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keep waiting for the heartbreak music, that's never gonna come - John Hughes Movie, Maisie Peters

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Florence setzt sich auf die Bank einer Bushaltestelle mit dem festen Plan einfach in den nächsten Bus einzusteigen und zu schauen, wo er sie hinbringt. Die letzten Minuten ist sie mehr oder weniger ziellos durch die Stadt gelaufen und sie weiß nicht einmal genau, wo sie jetzt ist. In der Hoffnung irgendwo noch einmal den brünetten Lockenkopf zu erwischen.

Seufzend streicht sie sich durch die schwarzen Haare und lehnt ihren Kopf an die Wand der Bushaltestelle. Wahrscheinlich kommt hier gar kein Bus mehr bis morgen früh. Sie weiß nicht einmal wie spät es gerade ist.
Aber in diesem Moment fühlt Florence sich so unglaublich allein, dass sie auch zwei Tage auf den nächsten Bus gewartet hätte, um noch weiter im Selbstmitleid baden zu können.

Sie hat wirklich niemanden den sie nun anrufen könnte. Vielleicht ihre Eltern, die um diese Uhrzeit aber vermutlich nicht mal abnehmen würden und wenn sie an ihren Vater denkt, weil Florence nicht, ob er überhaupt den Hörer abnehmen würde.

Wahrscheinlich muss sie vor seiner Tür stehen, damit er Florence zuhört.

Bei dem Gedanken an ihren Vater, der sie nach ihrem Abschlussball zusammenstaucht - auf dem Florence sich mit Cara und Ella so dermaßen betrunken hat, dass sie sich direkt nach seiner Standpauke übergeben hat - ziert sofort ein Lächeln ihr Gesicht. Eigentlich hat sie immer eine richtig gute Beziehung zu ihrem Vater gehabt. Wahrscheinlich macht es ihr deswegen so Angst, ihm womöglich wieder unter die Augen zu treten.

Sie hat ihren Geldbeutel in der Tasche ihrer Latzhose gefunden und ihn zum Glück ist er nicht mehr in Harrys Rucksack. Sonst hätte sie vermutlich noch alles beantragen dürfen, bevor sie San Francisco hätte verlassen können.

Allein der Gedanke verursacht in Florence Herz ein elendes Ziehen. Eigentlich hat sie nicht gedacht San Francisco jemals wieder verlassen zu müssen. Diese Stadt ist so sehr in ihr Zuhause geworden, dass sie gar nicht weiß, wie sie damit umgehen soll sie zu verlassen. Allein der Gedanke an South Carolina lässt sie die Augen verdrehen. Dort ist alles immer so unglaublich gleich.

Sie hat Harry nicht einmal die Golden Gate Bridge gezeigt. Zwar geht sie eigentlich davon aus, dass er wenigstens die mit seinem Cousin besucht hat - ansonsten wäre er wirklich komplett ungebildet gewesen - aber sie weiß noch genau, wie sie die Golden Gate Bridge das erste Mal so richtig wahrgenommen hat.

Sie war so überwältigt davon gewesen, weil sie einfach genauso aussah wie auf den Bildern. Ähnlich wie beim Colosseum in Rom oder dem Eiffelturm in Paris. Man hat diese ganz spezifische Vorstellung in seinem Kopf von den Dingen und glaubt deshalb eben nicht, dass sie so aussieht wie man es sich vorstellt. Und dann steht man da und es ist diese Sache, die man schon so häufig auf Bildern gesehen hat und sie sieht einfach genauso aus.

Wie gern wäre sie mit Harry zur Golden Gate Bridge gegangen.

Florence zieht die Beine an und schlingt ihre Arme um ihre Knie. Sie muss aussehen wie ein hilfloser, kleiner Tropf. Es ist ein wenig so, als würde sie nur darauf warten, dass die traurige Musik einsetzt.

Eigentlich ist Florence kein Mensch, der wirklich im Selbstmitleid badet. Aber am heutigen Tag scheint das irgendwie unvermeidlich zu sein. Erst in der Bar mit Harry, dann jetzt. Sie muss aufpassen, dass das nicht zur Gewohnheit wird.

Sie ist so in Gedanken versunken, dass sie beinahe nicht bemerkt hätte, wie es in der Tasche von Harrys Pulli vibriert. Mit gerunzelter Stirn zieht sie das Handy aus ihrer Tasche. Wer zur Hölle soll sie denn jetzt noch anrufen? Vielleicht Robbie. Oder Tina Goldberg, die doch irgendwie Fotos hat und es ihr jetzt unter die Nase reiben will. Wobei die das mit einem Artikel wohl doch besser hätte machen können.

Reallife Art // h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt