fremd

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Levi öffnete die Tür zum Krankenflügel und ich folgte ihm wiederwillig. Ich versuchte mich unauffällig hinter dem Hauptgefreiten zu verstecken, als ich bemerkte, dass uns jeder im Saal anstarrte. Wäre der Zwerg nur ein paar Zentimeter größer und breiter, würde er mich perfekt verdecken, dachte ich und ich trat seufzend neben ihn. »Bringen Sie sie bitte zurück zu ihrem Krankenbett«, wandte Levi sich an eine der Krankenschwestern, doch diese schüttelte nur mit dem Kopf. »Tut mir leid. Zurzeit sind leider alle Betten besetzt.« »Das kann nicht sein«, erwiderte der Hauptgefreite kühl. »Vor ein paar Stunden lag diese Rekrutin hier«, er nickte mir kurz zu. »Noch in irgendeinem ihrer schmutzigen Betten. Stimmt doch, oder?« Ich nickte schnell und Levi seufzte entrüstet. »Womit habe ich das verdient?«, murmelte er leise. »Ähm...also ich könnte Ihnen ja das Bett zeigen, das erst vor kurzem belegt worden ist, wenn es Ihnen weiterhilft«, meldete sich die Schwester wieder zu Wort. Ich hob abweisend die Hände. »Nein... das ist nicht nötig, wirklich ich komme auch gut alleine...« »Weiterhelfen wird es mir wahrscheinlich nicht, aber was soll es mir auch viel bringen irgendwelche Kinder in ihr Krankenbettchen zuschicken«, unterbrach mich Levi und die Krankenschwester nickte. »Folgen Sie mir.« Zögernd tat ich wie mir geheißen. Ich musste zugeben, dass mir das ganze ziemlich unangenehm war. Wir schlängelten uns durch die kreuz und quer stehenden Krankenbetten und ich versuchte stur geradeaus zu blicken, um die vielen Verletzten nicht ansehen zu müssen. Als der Hauptgefreite, der vor mir lief stehen blieb, machte ich einen Schritt nach vorne und trat neben ihm um etwas sehen zu können. Mir blieb vor Schreck die Luft weg, als ich sah, wer da in meinem Bett tief und fest schlummerte wie ein kleines Kind lag. »Was macht denn Kirschstein hier?«, fragte Levi. »Wurde der nicht erst vor kurzem entlassen?« Die Krankenschwester zuckte mit den Schultern. »Er hat sich beschwert, dass ihm seine Wunden erneut weh tun und da wir eh noch ein Bett frei hatten, dachten wir es wäre besser ihn nochmal zu untersuchen.« Ich ballte vor Wut die Fäuste. Das kann doch nicht wahr sein! Das hatte dieses Pferd mit Absicht gemacht!, dachte ich. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Levi mich die ganze Zeit über angestarrt hatte und ich legte schnell ein nervöses Lächeln auf. »Äh... naja da kann man nichts machen. Wir können ihn jetzt wohl schlecht aus dem Bett werfen, alsooo ich bin dann mal auf meinem Zimm...« Ich brach ab, als ich bemerkte wie die Blicke des Hauptgefreiten zwischen Jean und mir hin und her wanderten. Schließlich hörte er damit auf und wandte sich wieder an die Krankenschwester. »Sie werden dieser Rekrutin jeden Morgen und Abend in ihrem Zimmer einen Besuch abstatten und ihre Wunden ordnungsgemäß versorgen. Und sollte ich bemerken, dass Sie nicht auftauchen sorge ich dafür, dass ihre Zeiten als Krankenschwester vorbei sind. Haben Sie mich verstanden?« Die Frau nickte eingeschüchtert. »J...a, Sir«, antwortete sie und kaum hatte ich mit der Wimper gezuckt, da war sie auch schon verschwunden. »Hauptgefreiter... wirklich, mir geht es gut«, sagte ich schnell und zuckte zurück, als dieser mich eisern am Handgelenk packte. »Sei still und folge mir, oder willst du mir sagen, dass du plötzlich das Wort 'Orientierunssinn' kennst?«, fragte er. »Ich hätte es auch irgendwann selber gefunden, dass hab ich schließlich schon mal!«, antwortete ich wütend doch Levi reagierte nicht darauf und zog mich weiter durch die dunklen Gänge. Als wir schließlich vor meiner Zimmertür standen, ließ er mich los. »Helena wird deine Wunden morgen früh versorgen, also solltest du früher aufstehen um rechtzeitig zum Training zu kommmen«, sagte er kühl und ich nickte. »Danke«, murmelte ich leise. »Geh schlafen«, kam die kalte Antwort. »Und sollte ich dich noch einmal mit dir meine Zeit verschwenden müssen, weil du wieder irgendwas Dummes anstellst, dann setzte ich unseren Deal doch noch in die Tat um.« Verdutzt sah ich zu ihm auf, dann lächelte ich. »Das will ich sehen!«, antwortete ich und Levi verdrehte genervt die Augen. »Tch.« Ich öffnete grinsend die Tür und rief noch schnell ein »Gute Nacht«, über die Schulter, wohl wissend, dass ich darauf keine Antwort bekommen würde, dann schloss ich hinter mir die Tür. Die Stille, die mich daraufhin umgab war erschreckend bedrückend und ich ließ mich erschöpft auf mein Bett fallen. Ich starrte an die Decke, bis meine Hand unterbewusst meinen Hals berührte. Vor Schmerz zuckte ich zusammen und ich schluckte schwer, als ich bemerkte wie sich plötzlich Tränen in meinen Augen sammelten. Ich musste unwillkürlich wieder daran denken, wie mich Jean gepackt hatte. Was hätte er gemacht, wenn ich mich nicht befreite hätte? Hätte er mich einfach eiskalt umgebracht?, fragte ich mich und bei dem Gedanken daran schluckte ich schwer. Aber was wenn er recht hat...Vielleicht gehöre ich wirklich nicht hier her. Was wenn ich dem Kommandanten und allen anderen eh nur auf die Nerven gehe und gar nicht nützlich für den Aufklärungstrupp bin? Ich konnte die Tränen schließlich nicht mehr zurückhalten, vergrub meine Hände in meinem Gesicht und fing an zu schluchzten, sodass mein ganzer Körper bebte. Ich wollte hier weg. Weg von dem Ort, an dem ich ohnehin nicht erwünscht war. Ich wollte meine Schwester und meine Eltern fest in meine Arme schließen und am liebsten nicht mehr loslassen, doch ich wusste, das das nicht ging. Mein Atem ging stoßweise und ich versuchte mich zu beruhigen, doch dieser Versuch scheiterte. Da lag ich nun, in einem fremden Bett, an einem fremden Ort so weit entfernt von Zuhause.

the right decision || levi x readerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt