der Unterschlupf

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Der Regen hatte mittlerweile aufgehört und am Horizont waren bereits die ersten Sonnenstrahlen zu erkennen. Mein Hintern schmerzte von dem langen Ritt den wir hinter uns hatten, doch ich wusste, dass es mindestens noch genau so lange dauern würde bis wir an unserem Ziel ankamen. »Wenn du noch langsamer wirst brauchen wir mindestens eine Woche«, schnauzte Levi mich an. »Bis dahin wird der Kommandant des Aufklärungstrupps sicherlich einen Suchtrupp ausgesandt haben.« »Ja, ja ich geb mir ja schon Mühe«, murmelte ich und rieb mir die Augen. Ich hatte Mühe sie vor Müdigkeit offen zu lassen, doch der Gedanke bald meine Schwester zu finden hielt mich wach. Sie kann nicht tot sein. Ich weiß es einfach. Ich würde es spüren, wenn sie nicht mehr am Leben wäre, dachte ich und betrachtete den wunderschönen Sonnenaufgang, der sich vor mir auftat. Und wenn ich sie gefunden habe, dann bring ich den Kommandanten der Militärpolizei um, das schwöre ich! Mit diesem Gedanken ritten der Hauptgefreite und ich so lange bis es dämmerte. Bis dahin sprachen wir kein Wort miteinander, ehrlich gesagt wusste ich auch nicht worüber ich mit einem herzlosen Idioten wie ihm sprechen sollte. Schließlich zog Levi an den Zügeln seiner Stute und brachte sie somit zum Stehen. Er stieg ab und verdeutlichte mir mit einer Handbewegung das Gleiche zu tun. »Ich denke diese Höhle sollte als Unterschlupf für die Nacht genügen.« Er deutete auf einen Eingang, den ich durch die Efeu Ranken und das viele Gestrüpp fast nicht erkannt hätte. »Wie jetzt, wir reiten nicht weiter?«, fragte ich überrascht und Levi zuckte nur mit den Schultern. »Wenn du vor Müdigkeit vom Pferd fallen möchtest nur zu.« Ich seufzte und verdrehte die Augen. Dieser Idiot hat auch keine Ahnung von Charme. Ich band meine braune Stute neben seiner pechschwarzen fest und tätschelte beiden den Hals. »So ungern ich das auch zugebe, Levi hat Recht, ihr habt euch auch eine Pause verdient«, murmelte ich und folgte dem Hauptgefreiten der bereits den Unterschlupf betreten hatte. Die Höhle war nicht sehr groß, doch sie machte einen erstaunlich gemütlichen Eindruck. Ich hob skeptisch eine Augenbraue, als ich sah, dass Levi mit dem Fuß vertrocknete Blätter am Eingang beseitigte und angeekelt das Gesicht verzog als er eine Raupe entdeckte. »Und was wollen Sie jetzt tun? Etwa den ganzen Boden schrubben? Warten Sie ich reite schnell tum Hauptquartier und bringe Ihnen einen Putzlappen und einen Eimer«, sagte ich grinsend und verschränkte die Arme vor der Brust. Daraufhin drehte sich der Hauptgefreite zu mir um. »Ich denke dein Umhang tut es auch.« Diese Antwort kam so trocken und ernst gemeint, dass ich lachen musste und beobachtete kichernd wie Levi die Raupe beseitigte und sie aus dem Eingang des Unterschlupf warf. Es ist schon komisch, dass sich der Hauptgefreite des Aufklärungstrupps vor einer Raupe fürchtet, obwohl er nicht einmal einen Tag zuvor zwei Menschen getötet hat, dachte ich und mein Lachen verschwand. Was steckt nur hinter diesem Menschen und wieso ist er nur so kalt und abweisend? Bevor ich noch weiter nachdenken konnte kam Levi auf mich zu und drückte mir etwas kleines kühles in die Hand. Ich erschrak als ich sah, dass es der Griff einer Pistole war. Nein, nicht irgendeiner Pistole. Es war der Revolver mit dem Levi den Räuber erschossen hatte. »Sie... Sie haben die Waffe mitgenommen?« stammelte ich, den Blick fest auf den Revolver gerichtet. »Ich gebe sie dir. Einen Titanen wirst du im Notfall nicht damit töten können, aber besser als wenn du weiterhin unbewaffnet in der Gegend herum läufst.« Ich hob meinen Blick und sah Levi an. »Aber... wenn ich keinen Titanen damit töten kann, wieso sollte ich...« Die letzten Worte blieben mir im Hals stecken und ich presste die Lippen zusammen. »Du warst es doch, die nach Kenny Ackermann suchen wollte. Man merkt eben doch noch, dass du ein unerfahrenes Balg bist«, erwiderte mein Vorgesetzter abstoßend. »Dir müsste doch inzwischen klar geworden sein, dass in dieser Welt nicht nur die Titanen deine Feinde sind.« Er seufzte und entfernte sich ein paar Schritte von mir. »Und überhaupt. Wer so dumm ist und ohne sein 3D Manöver loszieht, der muss sich mit dem zufrieden stellen, dass er bekommt.« »Hab ja schon verstanden«, zischte ich und steckte schnell die Pistole in meinen Umhang um sich nicht mehr sehen zu müssen. Nach dieser Auseinandersetzung zogen Levi und ich los um Feuerholz und ein paar essbare Pilze und Beeren als Proviant zu sammeln, währenddessen herrschte zwischen uns wieder Stille und man hörte nur das Zwitschern der Vögel und das Rascheln des Windes in den Bäumen. Da es zuvor geregnet hatte, war es ziemlich schwierig brauchbares Holz für ein Lagerfeuer zu finden und so waren wir den ganzen restlichen Tag damit beschäftigt einigermaßen trockenes Material zu finden. Als es dämmerte hatten wir endlich genügend gesammelt und kehrten zu unserem Unterschlupf zurück. Ich musste schmunzeln als ich sah, dass unsere beiden Pferde im Stehen dösden, doch ihre Ohren drehten sich dennoch aufmerksam in alle Richtungen, als wir uns ihnen näherten. Ich streichelte meine Stute über die Nüstern und ich spürte die warme Luft, die beim Ausatmen über meine Handfläche strömte. »Du hast es gar nicht gemerkt.« Ich drehte perplex meinen Kopf und sah, dass Levi direkt neben mir stehen geblieben war. »Die Satteltaschen.« Er deutete mit dem Finger auf die zwei großen Beutel, die an den Seiten meiner Stute angebracht waren. »Was soll damit sein?«, fragte ich und der Hauptgefreite seufzte. »Auch wenn sich nichts darin befinden sollte sind sie dennoch sehr belastend für das Pferd.« Er trat an meine Stute heran, nahm ihr die Taschen ab und drückte sie mir unsanft in die Hand. »Dein Pferd ist dein wichtigster Begleiter auf einer Reise. Von dessen Wohlbefinden hängt in so manchen Situationen dein Leben ab, also überlege dir vorher ob du es dir leisten kannst deine Stute zu vernachlässigen.« Ich blickte ihm für eine Sekunden in seine eiskalten Augen. Sorgt er sich etwa um mich, oder ist es doch einfach nur Einbildung? »Wie heißt sie eigentlich?«, fragte ich und der Hauptgefreite sah mich verständnislos an. »Ihr Pferd meine ich.« Ich nickte in Richtung des pechschwarzen Tieres. »Das ist nicht wichtig«, kam die monotone Antwort und ich verdrehte die Augen. War ja mal wieder klar, dass ich so eine Antwort bekomme. »Naja, ich jedenfalls habe mir gerade einen Namen für meine ausgedacht.« Ich schaute zu meinem Pferd auf und tätschelte ihr den Hals. »Meine Mutter erzählte mir früher immer Geschichten über ein Wiesel, das nichts und niemand einholen konnte. Es war zu flink und wendig um von einem Raubvogel eingefangen werden zu können und außerdem war es sehr schlank, sodass es sich in die kleinsten Spalten und Öffnungen zwängen konnte um seine Beute zu fangen. Zudem war es manchmal sehr frech und ärgerte gerne Menschen, denn es klaute ihnen wenn sie nicht aufpassten ihre Vorräte.« Ich grinste. »Vorallem diese Tatsache erinnert mich sehr stark an mein eigenes Pferd und deswegen soll sie von heute an Wiesel heißen.« Unbewusst erinnerte ich mich an die erste Trainingsstunde, die ich damals mit dem Hauptgefreiten hatte, denn da hatte ich ihn wegen seinem schnellen Gang ebenfalls als Wiesel bezeichnet, aber das sprach ich natürlich nicht laut aus. »Und wie gefällt dir dein neuer Name?« Wiesel drehte ihre Ohren nach hinten und scharrte leicht mit dem vorderen Huf, fast so als wollte sie sagen: Dieses Mädchen hat doch total einen an der Klatsche. »So jetzt hab ich Ihnen gesagt wie mein Pferd heißt, nun sind Sie an der Reihe!« Der Hauptgefreite fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und zog energisch die Augenbrauen zusammen. »Daran merkt man also auch, dass du nicht nur unerfahren, sondern zudem fast noch ein Kind bist.« Mit diesen Worten drehte er sich um und betrat den Unterschlupf. Ich zeigte ihm  hinter seinem Rücken den Mittelfinger und ging zu seinem Pferd. »Bestimmt hast du einen Namen«, murmelte ich, während meine Finger sanft über das glänzend schwarze Fell strichen. »Er tut nur immer so, aber in Wirklichkeit«, ich drehte mich um und sah Levi nach, der gerade durch den Efeu verwachsenen Eingang verschwand. »In Wirklichkeit bedeutest du ihm sehr viel weißt du?« Die wunderschöne Stute legte den Kopf etwas schief und blickte mich aus ihren fast schwarzen Augen sanftmütig an. Ich lächelte. »Hörst du (S/N), diese beiden bezaubernden Stuten werden mich ganz bestimmt zu dir führen und selbst der nicht ganz so bezaubernde Hauptgefreite wird sein Bestes tun da kannst du dir sicher sein.« Ich seufzte und blickte nach oben. Dort konnte ich den dämmernden Himmel erkennen auch wenn er zwischen den hohen Baumkronen nur einen kleinen Fleck ausmachte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 20, 2021 ⏰

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the right decision || levi x readerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt