1 - Die Neue

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Unschlüssig lehnte ich an dem roten Mercedes meines Bruders. Gerade war ich in meinem persönlichen Gefängnis angekommen. Die Möbelpacker trugen momentan unsere Sachen in mein nun neues Zuhause. Es war wahrscheinlich das modernste Haus, was es in dieser alten Gegend gab. War ja klar. Die Familie meines Bruders war ziemlich reich und auch er war eine große Nummer und verdiente haufenweise Schotter, sogar so viel um eine Zeit lang ohne zu arbeiten leben zu können. Nebenbei konnte er sich auch noch einige teure Unnötigkeiten gönnen. Ich weigerte mich sofort in das Haus zu stiefeln. Diese schnelle Lebensumwandlung konnte ich so schnell nicht akzeptieren.

„Elvana! Komm schon rein!", rief mein Bruder, der am Türrahmen lehnte. Augenrollend stapfte ich an ihm vorbei und lief die Treppen nach oben und stand kurz darauf in meinem neuen Zimmer. Es dauerte fast den ganzen Tag, bis alle Möbel aufgebaut waren und die Angestellten des Möblierungsgeschäftes am Abend endlich Feierabend hatten. Den nächsten Tag verbrachte ich damit, meine Sachen in den Schränken und Regalen zu verstauen. Zum Glück brauchte ich bei dem Anschließen meiner Elektrogeräte keine Hilfe. Das ganze moderne Zeug engte mich ein. Ich war es nicht gewohnt so viel Geld zu besitzen und es so zu verprassen, wie es mir gefiel. Zum Beispiel hatte ich auch ein eigenes Badezimmer und das war riesig. Vorher gab es nur ein Badezimmer, dass ich mir mit vier weiteren Personen teilen musste. Schnell versuchte ich meine Gedanken umzulenken. Verdrängen war eines meiner leichtesten Übungen. Die Zeit ging zu schnell vorbei. Es war Montag. Heute war mein erster Schultag als „Die Neue".

Die ganze Zeit spielte ich mit dem Gedanken, mich einfach krank zu stellen und den ganzen Tag zu schlafen und zu zocken. Ich hatte keine Lust auf Schule und hatte irgendwie das Bedürfnis Andrey aus dem Weg zu gehen. Doch damit würde ich niemals durchkommen, deshalb quälte ich mich aus dem Bett und fing an mich anzuziehen. Schminken brauchte ich mich nicht, deshalb war ich ziemlich fix fertig. Als ich mich im Spiegel betrachtete erschrak ich beinahe wie kalt und leblos meine Augen mir entgegen starrten. Frühstücken tat ich mit meinem Bruder zusammen. Es war eine bedrückte und angespannte Stimmung zwischen uns. „Hör mal, ich weiß das ist alles nicht einfach für dich", fing Andrey dann doch an zu sprechen. Ich schnaubte. Er hatte doch keine Ahnung! „Es tut mir leid, wegen dem Unfall und was meine... unsere Eltern dir angetan haben, aber bitte lass uns versuchen das Beste aus der Situation zu machen". Ich erstarrte in meiner Bewegung. Unsere Eltern. Ekel durchfuhr mich. Diese Kreaturen würde ich niemals Eltern nennen. „Ich geh jetzt zur Schule", murmelte ich, holte meine Sachen und ließ die Tür hinter mir zu knallen. Tief atmete ich ein und aus. Dann mal los.

Als ich mit meinem Motorrad auf den Parkplatz der Forks High School fuhr, wurde ich gefühlt von allen angestarrt. Es verbreitete sich wohl ziemlich schnell, wenn jemand neues auf die Schule kam. Ich suchte mir einen Parkplatz und schaute auf mein Handy. Noch immer keine Nachricht von meinen Freunden. Scheint sie ja kaum zu interessieren, dass ich weg war und wie es mir ging. Seufzend stieg ich ab und zog, während ich ins Gebäude ging, meinen Helm aus. Kurz durch die Haare wuscheln und weiter. Das Sekretariat ließ sich schnell finden. „Was kann ich für dich tun?", wurde ich promt gefragt, als ich den Raum betrat. Kurz war ich irritiert und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Eine rothaarige und rundliche Frau sah mich mit einem freundlichen Blick an und wartete auf eine Antwort. „Ähm... mein Name ist Elvana Wayne", stellte ich mich vor und hielt ihr meine Hand hin, die sie mit einem leichten Lächeln schüttelte. „Ah ja! Die Neue. Einen Moment", sagte sie, bevor ich weitersprechen konnte und wusste anscheinend direkt, wer ich war. Sie kramte etwas herum und drückte mir danach meinen Stundenplan, einen Plan für das Schulgelände und einen Zettel, den ich von meinen Lehrern unterschreiben lassen musste, in die Hand. Nach Glückwünschen scheuchte sie mich auch schon hinaus. Der Raum für meine erste Stunde war leicht zu finden. In den Fluren wuselten noch viele Schüler hin und her, die mich neugierig musterten. Wie ich es hasste! Als hätte ich irgendwas Interessantes in meinem Gesicht kleben. Dank meines kühlen Blickes kam ich, ohne angerempelt zu werden, an meinem Ziel an. Den Lehrer kümmerte es wenig, ob ich die Neue war. Er unterschrieb einfach nur den Zettel, hieß mich willkommen und scheuchte mich auf meinen Platz. Erleichtert atmete ich ein und aus. Das was ich hasste, war es, wenn die Aufmerksamkeit auf mir lag und ich wollte keine unangenehmen Fragen beantworten. Meine Sitznachbarin war still und starrte mit einem leeren Blick vor sich hin. Ein bisschen erschrak ich. Diesen Blick kannte ich nur zu gut und es schien nicht so, als hätte sie irgendwelche Freunde. Alle ignorierten sie, was mich verwundert meine Augenbrauen heben ließ.

Sie tat mir irgendwie leid, denn sie erinnerte mich stark an mich selbst und an meinen Schmerz. „Hey, ich bin Elvana", stellte ich mich ihr vor und versuchte möglichst freundlich zu klingen. Jedoch konnte ich den monotonen Ton aus meiner Stimme kaum verbannen. Sie schaute mich kurz mit ihrem leeren Blick an und schüttelte schwach meine Hand, während sie ihren Namen nuschelte. Freundlich lächelte ich sie an, bevor meine Aufmerksamkeit dem Lehrer galt.

Die Stunden zogen sich dahin, wie Kaugummi und ich war froh, als es endlich zur Mittagspause klingelte. Genervt schlurfte ich in die Kantine und sah mich erst einmal um, als ich in dem riesigen Raum stand. Essen würde ich eh nichts und ich fragte mich, warum ich nicht einfach auf den Parkplatz ging, wo ich meine Ruhe hatte. Ich erkannte wieder das braunhaarige Mädchen, welches allein an einem Tisch saß und aus dem Fenster schaute. Ohne groß zu überlegen ging ich auf sie zu und räusperte mich kurz. „Darf ich mich zu dir setzen?", fragte ich, als sie mich ein bisschen überrascht anschaute und schließlich schwach nickte, bevor ich gegenüber von ihr Platz nahm. „Tut mir leid, falls ich dich mit meiner Anwesenheit nerve, aber irgendwas an dir erinnert mich ... an jemanden", ich stockte mitten im Satz und konnte es gerade noch so umlenken. Ich konnte einen kleinen Augenblick Neugier an ihr erkennen, aber das schwand schnell wieder. „Nein, ist schon okay. Hier sitzt ... sowieso niemand mehr", sprach sie, doch ihre Stimme wurde zum Ende hin immer leiser. Ich wusste das ich ungewollt einen wunden Punkt getroffen hatte und sofort breiteten sich Schuldgefühle in mir aus. Sie hatte ihre Arme um ihren Oberkörper geschlungen und schaute leer auf den Tisch. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht an irgendwas erinnern", murmelte ich schuldbewusst und verschränkte meine Arme selbst vor meinem Körper während ich mich nach vorne lehnte. Ich war gerade in ein privates Problem von jemanden eingedrungen, ohne es zu wollen. Kurz schweifte mein Blick durch den Raum, als ich an einem Tisch hängen blieb. Vier Leute saßen dort und schauten neugierig zu uns, doch als sie meinen Blick bemerkten wendeten sie sich schnell ab. Misstrauisch hob ich meine Augenbrauen. „Ist schon in Ordnung", sprach sie und schaute mir diesmal ins Gesicht. Ihr Blick schien ein wenig klarer geworden zu sein.

„Wieso bist du eigentlich neu an dieser Schule?", fragte mich Bella, als wir auf den Weg zum Parkplatz waren. Sie war zwar nicht wirklich anwesend, aber wenigstens sprach sie von sich selbst aus mit mir. Ich wollte sie nicht mit irgendwas voll texten, was sie nicht interessierte. Augenblicklich versteifte ich mich, als sie die Frage ausgesprochen hatte. „Bin umgezogen", murmelte ich nur und mein Blick wurde wieder düster. Das hatte mich grad daran erinnert, dass ich Andrey heute wieder über den Weg laufen würde. Er konnte zwar für das Alles nichts, aber als wenn der Unfall nicht genug gewesen wäre, hatte er mich aus meinem Umfeld gerissen und irgendwo reingepackt, wo ich nicht hinwollte. Wenigstens war es keine Stadt und mir blieb noch die Landluft, die mich an mein Zuhause erinnerte. „Hm", machte sie und blickte ein wenig schuldbewusst auf den Boden. „Tut mir leid, ich möchte nur noch nicht darüber sprechen", meinte ich und hoffte einfach, dass sie es verstehen würde. Doch sie entschuldigte sich nur selbst, dafür das sie zu neugierig war. Wir kamen als erstes an ihrem roten Transporter an. Sie hatte einen Platz weiter vorne erwischt. Mir fielen wieder die Blicke von den Leuten aus der Kantine auf. „Warum glotzen die eigentlich so?", fragte ich Bella missmutig. Besonders diese Blonde ging mir auf den Sack. Man sah ihr sofort an, was für eine Person sie war.

Sie nannte mir die Namen und erwähnten, es seien alte Freunde von ihr, doch ich wollte nicht weiter bohren, weshalb ich mich verabschiedete und nach Hause fuhr.

𝐕𝐞𝐫𝐠𝐚̈𝐧𝐠𝐥𝐢𝐜𝐡 - twilight FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt