Sieben

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Zwei Monate später gab es erneut ein Fest im Schloss. Katharina hatte sich mit schwarzer Kohle die unverwechselbaren Haare gefärbt und mit einer leichten Creme von Malotie die Narbe unter ihrem Auge überdeckt. In einem langen Mantel ritt sie bei Dämmerung um das Schloss herum und gelangte über einen versteckten Hintereingang in den Garten. Sie musste sich erst noch durch unzählige Sträucher kämpfen, doch danach stand ihr die Bahn frei. Schnell war sie an den Gästen vorbei und im Schloss angelangt. Ihr Weg führte sie vorbei an ein Dutzend Wachen hinauf in ihr Zimmer. Sie griff sich ihre Tasche und verstaute ein paar Andenken ihrer Mutter sowie etwas Briefpapier darin.

König Kieran stand wie beim letzten Mal in der Nähe der Ställe und dachte zurück an den Abend, als seine Schwester hier vermählt wurde. Mit der Zeit schlenderte er durch das Schloss und sah sich im Trohnsaal um. Der einzelne Trohn gefiel ihm nicht, er schien so einsam. Jedoch stand sein eigener neben einem leeren Trohn, was ihn noch viel mehr bedrückte. Seufzend wollte er gerade wieder umkehren, als er den Saum eines schwarzen Mantels hinter einer Wand verschwinden sah. Innerlich fluchte Katharina, sie hatte ihn genau gesehen, doch Kieran würde sie sofort ausliefern, wenn er sie zu Gesicht bekam.

Leise tapste die geflohene Prinzessin zur Bibliothek und schloss vorsichtig hinter sich die Tür. Sie lief zu ihrem Lieblingsplatz und nahm sich ein paar Bücher, die sie in ihrer Tasche verstaute. Einen Moment lang verharrte sie und dachte an ihre Mutter, wie sie früher immer dort saß und an ihren Stickereien arbeitete, während Katharina das Lesen lernte. Sie seufzte traurig, diesen Ort würde sie nun nie wieder besuchen können.

Als eine warme Gänsehaut sich über ihren Körper ausbreitete, wusste sie, dass Kieran nun direkt hinter ihr stand. Sie hatte verloren. Er würde sie ihrem Vater bringen, welcher sie nun elendig quälen würde, bevor er sie öffentlich hinrichten lassen würde. Eine dicke Träne kullerte ihre Wange herunter. Sie wollte doch nur ein paar Sachen holen und nie wieder hier auftauchen, doch Vincent hatte Recht, sie hätte liegen bleiben und ein komplett neues Leben beginnen sollen.

Kieran kniete sich neben Katharina auf den Boden und wischte ihr vorsichtig die Träne weg. Er musterte ihr kohlefarbenes Haar und fuhr mit den Fingern hindurch. "Deine Mutter wäre stolz auf dich, Katharina!" sprach er leise. "Stolz?" fragte Katharina verwirrt und schluchzte kurz. "Sie hat nichts mehr geliebt, als ihre eigenen Kinder! Dein Vater war schon damals kein guter Mann, doch sie gebar ihm sechs wundervolle Kinder! Sie selbst konnte nicht mehr, sie litt unter deinem Vater, doch ich war dabei, als sie deinen kleinen Bruder bekam. Ich war zwölf und hatte Schreie gehört, doch am Ende war ich es, der ihren letzten Wunsch zu Ohren bekam."

Katharina weinte, allein der Gedanke an ihre Mutter machte sie so unendlich traurig. Kieran strich ihr sanft über den Rücken und hielt ihre Hand. "Was- Was war ihr letzter Wunsch?" fragte Katharina schluchzend. "Deine Mutter wünschte sich, dass ihr erkennt, was für ein grausiger Mann dein Vater ist! Mit Michael nahm es den Anfang und du ziehst mit! Vincent weiß es sicherlich auch schon, da bin ich mir sicher, aber solange dein Vater lebt, wird vor allem Maximilian sich nicht helfen lassen. Deine Mutter wollte, dass es euch gut geht, dass all ihre Kinder glücklich sind! Katha, es war die richtige Entscheidung!"

Nach einer Weile hatte sich Katharina wieder beruhigt und bemerkte, dass Kieran noch immer ihre Hand hielt. Es gefiel ihr, seine Haut war so warm und unglaublich weich. "Ich mag dein Haar nicht, früher war es viel schöner!" flüsterte Kieran und so schmunzelte sie. "Ich mag es so schwarz auch nicht an mir, aber es muss sein." seufzte Katharina. "Ich wünschte, ich könnte dich mit zu mir nehmen und es dir wieder abwaschen!" murmelte Kieran und wischte Katharina mit dem Daumen die Creme unter dem Auge weg. "Kieran?" fragte Katharina langsam und senkte den Blick. "Ich hatte euch die Pferde satteln lassen, denkst du wirklich, ich verrate dich?"

Kieran begleitete Katharina ein Stück bis hinaus in den Garten. "Kein großer Abschied, wir sehen uns bald wieder!" sprach der junge König und schloss die Prinzessin in seine Arme. Für den kurzen Moment kuschelte sich Katharina an seine Brust und schloss die Augen. "Und jetzt lauf, bevor dich jemand sieht!" meinte er und sah sie noch in der Dunkelheit verschwinden. Er schmunzelte, sie war für ihn wirklich wie eine kleine Schwester. Nicht wie Serephina, komplett anders, aber wie eine zweite kleine Schwester. Katharina ritt zufrieden wieder durch die Nacht zurück, während ihr Vater eine folgenschwere Entscheidung traf. Kieran blieb der Atem bei seinen Worten im Halse stecken und sein Herz setzte vier ganze Schläge aus.

Des Königs verhasste KinderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt