Tor 4

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Marco

Diese Veranstaltung für die Mitarbeiter ist so langweilig. Ich habe mich freiwillig gemeldet, mit dabei zu sein, um den Menschen, um uns herum zu danken, aber in der Zeit hätte ich auch mit meinen Nichten verbringen können oder mit meinen Jungs. Ich stehe von meinem Platz auf und gehe auf den Flur, um die Toilette aufzusuchen. Kurz hinter der Tür hockt eine junge Frau. Sie sieht unglaublich süß aus und mein Herz macht einen Sprung. Eventuell wird es doch noch spannend. "Huch, entschuldige.", sage ich lieb, als ich bemerke, dass ich sie erschreckt habe. Sie wirkt etwas schüchtern und kränklich. Sofort fühle ich mich für sie verantwortlich und lasse gar nicht zu, dass sie mir ausredet, daß ich sie alleine lassen soll. Sie ist ganz blass und ich möchte nicht verantwortlich dafür sein, dass sie keiner bemerkt, weil sie umgekippt ist. Auf ihrem Namensschild steht 'Nele' und ich blicke in ihr Gesicht. Habe ich sie schonmal irgendwo gesehen? War sie eventuell schonmal auf so einer Veranstaltung als Kellnerin aktiv. Wahrscheinlich!

"Ich bin Marco. Und du bist Nele richtig?", versuche ich ein Gespräch anzufangen. "Ja, die bin ich.", nickt sie und fängt nur widerwillig ein Gespräch mit mir an. Endlich ein Mädchen, was mir nicht auf die Pelle rücken möchte. Es ist ziemlich schwierig jemanden zufinden, der sowohl kein aufdringlicher Fan ist, als auch keine Person, die absolut keine Lust auf mich hat. Schließlich gibt es meistens nur diese zwei Sorten von Menschen. Ich hoffe sehr, dass sie keine von beiden ist. Nele trifft genau mein Beuteschema und ich merke, dass in ihrem inneren ein netter Kern steckt. Dafür habe ich einen guten Riecher entwickelt. "Bist du das erste Mal hier?", frage ich dann einfach. "Ja.", hält Nele erneut ihren Satz kurz. "Du möchtest nicht mit mir sprechen oder?", ich schaue ihr tief in die Augen und bin mir sicher, dass sie nur einen schlechten Tag hat. "Ich muss weiter arbeiten!", sie geht meiner Frage aus dem Weg und steht auf. Nele geht zur Tür und dreht sich nochmal um. "Danke, dass du so nett warst und gewartet hast, bis es mir besser ging.", sagt sie und schenkt mir ein kurzes, wunderschönes Lächeln. Dann verschwindet sie im Inneren der Veranstaltung und ich stehe auf. Dieses Lächeln hat sich sofort in meine Seele eingebrannt und ich seufze.

Ich gehe auf Toilette und verbringe dort bis zum Ende der Veranstaltung mit Telefonaten. Zwei Tage später spielen wir auswärts und ich stehe erneut in der Startelf. Kloppo als Trainer zu haben, macht mich soviel stärker. Er gibt einem soviel Selbstvertrauen und unterstützt dich bei deinen Entscheidungen. Es macht richtig Spaß mit ihm zu trainieren. Nele geht mir leider nicht aus dem Kopf und ich wünschte, ich wäre zurück zur Veranstaltung gegangen, dann hätte ich eventuell noch weiter mit ihr reden können.

Ich hüpfe auf und ab und muss etwas über das ausbuhen der Fans grinsen. Es ermutigt mich in meinem Vorhaben nochmal. Wir hauen die heute weg. Als der Schiri anpfeift, passt Nuri zu mir und ich laufe direkt nach vorne. Ich strecke den Ball zu Mario durch und er ballert aufs Tor. Mit einem lauten Knall fliegt der Ball gegen den Pfosten. Verdammt! Das wäre ein heftiger Start gewesen.

In der Halbzeit steht es eins zu eins. In der zweiten Halbzeit strecke ich den Ball erneut zu Mario durch und dieses Mal landet er im Tor. Wir jubeln ausgelassen. 10 Minuten vorm Schluss-Pfiff werde ich fies gefoult und bleibe auf dem Boden liegen, weil mein Knie schmerzend sticht. Der Schiri pfeift ab und für den Bauern gibt es eine gelbe Karte. Dann schaut er mich fragend an und ich nicke. Die Ärzte kommen zu mir und sie tasten mich ab. Gott, tut das weh. Ich schlucke kräftig und ich werde ausgewechselt. "Ach Marco, bleib stark!", klopft mir Klopp auf die Schulter und ich seufze. Ich werde untersucht und muss ins Krankenhaus um ein MRT zu machen.

Mein Meniskus ist gerissen und ich muss operiert werden. Als ich das höre, bin ich sofort deprimiert und kann mein Pech schon wieder nicht begreifen. Das kann echt nicht wahr sein. Die OP findet zwei Tage später statt. Meine Schwester Melanie bleibt bei mir und sitzt auch neben mir, als ich aufwache. Mir geht es schnell wieder besser und die OP verlief gut. So kann ich schon nach drei weiteren Tagen nachhause. Am Spieltag werde ich von meinem Papa abgeholt und wir fahren gemeinsam ins Stadion. Es tut weh meine Jungs auf dem Platz zu sehen. Ich möchte heute auch gegen Stuttgart spielen und nicht hier oben auf dieser blöden Tribüne sitzen. Mein Knie schmerzt etwas und ich möchte am liebsten sauer drauf hauen.

Das Spiel wird angepfiffen und wir starten sehr gut. Schmelle schießt am Anfang ein gutes Tor und die Mannschaft erlangt eine gewisse Selbstsicherheit. In der Halbzeit raffe ich mich auf und will mit meinen Krücken losgehen. "Wo willst du hin? Lass mich doch gehen!", sagt Papa. "Nein, danke. Ich kann es alleine.", ich will mir nur eine Wurst holen. Ich humple rüber zum VIP Buffet und stelle mich zum Grill. Die Frau, die grillt, steht mit dem Rücken zu mir und macht gerade neue Pommes in die Fritteuse. Als sie sich umdreht, traue meinen Augen kaum, als ich Nele erblicke. "Marco?", schaut auch sie überrascht. Heute wirkt sie viel entspannter und strahlt richtig. Sie hat wieder dieses wunderschöne Lächeln auf den Lippen. "Schön dich wieder zu sehen.", grinst sie. "Wo ist Josi? Ist sie krank?", frage ich überrascht, dass Nele hier arbeitet. Josi ist eine alte Frau, die schon vor 10 Jahren hier gearbeitet hat. "Ja, ihrem Mann geht es nicht so gut. Sie pflegt ihn erstmal daheim.", schaut sie besorgt. "Du arbeitest also schon länger hier, wenn du sie kennst?", frage ich neugierig weiter. "Naja, seit ungefähr einem halben Jahr.", zuckt sie mit den Schultern. "Was möchtest du haben?", fragt sie dann. Hinter mir steht nun schon der nächste Kunde. Es ist ein Fan und ich mache gerne ein Foto mit ihm. Nett bedankt er sich. "Zwei Currywürste bitte.", sage ich und denke dabei an Papa. "Und du?", fragt Nele nun den Jungen hinter mir. "Drei Currywürste.", lächelt er freundlich. "Arbeitest du nebenbei hier?", muss ich einfach weiterfragen. "Ja, ich studiere Sportwissenschaft.", lächelt sie. Nele ist heute komplett anders als letztes Mal.

Glaubst du an die echte Liebe? - Jürgen Klopp, Marco ReusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt