Kapitel 17

450 27 5
                                    

Die Türklingel ließ mich schreckhaft zusammenzucken. Um Gottes Willen, über den überraschenden Besuch von Kyle hatte ich fast vergessen, dass ich mit Aiden verabredet war. Jetzt war ich ganz verheult und durcheinander und der Nudelauflauf war auch noch nicht im Ofen. Schnell rappelte ich mich auf und blickte in den Spiegel. Nein, so konnte ich nicht die Tür öffnen. „Gleich!", rief ich und holte mir schnell ein Taschentuch, um wenigstens die Tränen abzuwischen.

Danach sah ich zwar nicht viel besser aus, aber was sollte ich machen? Ich konnte Aiden ja nicht zehn Minuten draußen rumstehen lassen und mich schnell noch mal schminken.

Seufzend öffnete ich die Tür und setzte ein Lächeln auf. „Da bin ich! Tut mir leid", begrüßte ich ihn und trat zur Seite, damit er reinkommen konnte. „Hi Mary! Oh, was ist denn los?" Na toll, natürlich musste er mein verheultes Gesicht sofort bemerken. „Ach nichts!", sagte ich und tat es mit einer Handbewegung ab. „Es ist nur, ich hatte gerade überraschenden Besuch und sagen wir es so: es war nicht so toll. Aber, ich will nicht darüber reden." „Oh Mann, das tut mir leid. Kann ich irgendwas für dich tun? Soll ich wann anders wiederkommen? Wenn es dir gerade nicht passt, können wir das auch einfach verschieben." Kurz überlegte ich, sein Angebot anzunehmen, doch dann entschied ich mich dagegen. Kyle würde mir nicht mein Date vermiesen, so viel stand fest. „Nein, nicht! Gib mir einfach ein paar Minuten, um mich wieder frisch zu machen. Du kannst dich schon mal hinsetzten." Erleichtert lächelte er. „Keine Eile!"

Ich führte Aiden ins Wohnzimmer und deutete ihm an, dass er sich an den Esstisch setzten konnte, den ich zum Glück schon vorher gedeckt hatte. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass er zum ersten Mal richtig in meiner Wohnung war. Er sah sich interessiert um, setzte sich aber gleich hin, ohne irgendetwas näher zu betrachten. Ich brachte ihm ein Glas Wasser und schob den Nudelauflauf endlich in den Ofen, bevor ich ins Bad verschwand, um mich wieder frisch zu machen.

Aidens Gesellschaft tat richtig gut. Er stellte keine unangenehmen Fragen, sondern sah zu, dass das Gespräch locker blieb. Zum Beispiel machte er mir Komplimente für meine Wohnung und meinen Einrichtungsstil. Es erfüllte mich mit Stolz, da ich sie komplett selbst designt hatte. Ich hatte keinesfalls das Gefühl, dass meine kleine Wohnung weniger wert wäre als sein riesen Appartement. Wir redeten auch über meine Arbeit und alles mögliche andere. Außerdem lobte er mehrfach meine Kochkünste. Somit schaffte er es gut, mich abzulenken und wir hatten einen richtig schönen Abend.

Als er am späten Abend gegangen war, hatte ich Kyle schon fast wieder vergessen. Zumindest so lange, bis Tori mich anrief. „Ähm Mary?", rief sie verwirrt ins Telefon. „Tori? Was ist los?" „Kyle ist hier? Und ich glaube er ist betrunken." Oh Gott! „Hör mal!", meinte sie und hielt anscheinend den Hörer in Kyles Richtung. „Ist sie das? Redest du mit ihr? Mach mir auf, Tori!", hörte ich seine Stimme gedämpft. Er lallte tatsächlich schon ganz schön. „Ich hab ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen, als er anfing mir blöd zu kommen, aber er will nicht verschwinden. Warum ist er hier? Hab ich irgendwas verpasst?" „Oh Gott es tut mir leid!" Ich erzählte ihr schnell, was vorhin vorgefallen war und dass Aiden mich danach abgelenkt hatte.

„Ach du scheiße", meinte sie darauf hin nur. „Jap." „Es ist wegen einem Kerl, oder? Sie hat einen anderen!", drang erneut Kyles Stimme durch den Hörer. „Das geht dich überhaupt nichts an!", schrie Tori zurück. „Du hast sie verlassen und sie will nichts mehr von dir wissen, also verschwinde endlich!" Danach wand sie sich wieder an mich. „So hab ich ihn noch nie erlebt. Der dreht echt voll am Rad. War er nicht früher immer der vollkorrekte Spaßverderber?" „Danke auch", erwiderte ich. „Aber du hast recht, er hat sich irgendwie verändert. Kann ich dir helfen? Soll ich vorbeikommen?" „Bloß nicht!", rief sie. „Wer weiß, was er dann anstellt. Ich bin hier hinter meiner Tür sicher, keine Sorge. Wenn er nicht bald verschwindet, rufe ich Nate an oder gleich die Polizei." „Ich glaube es wäre mir lieber, wenn Nate das nicht mitbekommt", sagte ich. „Wie kommt's überhaupt, dass er nicht bei dir ist?" „Ach siehst du, jetzt wo du's sagst! Der ist auf Geschäftsreise, er könnte mir eh nicht helfen. Aber wie gesagt, ich werde nicht zögern, die Polizei zu rufen. Hörst du, Kyle?! Wenn du nicht langsam abhaust, werde ich die Polizei anrufen!", schrie sie dann an ihn gewandt. „Tut mir leid, dass er dich belästigt", meinte ich kleinlaut. „Ach Quatsch, Süße, dafür kannst du ja nichts!"

Ich blieb so lange am Handy, bis Kyle sich tatsächlich zurückzog. Zum Glück tauchte er danach nicht bei mir auf oder zumindest machte er keinen Lärm, sodass ich es nicht mitbekam. Auch am nächsten Tag ließ er nichts mehr von sich hören. Erst  einen Tag darauf fand ich einen Zettel, der unter meiner Tür hindurchgeschoben worden war.

„Tut mir leid wegen allem was passiert ist. Ich werde dich nicht weiter stören. – Kyle"

Ich schnaubte und warf den Zettel in den Müll. Irgendwie half es mir aber, mit der Sache abzuschließen. Jetzt machte ich mir keine Sorgen mehr, dass er plötzlich betrunken vor meiner Tür auftauchen würde.

Dad hatte mir sogar bereits angeboten, mir ein neues Sicherheitsschloss einzubauen, als ich ihm davon erzählt hatte, doch darauf konnten wir wohl verzichten. Eigentlich traute ich Kyle nicht zu, gewalttätig zu werden.

Tatsächlich ging mein Leben nach dem Zwischenfall weiter wie gehabt. Kyle war schnell wieder vergessen. Stattdessen traf ich mich immer öfter mit Aiden. Irgendwann waren es keine offiziellen Dates mehr, sondern es wurde zur Normalität, dass wir uns regelmäßig trafen, telefonierten und schrieben. Ich konnte mir meinen Alltag kaum noch ohne ihn vorstellen. Wir waren mal bei mir und mal bei ihm, meistens zum Abendessen. Am Wochenende gingen wir auch mal aus und manchmal fuhr ich in der Mittagspause zu ihm. Seit Tori bei Welstone gekündigt hatte, verbrachte er diese nämlich wieder alleine. Sie arbeitete jetzt tatsächlich bei dem Partnerunternehmen von Welstone mit der jungen Chefin, Alesha Sutton, was ihr auch sehr gut gefiel. Ich freute mich für sie.

Love AffairsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt