Ein vertrautes Gefühl

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»Kenny Ackermann.« Für einen kurzen Moment war ich sprachlos. Wann hatte ich diesen Namen wohl zuletzt gehört? War es vor 10 Jahren oder doch vor 15? Ich wurde wütend. Wütend auf die Göre, die vom Regen komplett durchnässt war und mit Tränen geschwollenen Augen vor mir stand. Wütend auf die zwei Räuber von denen nichts mehr übrig war als ihre leblosen Körper am Boden. Wütend auf ihn. Wieso war er damals gegangen? Einfach so. »Hauptgefreiter?« Die Stimme des Mädchens riss mich aus meinen Gedanken. »Haben Sie mir überhaupt zugehört?« »Ich kenne keinen Kenny.« Das Gör legte den Kopf schief und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wollen Sie mich für dumm verkaufen? Der Kerl hat den gleichen Nachnamen!« »Scheint wohl ein verbreiteter Name zu sein«, antwortete ich, drehte mich zu meiner Stute und stieg auf. »Jack meinte, dieser Kenny hat mich beobachtet. Und was soll das heißen, die hatten den Auftrag mich zu holen?«, durchlöcherte sie mich weiterhin mit Fragen. »Sei still und steig endlich auf. Wir müssen vor Tagesanbruch zurück sein bevor jemand bemerkt, dass du weg bist.« Ich beobachtete wie sie ihre Hand zu einer Faust ballte und trotzig ihr Gesicht verzog. »Können Sie sich überhaupt nicht in meine Lage versetzen?«, schnauzte sie mich an. »Ich wurde von zwei Räubern angegriffen und beinahe verschleppt oder getötet worden und dann sagen die mir, dass Sie noch nicht mal verantwortlich für alles sind sondern schieben es irgendeinen Kenny in die Schuhe, der ganz zufälligerweiße den gleichen Nachnamen trägt wie Sie. Und wenn das nicht schon genug wäre, tun Sie so als wäre nichts passiert! Verdammt nochmal Sie haben zwei Menschen umgebracht!« Ich starrte das Gör an, doch sie wich meinen Blick nicht eine Sekunde aus. »Wärst du anständig so wie die anderen Rekruten und würdest nicht mitten in der Nacht einen Ausritt machen wäre das alles auch nicht passiert.« Obwohl in ihren Augen immer noch ein entschlossener Ausdruck lag wusste ich, dass ich sie mit diesen Worten verletzt hatte, doch es war die Wahrheit. »Ich... ich habe keinen Ausritt gemacht!«, stotterte das Gör. »Also willst du mir erzählen dein Pferd sei ausgebüchst und du bist hinterher gerannt?« »Nein!«, sie senkte den Blick und ihre geballte Faust öffnete sich. »Ich... ich weiß, dass sie noch am Leben ist.« Ihre Stimme war leise und ich hätte sie wegen des immer noch prasselnden Regens fast überhört. Es herrschte kurzes Schweigen, dann atmete sie tief ein und aus. »Meine Schwester, Hauptgefreiter. Ich bin losgezogen um meine Schwester zu finden!« Für einen Moment zog sich alles in mir zusammen und ein Gefühl, das ich schon sehr lange nicht mehr gespürt hatte versuchte sich mit Gewalt zutritt zu meiner Seele zu verschaffen. Was war das für ein Gefühl? War es Mitleid? War es Zorn oder einfach nur Neid. Neid auf das was ich vor langer Zeit einmal hatte. Ich sah das Mädchen nicht an. Ich wollte sie nicht ansehen. Ich wusste auch so, dass in ihrem Gesicht die blanke Verzweiflung stand. »Du bist zu naiv«, sagte ich. »Du hast doch selbst gesehen, dass die Titanen deine Schwester gefressen haben. Sie ist tot.« Noch während ich diese Worte ausgesprochen hatte, starrte ich sie durchdringend an. Was wirst du jetzt tun, Gör? Sie wischte sich ihre triefende Nase am Handgelenk ab, dabei wich sie meinem Blick nicht aus. »Sie wollen mich aus irgendeinem Grund mit allen Mitteln davon abhalten diesen Kenny Ackermann zu finden, stimmt's oder hab ich recht?« Ich muss zugeben, dass ich mit dieser Frage nicht gerechnet hatte. Verflixt was steckt nur hinter diesem ungezogenen Mädchen? »Kenny Ackermann hat nichts mit der Tatsache zu tun das deine Schwester...«, begann ich doch ich verstummte als sie mit einem Finger auf mich zeigte und mir ins Wort fiel. »Aha! Also kennen Sie diesen Mann doch, ich wusste es! Und außerdem«, redete sie einfach weiter. »Woher wollen Sie wissen, dass er mit der ganzen Sache nichts zu tun hat. Sie tun zwar immer so als wüssten Sie alles, aber insgeheim haben Sie genau so wenig Ahnung wie ich!« Was erlaubt sich dieses Gör eigentlich?, dachte ich, doch bevor ich irgendetwas sagen konnte war sie bereits auf ihr Pferd gestiegen. »Ich werde diesen Kenny finden, ob Sie mir helfen oder nicht.« Sie zog sich die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf und sah mich für einen kurzen Moment an. »Ich weiß nicht in welcher Beziehung Sie zu ihm stehen und was zwischen ihnen vorgefallen ist, aber wenn er wichtige Informationen über meine Schwester weiß, dann muss ich ihn finden, koste es was es wolle.« Ich knirschte mit den Zähnen und ich ballte meine Hand zur Faust, dann senkte ich wütend den Kopf. »Na, schön«, zischte ich und ich konnte sehen, dass die Rekrutin sichtlich überrascht über meine Antwort war. Ich stieg ebenfalls auf und ritt im Schritttempo an ihr vorbei. »Folge mir. Sollte der Bastard sich noch am selben Ort aufhalten wie vor 10 Jahren, dann sind es gut 2 Tage bis wir dort sind.« Ich blieb nochmal kurz stehen und drehte mich zu ihr um. »Was ich dir allerdings nicht versprechen kann ist, dass ich ihn nicht vor deinen Augen in Stücke zerteilen werde, wenn ich sein dreckiges Gesicht sehe.« Ich hob eine Augenbraue, als ich sah, dass sie schmunzelte. »Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Hilfe, Hauptgefreiter.«

the right decision || levi x readerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt