im Auge des Titanen

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Ich starrte fassungslos auf den Gegenstand, den der Kommandant aus der Schatulle genommen hatte und mir nun wie ein goldenes Tablett auf seiner Handfläche präsentierte. Ich hatte davon schon einmal gehört, doch hatte damals nur Gelacht und es für eine Geschichte gehalten, die Eltern ihren Kindern erzählten um ihnen Angst zu machen, damit sie keinen Unfug anstellten. »Wenn du nicht artig bist, spritze ich dir ein Mittel, das dich in einen Titanen verwandelt und das willst du doch nicht, oder?«, hatte meine Großmutter mit mir geschimpft, wenn ich ihre selbstgestrickten Pullover schmutzig gemacht hatte. Aber... das ist unmöglich. Der Kommandant blickte zu mir auf ohne auch nur für eine Sekunde sein schmutziges Grinsen zu verlieren. Er drehte die lange Spritze, die eine bläuliche Flüssigkeit beinhaltete in seiner Hand und murmelte leise. »Oh doch meine liebe (V/N), das ist sehr wohl möglich«, als schien er meine Gedanken erneut gelesen zu haben. Ich blickte verzweifelt zwischen dem Kommandanten und meiner Schwester hin und her. (S/N), die immer noch wie eine Porzellanpuppe an Ort und Stelle stand, wagte es nicht aufzusehen. Was mich allerdings schockierte, war die Tatsache, dass sie nicht überrascht wirkte. Weiß sie etwa schon bescheid? Ist das der Grund warum mich die Militärpolizei gefangen genommen hat? »Ich dachte schon, wir hätten dich an dem Tag verloren, an dem du uns mitteiltest du wollest dem Aufklärungstrupp beitreten«, begann der Kommandant plötzlich zu erzählen, nachdem eine kurze Zeit Schweigen eingetreten war. »All unsere Bemühungen, dich vielleicht doch noch dazu zu bringen zur Militärpolizei zu kommen schlugen fehl, weil du dumme Göre einfach zu sturköpfig bist.« Er blickte mich an immer noch sein dummes Grinsen aufgesetzt. »Selbst, als ich einem meiner Soldaten den Befehl gab, sich als Rekrut des Aufklärungstrupps auszugeben und das 3D Manöver zu manipulieren, damit du auch sicher durch die Prüfung fällst, hielt dich nicht davon ab im Aufklärungstrupp zu bleiben.« Ich ballte wütend meine Fäuste. »Sie waren das also!«, rief ich empört und der Kommandant nickte. »Ich hätte mir eigentlich gleich denken können, dass das so nicht funktioniert. Wenn es nach diesem Hauptgefreiten gegangen wäre, hätte er dich schon längst zurück geschickt, doch natürlich war es Erwin, der alles durchschaut hatte.« Jetzt war der Kommandant derjenige, der wütend zu sein schien. »Naja, was solls jedenfalls bist du jetzt hier und diesmal war kein Erwin dabei, der den Helden spielen konnte.« Ich konnte es immer noch nicht glauben. »Das alles war also geplant gewesen?«, sagte ich leiser als ich beabsichtigt hatte. »(S/N), hast du etwa davon gewusst?« Sie sah mich nicht an, sondern blickte weiterhin schweigend zu Boden. Das glaube ich einfach nicht! Hatte meine eigene Schwester mich Hintergangen? »Antworte gefälligst! Was ist nur mit dir los?«, rief ich wütend. »So ist es gut, (S/N)«, sagte der Kommandant. »Lass uns das hier schnell zu Ende bringen, ja?« Verwirrt starrte ich meine Schwester an. »Was zu Ende bringen? Was meint er damit! Rede mit mir!« Ich rüttelte verzweifelt an meinen Fesseln, als ich sah, wie der Kommandant (S/N) vorsichtig die Spritze überreichte. »Nein! (S/N), hör sofort auf was tust du da?!«, schrie ich verzweifelt mit Tränen in den Augen und sie zuckte von dem laut hallendem Echo zusammen. Mit zitterenden Händen betrachtete sie die Spritze. Sie will sich doch jetzt nicht etwa dieses Mittel spritzen oder? Aber das würde heißen, dass... »Tu das nicht (S/N)! Hör nicht auf ihn!«, schrie ich mit vor Entsetzten weit geöffneten Augen. Plötzlich sah sie auf und blickte mir das erste mal nach langer Zeit richtig in die Augen. »Tut mir leid, (V/N)«, sagte sie leise und ebenfalls mit Tränen in den Augen. »Es ist unsere Bestimmung dies hier zu tun.« Mit diesen Worten stach sie sich die lange Nadel in ihren Unterarm und ich betrachtete wie die blaue Flüssigkeit in ihren Körper floss. »Nein!«, schrie ich und rüttelte nochmals verzweifelt an meinen Fesseln. Ich wurde von einem gleisend hellen Licht geblendet, das wie ein Blitz in den Erdboden einschlug, genau da wo (S/N) gerade noch gestanden hatte. Für einen kurzen Augenblick musste ich die Augen zusammenkneifen, da ich nichts sehen konnte, doch mir blieb vor dem mir gebotenen Anblick vor Schreck die Luft weg. »Es ist also wahr«, murmelte ich leise und starrte auf den riesigen Titan, der sich vor mir aufgerichtet hatte. Seine große Gestalt nahm fast den gesamten Raum der Höhle ein, sodass sein Kopf bereits gegen die spitzen Eiszapfen an der Decke stieß. Ich sah den immer noch grinsenden Kommandanten ins Gesicht, doch der hatte bloß Augen für den Titan. Der Titan... Nein, das ist immer noch meine Schwester!, dachte ich erneut mit Tränen in den Augen. »(S/N)!«, rief ich. »Ich weiß, dass du es bist, auch wenn du eine andere Gestalt hast als jetzt!« Der Titan, der mich zuerst noch gar nicht bemerkt haben zu schien, sah auf mich herab und mir lief es eiskalt den Rücken hinunter, als (S/N) mich aus den furchteinflößenden Augen des Titanen betrachtete. »Ich weiß, dass du das eigentlich nicht willst!«, schrie ich verzweifelt. »Du bist nicht dieser Titan, du...«, doch weiter kam ich nicht, da packte mich (S/N) mit ihrer Faust und riss mit einem Ruck die Eisenketten aus ihren Ankern, sodass ich jetzt frei von den Fesseln war. Doch statt mich los zu lassen hielt sie mich weiter in ihrer Hand fest und hob mich hoch, sodass ich jetzt etwa auf Augenhöhe mit ihr war. Ich schluckte schwer wagte es aber nicht den Blick zu senken und starrte geradewegs zurück. Plötzlich entspannte sich mein Körper merkwürdigerweise von selbst und mein Atem ging ruhiger, denn in diesem Moment wusste ich bereits schon, dass es zu spät war. »Du bist schon längst nicht mehr du selbst, hab ich recht?«, flüsterte ich mit bebender Stimme. »Doch nicht die Titanenform hat dich erst verändert, hab ich recht? Du warst schon vorher ein ganz anderer Mensch.« Ein letztes Mal sah ich ihr in die Augen und glaubte sogar noch einen Funken, der Schwester zu erblicken, die sie einst für mich gewesen war, dann sah ich nur noch, wie sie ihr mit scharfen Zähnen gespicktes Maul aufriss um mich, ihre einst geliebte Schwester zu fressen. Doch plötzlich erklang ein lautes Krachen, welches die ganze Kapelle erbeben ließ. Das letzte was ich sah, war der Eiszapfen, der so scharf wie ein Dolch auf mich zu kam, dann wurde alles um mich herum dunkel.

the right decision || levi x readerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt