Was ich allerdings irgendwie schon erwartet hatte, war ein hübsch dekoriertes Büro. Auch das ist ein ungeschriebenes Gesetz in unserer Abteilung, der Arbeitsplatz des Geburtstagskindes wird wild dekoriert - besonders gern mit 'Konfetti' aus dem eigenen Locher, welches man noch Wochen später irgendwo zwischen der Tastatur wiederfindet. Aber das gehört einfach dazu.

Zumindest dachte ich das...

Verunsichert blicke ich auf meine Apple Watch, denn so langsam kommt es mir doch etwas komisch vor. Doch nein, ich bin nicht derjenige, der sich im Tag vertan hat. Kann es denn wirklich sein, dass nahezu jeder, der mich täglich sieht, meinen Geburtstag vergessen hat?

Und das, obwohl ich doch sogar mehrmals davon gesprochen habe diese Woche...

Weil, naja, es ist so: Ich liiiiiebe es, Geburtstag zu haben. Genauso, wie meine Erwartungshaltung gegenüber meines besten Freundes, ist auch das sicherlich etwas albern, sich mit fast 30 noch immer so immens auf den eigenen Geburtstag zu freuen, wie mit 10 Jahren, aber ich kann es nicht ändern. Ich habe mindestens genauso viel Freude daran, allen meinen Freunden an ihrem großen Tag eine Überraschung zu organisieren, doch noch viel mehr bubbert mein Herz, wenn die Menschen um mich herum mir eine Freude machen wollen. Ich weiß nicht, ich bin wohl einfach einer dieser Menschen...

my golden habit || L.S. [OS]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt