Ich war gerade fertig mit meinem Styling und wollte den Ofen anschmeißen, als es an der Tür klingelte. Erschrocken sah ich auf die Uhr, doch ich hatte noch eine Viertelstunde Zeit, bis Aiden kommen sollte. Normalerweise kam er auf die Minute genau pünktlich, da er nicht unhöflich sein wollte, aber vielleicht war er ja heute einfach früh dran. Oder es war einfach nur ein Paketbote.
Damit er nicht wieder verschwand, eilte ich schnell zur Tür und öffnete sie. Vor mir stand allerdings weder Aiden noch ein Paketbote und auch nicht Dad oder Tori oder irgendjemand, den ich erwartet hätte.
„Kyle?!" Ich blinzelte ein paarmal ungläubig, doch er verschwand nicht. Vor mir stand mein Exfreund. „Hi Mary", sagte er und kratzte sich verlegen am Nacken. „Wie geht es dir?" „Was machst du hier?", stellte ich die Gegenfrage. „Darf ich vielleicht, also kann ich?" Er deutete in die Wohnung und ich trat zur Seite, um ihn reinzulassen. Ich war viel zu überrascht, um ihn wegzuschicken.
„Hier hat sich kaum etwas verändert. Ich hätte gedacht nach der Trennung designst du jeden Raum neu", stellte er fest, als er ins Wohnzimmer trat. „Was machst du hier, Kyle?", wiederholte ich meine Frage und musterte ihn. Er trug Jeans und T-Shirt und hatte einen leichten Drei-Tage Bart. Eigentlich sah er aus wie immer, zumindest wenn er frei hatte, doch irgendwie wirkte er ganz anders. Ich hatte seit unserer plötzlichen Trennung nichts mehr von ihm gehört, weshalb ich jetzt so überrascht war, ihn plötzlich vor mir zu haben.
„Mit dir reden", erwiderte er schließlich. „Können wir uns kurz setzen?" „Na schön." Ich setzte mich an den Esstisch und bedeutete ihm, dass er sich mir gegenüber hinsetzten konnte. „Ich muss mich bei dir entschuldigen, Mary", sagte er dann. „Ich hätte nicht einfach so abhauen dürfen, ohne vorher mit dir darüber zu reden, wie ich mich fühle. Das war unfair." „Das stimmt", meinte ich.
Ich wollte eigentlich kühl und abweisend sein. Ich wollte, dass es mir nichts mehr bedeutete und dass er keine Macht mehr über mich hatte, doch dass er hier vor mir saß, weckte plötzlich wieder alle Gefühle. Nicht, dass ich ihn noch vermisste, doch der Schmerz der Trennung stieg in mir hoch wie saure Galle.
„Ich war dabei einen Ring zu kaufen, Mary", fing Kyle an. „Ich wollte dich fragen, ob du mich heiraten willst. Aber als ich da in diesem Laden war und den Ring anstarrte, der perfekt für dich war, da hatte ich auf einmal einen Kurzschluss. Ich hab unser gemeinsames Leben vor mir gesehen. Alles war so vorhersehbar und geplant. Mein Job als Ingenieur, die Hochzeit, eine größere Wohnung, Kinder, alt werden. Ich hab Panik bekommen und alles hinterfragt. Ist es das was ich will? Oder ist es nur das, was alle von mir erwarten? Ich hatte das Gefühl, dass mir mein Leben aus den Händen gerissen wurde, und ich brauchte es zurück, verstehst du? Ich musste einfach weg und mir über alles im Klaren werden. Ich hätte wirklich mit dir darüber reden müssen, aber ich war zu feige, zu egoistisch." Feige und egoistisch, das traf es ganz gut. Unfähig etwas zu sagen hörte ich ihm zu.
„Ich bin um die Welt gereist, in den letzten Monaten. Ich war in Europa und in Asien und hab mich ein bisschen ausgetobt. Es war eine sehr schöne Zeit, aber es hat mir auch die Augen geöffnet. So schön es auch ist, jede Woche einen anderen Ort zu sehen, es hat mir einfach gezeigt, wie schön es sein kann jeden Morgen zu Hause aufzuwachen. Mit jemandem, der einem viel bedeutet, weißt du?
Ich weiß jetzt was ich in meinem Leben will. Und es ist dieses verdammte vorgeplante Leben mit Kindern und alt werden und allem Drum und Dran. Ich bin jetzt bereit dafür, Mary.
Ich habe dich vermisst."
Ich starrte Kyle an und ließ sacken was er mir erzählt hatte. Ich schwieg und verarbeitete die ganzen Informationen und dann antwortete ich ihm.
„Willst du mich eigentlich verarschen?", fragte ich ganz ruhig. „Du haust einfach ab, weil du nicht sicher bist, was du in deinem Leben willst? Du hättest mit mir darüber reden können, aber du entscheidest das einfach so von hier auf jetzt? Du hast mein Leben komplett aus den Angeln gerissen, Kyle. Ich war am Boden zerstört!" Ich wurde immer wütender und lauter. „Es hat so viel Kraft gekostet, mich wieder aufzubauen und darüber hinwegzukommen. Und jetzt stehst du plötzlich vor meiner Tür und sagst mir sowas? Du kannst doch allem ernstes nicht erwarten, dass du ein paar Monate Spaß haben und dich austoben kannst und wenn du so weit bist, kommst du wieder her und sagst mir, du willst jetzt dein altes Leben zurück. Die Wohnung hat sich vielleicht nicht verändert, aber ich schon. Ich bin nicht mehr deine Freundin, Kyle, dafür hast du selbst gesorgt. Ich habe nicht hier gesessen und auf dich gewartet, ich habe weitergelebt. Ich bin eine starke, selbstständige Frau, die ihr Leben im Griff hat und glücklich ist.
Du solltest jetzt gehen, ich erwarte Besuch." Zum Ende hin wurde ich wieder ruhiger und sprach die Worte ganz gefasst aus. Ich meinte ernst, was ich gesagt hatte. Ich brauchte Kyle nicht mehr. Sollte er doch nach Australien ziehen und als Tauchlehrer Mädels aufreißen oder von mir aus einfach in die Nachbarstadt und eine Frau fürs Leben finden. Es war mir schlicht und einfach egal und diese Erkenntnis machte mich stark.
„Du schickst mich einfach so weg? Nach allem, was wir zusammen durchgemacht haben?", fragte er erstaunt über meine Reaktion. Er hatte vermutlich erwartet, dass ich ihm weinend in die Arme fallen würde. Das war jedoch die Mary von vor fünf Jahren und nicht die, der er heute gegenübersaß. „Du hast selbst entschieden, einfach so wegzugehen. Du hast diese Wohnung aus eigenen Schritten verlassen und jetzt hast du hier nichts mehr verloren." Ich stand auf und ging in den Flur, um ihm die Tür zu öffnen. „Mary, es tut mir so leid, dass ich dich verletzt habe! Ich weiß, dass ich einen Fehler begangen habe und ich bereue es jetzt. Bitte lass uns in Ruhe darüber reden!", sagte er verzweifelt und versuchte meine Hand zu ergreifen, doch ich zog sie weg. „Dafür ist es jetzt zu spät, Kyle. Ich bitte dich, geh einfach." Er sah so aus, als wollte er noch etwas sagen, doch dann entschied er sich dagegen und ging raus.
Sobald ich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, lehnte ich mich dagegen und rutschte auf den Boden. Vor Kyle war ich stark geblieben, doch jetzt stiegen mir die Tränen in die Augen. Was bildete er sich eigentlich ein, einfach so hier aufzutauchen und alles wieder aufzuwühlen? Ich war sauer auf Kyle und sauer auf mich selbst, weil es mich nicht kalt ließ. Ich hatte keine Gefühle mehr für Kyle, das war es definitiv nicht. Es war einfach dieses beschissene Gefühl verlassen zu werden. Wenn man plötzlich nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Wenn man anfängt, an sich zu zweifeln. Das war so verdammt beschissen. Was erlaubt der sich eigentlich, mir so etwas anzutun und danach hier aufzutauchen und zu erwarten, dass ich ihm von hier auf jetzt verzeihe und ihn zurücknehme? Egoistisches Arschloch.
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Da ist er tatsächlich wieder aufgetaucht der Gute... Tja, wer hätte es gedacht? @nasma__al auf jeden Fall schon.Danke für jeden eurer Kommentare! Ich freue mich immer, mich mit euch auszutauschen.🤍
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Love Affairs
Teen Fiction[Achtung SPOILER zu Office Affairs!] Love Affairs die Geschichte von Mary und Aiden Dies ist die Fortsetzung zu Office Affairs, ihr könnt das Buch aber auch einzeln lesen. "Bei den beiden ging alles etwas schneller als bei mir und Nate. Sie waren e...