so wie zwei Vögel

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Für einen Moment starrte ich noch an die Decke, dann seufzte ich und schob meine Bettdecke zurück. Ich konnte den Anblick der verletzten Soldaten, die an ihren Wunden litten nicht länger ertragen und ich hievte mich mühsam aus meinem Krankenbett. Da ich nun stand und nicht mehr lag, konnte ich den gesamten Krankenflügel überblicken und war geschockt als ich erst realisierte wie viele bei dieser Mission verletzt worden waren. Nachdem der Aufklärungstrupp die Titanen, die uns bis zur Mauer gefolgt waren endlich abschütteln konnte waren die Menschen, die uns zuerst jubelnd empfangen hatten schlagartig verstummt und als sie die vielen Verletzten und einige Tote entdeckten, hatten sie den Aufklärungstrupp nichts weiter als »Versager« und »die wollen nur an unsere Steuergelder!« bezeichnet. Ich suchte mit meinen Augen den Krankenflügel nach meinen Freunden ab, konnte aber niemanden von ihnen entdecken. Erleichtert atmete ich aus . Dann geht es ihnen bestimmt gut und sie sind gerade auf ihren Zimmern, dachte ich und verließ darauf hin die Krankenstation. Mir tat zwar bei jedem Schritt alles weh, aber das war mir im Moment gerade egal. »Verdammte Scheiße! Warum muss hier auch alles gleich aussehen?!«, fluchte ich leise als ich bestimmt das fünfte mal falsch abgebogen war und ich immer noch nicht die Zimmer meiner Freunde gefunden hatte. Seufzend bog ich erneut um die Ecke und wäre fast in den Jungen gerannt, der zu dem gleichen Zeitpunkt abgebogen war. »Entschuldige«, murmelte ich genervt, blieb aber dann verblüfft stehen, als ich sein Gesicht sah. Es war von der Stirn bis zum Kinn mit Pflastern bedeckt und seine Nase war eingegipst worden. Moment mal, oh nein ist das etwa? »Jean...«, sagte ich leise. Seine Augen weiteten sich und er schien genau so verblüfft zu sein mich hier zu sehen wie ich ihn. »Tut... tut mir echt leid? War ich das etwa?!« Ich deutete auf seine verpflasterte Nase. »Wie dumm von mir natürlich war das ich! Warum frag ich überhaupt?«, sagte ich ohne ihm Zeit für eine Antwort zu lassen. »Nein! Sag jetzt nichts! Es tut mir echt unendlich leid weißt du... es war keine Absicht und echt kindisch von mir, dass ich unbedingt diesen blöden Wettkampf gewinnen wollte, außerdem...« »(V/N)«, unterbrach Jean mich. »Ist schon gut.« Verblüfft sah ich an. »Wirklich? Ich meine... wow danke«, stotterte ich und lächelte verlegen. »Ja, vergessen wir die Sache einfach am besten«, antwortete er und ich nickte erleichtert. »Danke, Jean du weißt gar nicht wie viel mir das bedeutet!«, antwortete ich erfreut. Ein Glück, er scheint mir wirklich nicht böse zu sein, dachte ich erleichtert. »Na dann, man sieht sich!« Ich lächelte ihm noch einmal zu und setzte meinen Weg dann fort. Gerade als ich an Jean vorbeigehen wollte, packte mich dieser plötzlich von hinten am Kragen. Erschrocken keuchte ich auf und mir blieb schlagartig die Luft weg. »Bist du wirklich so naiv und glaubst, ich verzeihe dir einfach, dass du mir die Nase gebrochen und mich vor allen anderen blamiert hast?!«, zischte er mir bedrohlich ins Ohr. »Du kommst hier einfach so hereinspaziert, schleimst dich ein bisschen bei dem Kommandanten ein und glaubst du bist hier willkommen?« Sein Griff verstärkte sich nur noch mehr und ich versuchte verzweifelt seine Finger aus der Umklammerung zu lösen, leider ohne Erfolg. »Du hast es nicht verdient beim Aufklärungstrupp zu sein, nicht so wie wir anderen. Am besten du läufst jetzt sofort zu Mami und Papi und erzählst ihnen vom kleinen dummen Aufklärungstrupp, der nur Steuergelder will und das dort nur Idioten und Versager sind. Das machst du doch jetzt oder?!« Jean schüttelte mich und mir wurde kurz schwarz vor Augen. »Antworte!« »Jean, bitte...«, krächzte ich und strampelte in der Luft hilflos mit meinen Beinen in der Hoffnung ihn irgendwo zu treffen. Ich schaffe es nicht!, dachte ich verzweifelt. Ich wollte um Hilfe schreien, doch ich brachte nichts als einen erstickten Laut aus meiner Kehle herraus. Ist hier denn niemand, niemand der mir hilft?! Erneut trat ich in der Luft nach hinten aus, diesmal mit Erfolg. Volltreffer! Ich hatte Jean geradewegs zwischen den Beinen getroffen. Er keuchte auf und krümmte sich vor Schmerz. Diesen Moment nutzte ich und ich schaffte es, mich aus seiner Umklammerung zu befreien. Ich landete hart auf dem Boden und schnappte hörbar nach Luft. Ich verlor keine Zeit, rappelte mich auf und rannte so schnell ich konnte davon. »Kleine dreckige Polizistin!«, hörte ich Jean noch rufen, dann war das einzige was ich noch wahrnahm meine eigenen Schritte, dessen Schall laut von den Wänden widerhallte. Auch wenn ich wusste, dass mich Jean nicht weiter verfolgte rannte ich weiter. Ich spürte, wie mir die Tränen an meinen warmen Wangen herunter rollten und ich lief weiter. Ich wusste gleich, dass ich mein Zimmer nicht finden würde wenn ich danach suchen würde, deshalb rannte ich einfach aus dem Gebäude, raus an die frische Luft. Ich blieb stehen. Tränenüberströmt blickte ich den wunderschönen blauen Himmel. Mein Atem ging schwer und rasselnd und ich versuchte meinen Puls zu beruhigen. Wie friedlich es hier aussieht, dachte ich. Für jemanden, der diese Welt nicht kennt und nur diesen Ort hier sieht, muss es bestimmt so aussehen, als wäre sie frei von Gefahr und Hass. Ich schmunzelte bei dem Gedanken. Diese Person würde sich wundern wie falsch sie damit liegen würde. Langsam setzte ich mich wieder in Bewegung und ließ mich schließlich an einem kleinen Bach nieder. Ich hatte aufgehört zu weinen und wischte mir die Tränen mit meinem Handrücken vom Gesicht. Ob Armin, Mikasa und Eren auch so über mich denken?, fragte ich mich. Bin ich für sie etwa gar keine Freundin? Spielen sie mir das alles nur vor? Erneut musste ich gegen die aufkommenden Tränen ankämpfen und ich presste fest meine Lippen zusammen um nicht laut aufzuschluchzen. »Hör auf zu heulen wie ein kleines Kind«, murmelte ich und beobachtete daraufhin zwei Vögel, die im Wasser badeten um mich abzulenken. Bei diesem Anblick musste ich leicht schmunzeln »Was ist so lustig?« Erschrocken wirbelte ich herum. Hinter mir stand der Hauptgefreite und musterte mich herablassend. Na, toll der hat mir jetzt gerade noch gefehlt, dachte ich. »Verfolgen Sie mich oder was machen Sie hier?«, stellte ich eine Gegenfrage. Darauf antwortete er nichts und ich stutzte, als er sich neben mir niederließ. Ich seufzte und gab schließlich nach. »Sehen Sie die Vögel dort?«, ich nickte mit dem Kopf in die Richtung. »Wie friedlich sie dort baden ohne sich irgendwelche Sorgen zu machen. Ich meine, es könnte auch jeden Moment ein Fuchs oder ein Raubvogel vorbeikommen, aber stattdessen sitzen sie hier ohne Angst davor zu haben gefressen zu werden.« Der Hauptgefreite betrachtete mich einen Moment ausdruckslos dann wandte er seinen Blick wieder den Vögeln zu. »Verstehe«, kam die knappe Antwort. »Nun, jetzt sind Sie an der Reihe meine Frage zu beantworten«, erwiderte ich vorwurfsvoll. Levi seufzte genervt. »Woher sollte ich wissen, dass sich bereits eine nervige Rekrutin auf meinem Lieblingsplatz breit gemacht hat?«, fragte er rhetorisch und ich verdrehte die Augen. Was verschwende ich auch meine Zeit mit diesem arroganten Arschloch, heute ist echt nicht mein Tag, dachte ich. »Dann müssen Sie mich wohl jetzt ertragen, oder sie gehen jetzt wieder, ich war schließlich zuerst hier.« Ich sah aus dem Augenwinkel wie Levi sich anspannte, dann seufzte er. »Tch.« War die einzige Antwort, die von ihm kam, dann saßen wir beide eine Zeit lang schweigend da und beobachteten weiter die Vögel im Bach. Als ich die Stille zwischen uns nicht länger aushielt wagte ich es schließlich die Frage zu stellen, die ich schon die ganze Zeit stellen wollte. »Hauptgefreiter...«, setzte ich an. Levi sah mich ausdruckslos an. »Was ist?« »Wieso haben Sie mir das Leben gerettet? Ich meine vor diesem Titan im Wald?« Ich konnte in seinen Augen erkennen, dass er mit dieser Frage nicht gerechnet hatte und er wandte den Blick ab. »Geh schlafen, es ist spät. Du sollst außerdem auf der Krankenstation sein nicht hier«, sagte er genervt und ich verschränkte wütend die Arme. »Ich gehe nicht bevor, Sie mir geantwortet haben.« »Na schön du sture Göre, dann gehe ich jetzt«, sagte Levi stand daraufhin auf und klopfte sich den Staub von seiner Hose. Verärgert sprang ich auf. »Das können Sie doch nicht machen! Beantworten Sie gefälligst meine Frage, dass sind Sie mir schuldig!« Levi erwiderte nichts, aber er ging auch nicht einfach, so wie er es gesagt hatte. Er blieb regungslos stehen und starrte mich an. »Was starren Sie mich denn so blöd an?!«, fragte ich wütend und ich zuckte erschrocken zusammen, als er plötzlich einen Schritt auf mich zu machte. »Wer war das?« Ich zog auf diese Frage meine Augenbrauen zusammen und sah ihn verständnislos an. »Was genau meinen...« Ich brach ab, als ich seinen Blick bemerkte, der auf meinem Hals ruhte. Ich berührte ganz automatisch die Stelle, an der mir der Kragen meiner Uniform in den Hals geschnitten hatte und spürte die Würgemale deutlich auf meinen Fingerspitzen. Schnell ließ ich meine Hand sinken und wandte den Blick von Levi ab. »Es... Nicht so wichtig...« Schnell fing ich mich wieder und starrte ihm provokant in die Augen. »Also was ist? Ich warte auf eine Antwort!« »Das du es einfach nicht lassen kannst«, murmelte der Hauptgefreite und ich biss mir auf die Unterlippe. Scheiße, warum hat er das jetzt auch gesehen? Aber warum genau interessiert er sich überhaupt so dafür? »Nun...«, Levi räusperte sich. »Du solltest es versorgen lassen.« Mit diesen Worten drehte er sich um und wandte sich zum gehen. Als er bemerkte, dass ich ihm nicht folgte blieb er nochmal stehen. »Das ich dir immer alles erst zweimal sagen muss.« Er seufzte. »In anderen Worten: Ich bringe dich jetzt zurück zum Krankenflügel.«

the right decision || levi x readerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt