Tor 1

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Nele

"Papa, kannst du mich bitte abholen? Ich habe etwas getrunken und kann nicht mehr fahren.", lalle ich in mein Handy. Papa lacht mir ins Ohr und ich höre schon seinen Autoschlüssel klimpern. "Du hast Mama doch hoch und heilig versprochen nichts zu trinken. Du musst morgen arbeiten, hast du gesagt.", als nächstes höre ich die Haustür klicken. "Ja, Anita und ich haben ein paar Jungs kennengelernt und die haben uns eingeladen. Ich konnte nicht nein sagen.", Anita grinst mich an. "Ich hole dich. Möchte Ani mit?", fragt Papa freundlich. Ich schaue Anita fragend an. Sie weiß sofort, was ich meine. Meine beste Freundin nickt und ich beantworte Papa's Frage. "Alles klar. Bis gleich. Treffpunkt wie immer!", dann legt er auf und ich nehme Anita an die Hand und laufe mit ihr laut singend und lachend durch die Straße. Papa holt mich nie vor dem Club ab, weil uns dann eventuell Menschen erkennen könnten. Ich möchte nicht in irgendeiner Klatschzeitung auftauchen.

Papa fährt vor und wir steigen ein. "Hallo Papa.", ich steige vorne ein und gebe meinem Vater einen Wangenkuss. "Hey Jürgen.", kräht Ani vom Rücksitz. Papa grinst uns an und weist mich daraufhin, dass ich eine Fahne habe. "Du wirst morgen einen Kater haben. Und ich schwöre dir, du lässt dich nicht krank schreiben.", kichert er. "Ich werde keinen Kater haben!", sage ich siegessicher. "Darüber reden wir morgen nochmal.", er fährt los und auch Anita fängt nun an mit ihm zu diskutieren. Wir sind uns beide sicher, dass wir morgen top fit sind.

Vor Antias Wohnung steige ich aus und verabschiede mich mit einer übertrieben langen Umarmung bei ihr. Wir kichern und ich stolpere zurück ins Auto. Wenig später schlafe ich an der Fensterscheibe vom Auto ein und werde erst wieder in meinem Bett wach. Die Sonne scheint mir viel zu hell ins Gesicht und ich bekomme sofort Kopfschmerzen. Mein Magen krummelt böse und ich gähne übermüdet. Verdammt! Quälend langsam stehe ich auf und trotte ins Bad um mich kalt zu duschen. Meine Einliegerwohnung im Dachgeschoss von Mama's und Papa's Haus ist viel zu aufgeheizt und fördert meinem Kater nicht sonderlich. Ich ziehe mich an und gehe raus. Auf der Terrasse, hinter dem Haus sitzen Mama und Papa und frühstücken gerade mit meinen kleinen Brüdern Marc und Moritz. Marc ist 18 Jahre alt und Moritz 16 Jahre. Marc macht gerade sein Abitur und Moritz seine Mittlere Reife. Danach möchte Marc Lehrer werden und Moritz will Fitnesskaufmann lernen. Keiner von uns ist sonderlich im Fußball spielen gewesen. Papa sagt immer, man kann schließlich nicht alles in die Wiege gelegt bekommen. Wir sind ja schon tolle und wunderschöne Menschen, da kann man ja nicht noch Profifußballer werden.

Ich lasse mich auf meinen Stuhl fallen und grüße murmelnd. "Na, hast du doch einen Kater?", grinst mein Papa übers ganze Gesicht und lässt mich, mit den Augenrollen. Ulla streichelt schmunzelnd meine Wange und schmiert mir dann netterweise mein Brötchen. Nur schwer bekomme ich es runter. "Ich gehe jetzt duschen und fahre dann.", Papa trinkt seinen letzten Schluck Kaffee aus und steht auf. Heute ist der zweite Spieltag der Bundesligasaison 12/13. "Wenn ich dich mitnehmen soll, dann musst du dich beeilen. Dann setze ich dich bei deinem Auto ab.", zeigt Papa auf mich. Ich habe ungefähr seit einem halben Jahr einen Minijob im Stadion. Immer wenn ein Spiel im Westfalenstadion stattfindet, dann arbeite ich für zwei oder drei Stunden dort. Natürlich werde ich dadurch nicht reich. Ich kann mich ziemlich glücklich schätzen, dass Papa mir mein Studium bezahlt. Die "Miete", die ich Mama und Papa zahle, für die Wohnung, ist mein voller Verdienst vom Imbissjob. Je nach Englischen Wochen ist es mal mehr und mal weniger. Meine Freizeitaktivitäten bezahle ich mit kleinen Jobangeboten. Ich biete mich als Babysitter an und meistens sind es reiche Familien hier in der Umgebung, die mich buchen. Ich wollte Ulla und Papa nie zur Last fallen, nur weil ich praktisch noch bei ihnen wohne. Ich musste mit Papa eine lange Diskussion führen, dass er mir nicht mein halbes Leben finanziert. Ich liebe meine beiden Jobs und bleibe damit auf dem Boden. Ich fühle mich normaler, wenn ich einen Minijob oder auch zwei habe. So würde auch nie jemand darauf kommen, dass ich die Klopp bin. Denn die will ich nicht sein. Ich möchte Nele sein.

Ich stehe auf und mache mich Abfahrtbereit. Papa setzt mich beim Club ab und ich hole mein Auto und fahre langsam zum Stadion. Heute ist ein besonderer Spieltag. Heute spielt Schalke gegen Dortmund. Das Stadion wird beben und ich werde soviel Wurst verkaufen, wie sonst in einem Monat. Ich lege mir schon am Auto meine Schürze an und stecke mir mein Namensschild an. Es steht einfach nur Nele drauf. Die Sicherheitskräfte lassen mich rein und ich laufe hoch, zu meinem Imbiss an der Südtribüne. Meine Kollegin Maja ist schon da und schaut von ihrem Handy auf. "Na, Nacht überstanden?", grinst sie. Ich rolle mit den Augen. "Hör bloß auf. Ich habe so Kopfschmerzen.", lache ich. Wir bereiten alles vor und beobachten dann die Mannschaft beim aufwärmen. "Hast du heute ein gutes Gefühl?", überlegt sie laut. Maja ist ein Dortmunder Urgestein und ich weiß ganz genau, was sie meint. "Mh, ich denke Dortmund gewinnt. Wir haben diese Saison einige neue Spieler. Ich denke, dass wird Schalke einschüchtern.", grinse ich. Marco und Mario werden gerade auf dem großen Bildschirm abgebildet. Sie grinsen sich breit an. "Wie den zum Beispiel. Dieser Reus ist doch sehr gut. Und er lebt für Dortmund. Ich denke Kloppo wird ihn heute aufstellen.", überlege ich laut. Ich denke nicht nur, ich weiß es. Innerlich muss ich grinsen. Maja weiß auch nicht, dass ich die Klopp bin. Gut so. Sie hat ein sehr großes Mundwerk. Ich muss breit grinsen. Zum Glück bemerkt sie es nicht. "Meinst du? Ich weiß nicht! Er ist noch so neu in der Mannschaft. Ich glaube nicht, dass er heute in der Startelf steht."
Papa und ich haben uns vorhin noch darüber unterhalten. Wieder muss ich innerlich grinsen. "Glaub mir, ich als Fußballprofi weiß ganz genau, dass Kloppo so schlau ist und Reus aufstellt. Er ist eine Bereicherung für so ein Derbyspiel.", nicke ich ihr vielwissend zu. Maja muss lachen. "Ich wusste gar nicht, dass du ein Fußballprofi bist." "Es wurde mir ins Blut gelegt.", scherze ich weiter. Maja lacht, aber wenn sie wüsste daß es tatsächlich stimmt, dann würde ihr wunderschönes Gesicht im Fett landen, weil sie in Ohnmacht fallen würde.

Glaubst du an die echte Liebe? - Jürgen Klopp, Marco ReusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt