Kapitel 18

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"Lass es mich nicht bereuen", flüsterte ich Runaya zu, als ich die Kellertür öffnete. Sie war ein klein wenig größer als ich und, wie ich vermutete, auch muskulöser gebaut. "Wirst du nicht, versprochen. Ich will nur hier raus." Ihr Blick schwenkte noch einmal zurück zu ihrem nun leeren Bett und den Ketten die darauf und auf dem Boden verstreut lagen. Dann folgte sie mir die Treppen hinauf.

Bleib aufmerksam, bleib aufmerksam, bleib aufmerksam, wiederholte meine innere Stimme immer wieder.
Über die Schulter hinweg sah ich immer wieder nach, ob sie mir auch wirklich folgte. Aber das tat sie. Noch.
Part zwei war ebenfalls geschafft. Nun ging es über zum so gut wie letzten Teil, der allein davon abhing, was Runaya tun würde.
Ich bog in das Wohnzimmer ab und nickte Richtung Hintertür. Runaya folgte mir leise. Ich hoffte inständig, dass diejenigen, die gerade irgendwo im Haus positioniert waren, keine Geräusche von sich gaben, die Runayas Aufmerksamkeit erregen könnten.

An der Hintertür blieb ich stehen und spähte noch einmal zurück Richtung Wohnzimmerbereich, bevor ich die Tür zur Freiheit öffnete. Erst jetzt, als sie zu mir nach draußen trat, fiel mir auf, dass Runaya sogar einen halben Kopf größer war als ich.
Zum ersten Mal konnte ich sie richtig mustern, was unten im Keller sowieso nur mäßig möglich gewesen war. Meine Aufmerksamkeit hatte aber auch hauptsächlich den Ketten und den Handschellen, an denen sie befestigt war, gegolten. Runaya hatte kurzes braunes Haar, dass ihr gerade so bis zu den Schultern reichte und sich in ihrem Nacken leicht kräuselte. Ihr Gesicht wirkte ernst. Ein kleines Augenbrauenpiercing blinkte im fahlen Mondlicht auf. Runaya war eine wirklich hübsche junge Frau, neben der man sich leicht in den Hintergrund gedrängt fühlen konnte.

Sie schloss die Hintertür, die ins Haus führte und folgte mir durch den kleinen Garten, der jedoch fast vollständig von der Dunkelheit verschluckt wurde. Sie fröstelte und schlang die Arme um ihren schlanken Körper, den man nicht unterschätzen sollte.

Innerlich verfluchte ich mich für meine unsensible Art und holte einen dicken Pullover mit Kapuze und Schal aus meinem Rucksack und reichte es ihr. Dankend nahm sie es entgegen und streifte sich im Gehen alles über, bevor sie noch die Kapuze, genau wie ich, über ihren Kopf zog.

"Was hat Asareth dir denn genau angetan?", fragte ich leise, als wir schon weit genug weg vom Haus waren und in den nächsten Augenblicken eigentlich bald für Straße erreichen müssten. Ich machte mich darauf gefasst, dass sie jeden Moment die Flucht ergreifen würde. "Er hat mir geholfen, als ich von meinem Rudel verstoßen wurde. Ich dachte, es wäre eine nette Geste. Etwas, was jeder in diesem Moment tun würde. Aber nicht Asareth. Er wollte dafür eine Gegenleistung haben und machte mich ihm gefügig. Das hier" Sie machte eine ausschweifende Geste. "Ist meine einzige Chance, ihm zu entkommen."

Dadurch, dass ich mit den Gedanken gerade beschäftigt war, hatte ich nur grob nebenbei zugehört. Eine Chance, das GPS bei ihr anzubringen, hatte ich bisher noch nicht. Aber sie hatte auch noch keine Anstalten gemacht, sich aus dem Staub zu machen.
Vielleicht hatten wir ja doch falsch gelegen und Runaya war auf unserer Seite und das alles war wirklich kein ausgeklügelter Plan von Asareth.

Wir erreichten die Straße, die entweder weiter in Richtung Kingscroft Mitte oder aus der Stadt rausführte. "Hier links." wies ich sie an und wartete förmlich darauf, dass sie genau das Gegenteil tun würde. Selbst meine rechte Hand war schon Richtung Messer gewandert. Runaya sah sich auf der Straße um und bog tatsächlich nach links ab. Richtung Kingscroft. Richtung 'Ich sage die Wahrheit.'

Erstaunen breitete sich auf meinem Gesicht aus, das ich direkt wieder verbarg. "Warum vertraust du mir eigentlich, wo doch mein Rudel dabei geholfen hat, dich dort unten festzuhalten?"
Runaya blickte zu mir herüber, während wir auf dem Fußweg die Straße entlang liefen und um uns herum immer mehr Häuser auftauchten, die dafür sorgten, dass ich mich mit jedem Schritt sicherer fühlte. "Wäre denn flüchten eine bessere Wahl?" stellte sie die Gegenfrage, wartete jedoch nicht auf eine Antwort von mir. "Denn wenn ich mich zwischen Asareth und dem hier entscheiden kann, dann ist das hier immer die bessere Wahl. Selbst wenn du mich sogar in dem Moment anlügen würdest." Sie betrachtete mich forschend, innerlich erstarrte ich, lief aber unbeirrt weiter. "Selbst wenn du mich gerade anlügen würdest, ist mir das alle mal lieber als der Wald und Asareth, der mich vermutlich dafür töten würde, weil ich ihn hintergangen habe." Sie drückte ihre Schultern durch und streckte sich im Gehen ausgiebig.

Wolfsblut - Der Beginn einer neuen ÄraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt