die Flamme des Zorns

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»Zu spät.« Levis Worte hallten in meinem Kopf wieder, während ich mich mit aller Kraft versuchte auf meinem Pferd aufrecht zu halten, um nicht jeden Moment herunter zu fallen. Nach meiner Auseinandersetzung mit dem Hauptgefreiten, hatte niemand von den anderen ein Wort gewechselt, selbst die sonst so gesprächige Hange, hatte mich nur einmal kurz angesehen. Nur das Klackern der Hufe auf dem Boden und der Wind, der die Äste und Zweige leicht zum schwingen brachte waren zu vernehmen. So friedlich, dachte ich. Obwohl es vor nicht einmal ein paar Minuten erfüllt mit Grausamkeit war. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie die anderen immer mal wieder verstohlene Blicke wechselten, doch niemand von ihnen sagte etwas. So ritt unser kleiner Trupp weiter und die Stille, die zwischen uns herrschte meinte mich zu erdrücken, als ich Levis Stimme vernahm: »Wir sind da.« Drei einfache Worte, die mich seit Stunden in denen wir bei unserem Tempo für die Rückkehr gebraucht hatten das erste mal wieder zurück in das hier und jetzt beförderten. Ich gab meinem Pferd das Zeichen zum Haltmachen und stieg mit letzter Kraft ab. Gerade als ich die Zügel greifen und es in seine Box führen wollte, berührte mich jemand an der Schulter. Ich drehte mich um und sah geradewegs in die türkis blauen Augen von Eren. »Ich mach das schon«, sagte er leise und nahm mir daraufhin die Zügel ab. Schweigend gingen wir nebeneinander her und ich starrte bedrückt auf meine Füße, während Eren mich von der Seite musterte. Die Boxentür knarrzte, als Eren sie schloss, nachdem er das Pferd hineingebracht hatte. Er blieb direkt vor mir stehen, sodass ich ihm nun direkt gegenüber stand. »Zu spät«, murmelte ich. Ich hielt kurz inne, dann sah ich zu ihm auf. »Es... war zu spät, nicht wahr?« Eren erwiderte meinen Blick und sah mich für einen Augenblick einfach nur schweigend an. »Ja, (V/N), das war es. Der Hauptgefrei...« »Nein«, unterbrach ich ihn. »Ich möchte nicht wissen, was der Hauptgefreite über die Situation denkt, sondern ich möchte deine Meinung hören.« Ich kam einen Schritt auf ihn zu. »Deswegen frage ich dich. Denkst du, dass es zu spät war, Eren?« Sein Blick wurde mitfühlend, als er die nächsten Worte aussprach. »Ja, (V/N), für deine Schwester war es das. Doch um dich zu retten...«, er lächelte leicht. »Um dich zu retten, hat die Zeit ausgereicht.« Um mich zu retten... Aber niemand hat mich gefragt. Niemand hat mich gefragt ob ich überhaupt gerettet werden wollte. Keiner. »(V/N)?«, fragte Eren und ich starrte bedrückt auf meine Hände. Ich blinzelte, als mir die aufkommenden Tränen plötzlich die Sicht verschwimmen ließen und spürte wie sie mir warm die Wangen herunterrannen und schließlich auf meine Handflächen tropften. »(V/N), möchtest du etwas essen? Du hast sicher Hunger«, murmelte Eren doch ich schüttelte nur den Kopf. »Nein, danke ist schon gut.« Daraufhin kam der braunhaarige Junge auf mich zu und berührte mich leicht an meiner Schulter. »Dann bring ich dich auf dein Zimmer, wenn das für dich okay ist.« Ich sah zu ihm auf und nickte, anschließend machten wir uns schweigend auf den Weg zu meinem Zimmer. Vor der Tür blieben wir stehen und Eren drehte sich zu mir. »Ruh dich etwas aus. Vielleicht möchtest du ja später noch zu mir und den anderen kommen.« Nachdem er das gesagt hatte lächelte er mir leicht zu und wandte sich zum gehen, doch ich hielt ihn am Arm fest. »Eren.« Überrascht drehte er sich noch einmal um und ich lächelte ihm mit Tränen in den Augen an. »Danke.« »(V/N), du brauchst mir nicht zu danken, ruh dich bitte aus«, erwiderte er. Er sah mich noch einmal kurz an, dann drehte er sich um und ich ließ seinen Arm los. »Ja«, murmelte ich leise und öffnete anschließend meine Zimmertür. Ich betrat den Raum und setzte mich auf den Rand meines Bettes. Meine Tränen waren versiegt und ich fühlte mich komischerweise nicht so, wie beim letzten mal als ich nach dem Vorfall mit Jean alleine in meinem Zimmer geweint hatte. Ich fühlte weder Trauer noch Schmerz über den Verlust meiner Schwester. Nein, ein ganz anderes Gefühl machte sich schlagartig in meiner Brust breit. Das Gefühl von Wut. Zuerst war es nur ein kleiner Funke gewesen, nichts was wirklich bedeutungsvoll gewesen wäre, doch seitdem wir zurück im Lager waren, hatte sich dieser Funke in eine kleine Flamme verwandelt und ich konnte spüren wie sich diese Flamme wie ein Waldbrand weiter in meinem Körper ausbreitete. Und diese unglaublich starke Wut richtete sich nur gegen eine einzige Person. Gegen den Kommandanten der Militärpolizei. Er war es gewesen. Er hatte meine Schwester in die Militärpolizei geholt, sie scheinheilig um den Finger gewickelt und sie schließlich schamlos ausgenutzt nur damit sie am Ende sterben musste und das ganz umsonst. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und ich merkte wie mein Atem schneller ging. Die Flamme hatte sich innerhalb eines Augenblicks in ein loderndes Feuer verwandelt, welches mich zu verschlingen drohte und ich sprang auf. Er war es gewesen, ja der Kommandant der Militärpolizei. Er hatte meine Schwester getötet! Er allein! Ich packte meinen Mantel, der über meiner Stuhllehne hing, warf ihn mir über und stürmte aus meinem Zimmer. Ich eilte den dunklen Korridor entlang, bis ich schließlich im Freien war. Draußen war es bereits dunkel und es regnete, doch ich spürte weder die Regentropfen, die meine Kleidung durchnässten noch den eisigen Wind, der mir ins Gesicht blies. Ich spürte nur die Hitze des Zorns, die meinen ganzen Körper erfüllte und mein Pferd wieherte erschrocken, als ich mit einem Ruck die Boxentür aufriss. Ich sattelte es auf und führte es aus der Box, dann stieg ich auf. Ich hatte mir die Kapuze meines Mantels tief ins Gesicht gezogen und ich blickte ein letztes mal zurück auf das Anwesen des Aufklärungstrupps, dann gab ich meiner Stute die Sporen und ritt davon. Der Regen prasselte frontal wie ein Hagelsturm auf mich ein und mich musste die Augen zusammenkneifen um überhaupt etwas zu sehen. Im Galopp stürmte mein Pferd voran und ich klammerte mich eisern an seiner Mähne fest um nicht den Halt zu verlieren. Ich hatte mir den Weg zu der Basis der Militärpolizei zwar eingeprägt, wusste aber wegen des Unwetters und der Dunkelheit nicht wo ich lang ritt. Doch meine Wut war wie ein Rausch und ich war so in ihr gefangen, dass ich weder das ängstliche Schnauben meines Pferdes, noch den großen dunklen Umriss wahrnahm, der plötzlich vor mir auftauchte. Erst als meine Stute sich aufbäumte und meine vor Kälte steif gewordenen Finger den Halt verloren bemerkte ich ihn. Ich schlug hart auf dem Boden auf, doch durch meinen Zorn spürte ich den Schmerz kaum und ich rappelte mich auf. Ich brauchte kein Tageslicht um zu erkennen, dass der Umriss vor mir ein Titan war. Auch jetzt erst bemerkte ich, dass durch meine überstürzte Handlung natürlich auch nicht an mein 3D Manöver gedacht hatte und ich machte instinktiv ein paar Schritte rückwärts. Plötzlich wurde es hell und ich hielt mir die Hand vor Augen. »Keine Sorge, der schläft tief und fest wie ein kleines Baby«, hörte ich eine Männerstimme sagen und ich erkannte zwei Gestalten, die mit einer Lampe in der Hand neben dem Titan standen. Jetzt sah ich es auch. Der riesige Körper lag regungslos auf der Seite, seine Augen waren geöffnet und es sah aus, als wäre er bereits tot. Der eine Mann ging auf mein Pferd zu und packte es an den Zügeln, sodass es nicht fliehen konnte, der andere kam auf mich zu und hielt mir den Lichtkegel seiner Lampe ins Gesicht. »Na sieh mal einer an, das ist ja ein Mädchen. Jack, komm mal her, die musst du dir ansehen!« »Das würde ich ja gern, aber dieser Gaul hier ist ganz schön wiederspenstig!«, brüllte der andere namens Jack. »Was machst du denn hier ganz alleine mitten in der Nacht, Kleines?«, fragte mich der Mann mit der Lampe und ich sah beim sprechen, dass ihm bereits einige Zähne fehlten. »Ich wüsste nicht was Sie das angeht, außerdem bin ich nicht ihr 'Kleines'«, erwiderte ich trocken und der Mann musterte mich mit schiefgelegtem Kopf. »Jack, jetzt lass doch endlich mal den Gaul in Ruhe und komm lieber her!« Daraufhin ließ er die Zügel meiner Stute los und näherte sich mir und seinem Begleiter. »Was meinst du?«, fragte der eine. »Wäre dieses Mädchen nicht eine viel kostbarere Ware, als dieser schlafende Titan?« Meine Augen weiteten sich vor Schreck und ich schnappte nach Luft. Ware? Von was zur Mauer Maria redeten die denn da? Ich hatte ein ganz ungutes Gefühl und ich machte einen Schritt zur Seite. »Ähm es war... schön Sie beide zu treffen, aber ich muss jetzt wirklich weiter«, stotterte ich und wollte zurück zu meiner Stute gehen, als mich der Mann mit der Lampe am Handgelenk packte. »Na, na nicht so eilig. Wo willst du denn hin. Willst du dich gar nicht bei uns bedanken, dass wir dich vor dem bösen Titan gerettet haben?« »Aber Sie haben doch gar nichts gemacht, der Titan schläft...« Bevor ich den Satz allerdings zu Ende sprechen konnte, gab mir der Lampentyp eine saftige Ohrfeige und ich spürte wie mir das Blut die Wange herunterlief. »Lassen Sie mich sofort los!«, schrie ich daraufhin und versuchte mich verzweifelt aus dem Griff des Zahnlosen zu befreien, doch dieser war einfach zu stark. »Weißt du Kleines.« Der Typ kam mit seinem Gesicht so nah an meines, dass ich seinen fauligen Atem riechen konnte. »Für dich würden wir bestimmt viel mehr bekommen, als für so einen Titan, schließlich liegen von denen hier draußen ja genügend herum.« »Doch unser Boss wäre bestimmt sehr erstaunt, wenn wir mit einem so kleinen hübschen Mädchen wie dich zurückkehren würden.« Ich trat verzweifelt um mich und versuchte dadurch frei zu kommen doch das gelang mir nicht. Ganz plötzlich fiel mir die Kampftechnik, die ich vom Hauptgefreiten gelernt hatte wieder ein und ich schaffte es schließlich dem Typen in die Kniekehle zu treten. Während dieser kurz ins Wanken gerat, stieß ich ihm mit meinem Ellbogen des noch freien Arms in die Magengrube, woraufhin sich dieser vor Schmerz krümmte und den Griff um mein Handgelenk lockerte. So schaffte ich es mich loszureißen und ich stürmte zu meiner Stute. Ich glaubte schon fast sie erreicht zu haben, da spürte ich plötzlich etwas kühles und eisernes an meinem Hals. »Noch einen Schritt weiter und du bist tot.« Ich wagte es nicht mich zu bewegen und mein Blick wanderte nach oben, nur um in das hässliche Gesicht von Jack, dem anderen Mann, der sich zuerst im Hintergrund gehalten hatte zu blicken. Jetzt realisierte ich auch, dass das eiserne Ding an meinem Hals die Klinge eines Dolches war und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Scheiße, den anderen Typen hab ich gar nicht mehr beachtet, was... was mach ich denn jetzt, irgendwas... (V/N), dir muss irgendwas einfallen. Aber was soll ich tun... was soll ich... Schlagartig wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als ich in der Ferne eine weitere Person auf einem Pferd auf mich und die beiden Männer zukommen sah. Er trug ebenfalls einen Mantel, dessen Kapuze sein Gesicht verbarg. Niemand wagte es sich zu bewegen, als die Person von seinem Pferd abstieg  und langsam, mit jeweils einer langen Klinge in jeder Hand, auf uns zu kam. »Tch, dass du mir nichts anderes als nur Probleme machen kannst. Weißt du.« Der Mann blieb direkt vor mir stehen und obwohl sein Gesicht immer noch von seiner Kapuze verborgen war, wusste ich bereits wer er war. »Du bist die nervigste Rekrutin, die mir je begegnet ist.«

the right decision || levi x readerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt