Genau in dem Moment, in dem ich versuchte, meine Haustür aufzuschließen, klingelte mein Handy. Ich stöhnte, da das Schloss mal wieder klemmte und das Timing des Anrufers ziemlich unpassend war. Mit der freien Hand zog ich das Handy aus meiner Tasche und sah auf das Display, das mir eine unbekannte Nummer anzeigte. Da es wichtig sein könnte, ging ich ran, obwohl ich es hasste, mit Fremden zu telefonieren. „Mary Houston?", meldete ich mich und klemmte mir das Handy zwischen Schulter und Ohr. Ich brauchte beide Hände, um die Tür ran zu ziehen und gleichzeitig den Schlüssel zu drehen. „Hallo Mary Houston", erklang eine tiefe, angenehme Stimme und ich hätte fast das Handy fallen gelassen. „Hier ist der Tollpatsch, der Sie vorhin umgerannt hat." Endlich gab das Schloss nach und die Tür schwang auf. Da ich nicht antwortete, redete er schnell weiter. „Ich wollte fragen, wann ich Ihnen Morgen den Kaffee ausgeben darf." „Hallo", erwiderte ich schnell und meine Stimme klang etwas zu hoch.
Ich ließ meine Tasche einfach im Flur fallen und lief direkt weiter ins Wohnzimmer, wo ich mich auf die Couch schmiss und ein Kissen an meinen Bauch presste, wie ein aufgeregter Teenager. Oh Mann, ich musste mich echt zusammenreißen.
„Wann haben Sie denn Mittagspause?", fragte ich nach kurzem Überlegen. „Wann immer ich will. Und Sie? Ich könnte Sie abholen, wenn Sie möchten." „Nein nein, schon okay. Ich habe morgen nur einen Termin in der Früh. Ich komme danach einfach wieder zu Welstone Industries. So gegen 12:00 könnte ich da sein." „Perfekt! Ich freue mich darauf, Sie wiederzusehen." Ich stellte mir sein schiefes Grinsen von vorhin vor und wurde wieder etwas rot. „Ich freue mich auf den Kaffee", erwiderte ich scherzhaft, um meine Unsicherheit zu spielen. Er lachte rau und mir wurde ganz heiß. „Dann bis morgen, Mary Houston", sagte er. „Bis morgen", gab ich zurück und legte schnell auf.
Erst nachdem ich ein paarmal tief durchgeatmet hatte, fiel mir auf, dass ich ihn wieder nicht nach seinem Namen gefragt hatte. Was war nur los mit mir? So hatte ich mich nicht mehr aufgeführt, seit ich 17 war. Das war einfach nur ein fremder Mann, der mich aus Höflichkeit auf einen Kaffee einlud, da er mich umgerannt hatte. Ein verdammt gutaussehender und charmanter fremder Mann...
Am nächsten Tag war ich ein einziges nervöses Wrack. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, mich mit einem wildfremden Kerl zu verabreden? Kurz hatte ich mit dem Gedanken gespielt, einfach nicht zu erscheinen, doch mein inneres Teufelchen wollte nicht zulassen, dass ich mir diesen heißen Kerl entgehen ließ. Es ging ja nur darum, einen Kaffee an einem öffentlichen Ort voller Menschen zu trinken. Mir würde schon nichts passieren.
Ich strich meine Bluse glatt und betrat erneut das Gebäude von Victorias Firma. Ich hatte kaum eine Chance, mich nach ihm umzusehen, da sprang er auch schon von einem der Sessel neben dem Eingang auf und kam zu mir.
„Hallo, schön, dass Sie gekommen sind!" „Hi", erwiderte ich und lächelte nervös. Er sah sogar noch besser aus, als ich es in Erinnerung hatte, verdammt. „Wollen wir?" Er knüpfte sich sein Jackett zu und sah mich dann abwartend an. Einen kleinen Moment zu lange starrte ich seinen gut gebauten Körper in dem perfekt sitzenden dunkelblauen Anzug an, dann sah ich wieder in sein Gesicht und nickte. Er lächelte und öffnete dann die Tür für mich. Ich trat hindurch und strich mir noch mal schnell durch die Haare, um ihnen ein wenig Volumen zu beschaffen. Er trat neben mich und ich fragte nach unserem Ziel. „Folgen Sie mir einfach", erwiderte er jedoch nur mit einem geheimnisvollen Lächeln.
Wir bogen links von der Hauptstraße ab und dann noch einmal rechts. Der vernünftige Teil in mir achtete ganz genau auf den Weg, während der unvernünftige Teil diesen unfassbar heißen Kerl anhimmelte.
„Ich hoffe Sie haben nicht vor, mich in eine kleine Seitengasse zu führen, wo sie mich ungestört vergewaltigen und dann langsam und qualvoll umbringen können!", sagte ich halb spaßend halb ernst gemeint, sobald wir den Lärm der Hauptstraße hinter uns ließen. Er blieb stehen und sah mich ernst an. „Keine Angst, es wird schnell und schmerzlos sein." Entsetzt blickte ich zu ihm auf, doch er lachte nur und zwinkerte mir zu. „Nein im Ernst, ich tue Ihnen nichts, versprochen. Da vorne ist schon unser Ziel, sehen Sie?" Er deutete auf ein Café etwa hundert Meter von uns entfernt. Ein paar Stühle und kleine Tische standen auf dem Gehweg und eine rote Markise spendete Schatten. Durch die Pflanzenkübel, die ringsherum standen und den Laden vom Gehweg abtrennten, hatte man die Illusion von etwas Privatsphäre. Ich lächelte. Nett! Das war viel besser, als ein Laden an der Hauptstraße an dem sich viele Menschen hektisch ihren Kaffee to go bestellten und dann weiter eilten. Der Mann hatte Geschmack.
Wir betraten den Laden und er sah mich fragend an. „Wollen Sie lieber drinnen oder draußen sitzen?" Ich spähte kurz durch die Tür. Drinnen sah es gemütlich aus, doch das Wetter war heute wirklich schön. „Ich denke draußen", erwiderte ich daher. Er nickte und wir setzten uns an einen Tisch für zwei Personen in der Ecke der Terrasse.
Sofort kam eine Bedienung und begrüßte uns. „Wissen Sie schon, was sie wollen oder kann ich Ihnen die Karte bringen?" Wieder sah er mich fragend an. „Ich denke ich nehme einen Latte Macchiato", sagte ich, ohne lange zu überlegen. Sie machte sich nicht die Mühe, meine Bestellung aufzuschreiben, so schwer war es ja nicht, und wandte sich an meine Begleitung. „Und Sie, Sir, schwarz wie immer?" Er nickte. „Vielen Dank!"
„Sind Sie öfters hier?", fragte ich neugierig, sobald das junge Mädchen verschwunden war. „So oft ich kann", meinte er lächelnd. „Früher war ich immer bei Starbucks oder so, aber inzwischen weiß ich solche Läden hier viel mehr zu schätzen." Er deutete mit einer weiten Geste um sich. Ich nickte und lächelte. „Es ist wirklich schön hier und so entspannt."
Es dauerte nicht lange, bis unsere Getränke vor uns standen und ich konnte nicht mehr an mich halten. „Jetzt sind wir hier quasi auf einem Date und ich weiß nicht mal Ihren Namen. Das ist ziemlich unfair, da Sie bereits alle meine Daten haben, finden Sie nicht?", meinte ich und deutete meine Visitenkarte an, die ich ihm gestern ohne zu überlegen gegeben hatte. Darauf standen mein Name, meine Nummer und der Name meiner Firma. Gut, ich vermutete zu wissen, dass er bei Welstone arbeitete, wie Tori, doch sicher war nicht mal das.
Er stellte seine Kaffeetasse ab und lächelte entschuldigend. „Aiden", meinte er und reichte mir die Hand. Ich schüttelte sie lächelnd. „Freut mich sehr!" So so, Aiden also. „Das ist ja lustig! Der Boss von Welstone Industries heißt auch so. Das weiß ich, da meine beste Freundin für ihn arbeitet", stellte ich überrascht fest, doch auf einmal kam mir ein Gedanke, der mich schockte. Er war doch nicht etwa...?
„Oh mein Gott, sagen Sie mir bitte, dass sie nicht Aiden Welstone sind!" Auch er sah mich überrascht an. „Sie sind die beste Freundin von Victoria?" Ich schlug mir die Hand vor den Mund. „Oh mein Gott, Sie sind Aiden Welstone!" Er nickte und kratzte sich am Nacken. „Tut mir leid, dass ich mich nicht sofort vorgestellt habe, aber ich denke, dass Sie verstehen, dass es keine gute Grundlage für ein unvoreingenommenes Kennenlernen ist, wenn mein Name in fetten Buchstaben auf dem Gebäude prangt, in dem wir uns getroffen haben." Ich nickte und ließ das erst mal sacken.
Während ich einen Schluck von meinem Latte nahm, um mir etwas Zeit zu verschaffen, rasten meine Gedanken umher. Der heiße fremde Kerl war Aiden Welstone. Der Aiden Welstone, der Victorias Boss war. Der Aiden Welstone, mit dem Victoria damals einen One-Night-Stand gehabt hatte und den Sie erst vor ein paar Tagen geküsst hatte, nur um am nächsten Tag mit seinem Bruder in die Kiste zu springen. Gut, dass klang jetzt als wäre sie ein kleines Flittchen, das war sie definitiv nicht. Es war eine verzwackte Geschichte mit vielen Missverständnissen.
Aiden räusperte sich. „Ich hoffe, das finden Sie nicht schlimm." Oh Gott, ich war mit meinen Gedanken ganz abgedriftet. „Nein nein!", meinte ich schnell. „Es ist nur... ein unerwarteter Zufall. Sie müssen wissen, dass beste Freundinnen sich alles erzählen." Bedeutungsvoll sah ich ihn an, um ihm verstehen zu geben, worauf ich hinauswollte. Ich könnte schwören, dass etwas Röte in seine Wangen schoss.
Er trank kurz einen Schluck Kaffee, bevor er mir antwortete. „Na dann hoffe ich mal, dass es nur Gutes über mich zu erzählen gab!" Die Röte war wieder verschwunden und er lächelte mich charmant an. Nun wurde mir etwas warm um die Nase rum. „Sie scheinen ein netter Boss zu sein", sagte ich, um dem unangenehmen Thema wieder auszuweichen. „Na da bin ich ja beruhigt", erwiderte er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, die Tasse lässig in der Hand. Oh Mann, Tori hatte mir ja erzählt, dass die Welstone Brüder heiß aussahen, aber darauf war ich trotzdem nicht vorbereitet gewesen. Zum Glück kam in dem Moment die Bedienung und fragte, ob wir zufrieden wären.
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Love Affairs
Novela Juvenil[Achtung SPOILER zu Office Affairs!] Love Affairs die Geschichte von Mary und Aiden Dies ist die Fortsetzung zu Office Affairs, ihr könnt das Buch aber auch einzeln lesen. "Bei den beiden ging alles etwas schneller als bei mir und Nate. Sie waren e...