Kapitel 21:
Die Zeit mit Yvonne verging wie im Flug. Die Tage schienen an Steff vorbeizuziehen und gleichzeitig genoss sie jede einzelne Sekunde. Es war, als wäre Yvonne schon unheimlich lange ein fester Teil ihres Lebens gewesen, jeder Moment mit ihr fühlte sich so natürlich an, so vertraut – und trotzdem wie ein neues, aufregendes Abenteuer. Nach dem emotionalen Abend mit den Jungs im Probenraum hatte Yvonne die drei eingeladen, ihnen doch mal beim Training einen Besuch abzustatten, um sich noch mal richtig kennenzulernen. Es hatte sich herausgestellt, dass Yvonne, wenn sie sich nicht gerade eine Bettdecke über den Kopf gezogen hatte und am liebsten im Boden versinken wollte, einfach perfekt in ihre chaotische Truppe passte. Sie hatte sich sofort mit Nowi in einer Diskussion darüber verloren, inwieweit man Emotionen durch Tanz genau so vermitteln konnte wie durch die Musik. Im Anschluss daran, hatte sie versucht ihm und Hannes einige Grundschritte der klassischen Standardtänze zu zeigen. Das Ganze war kläglich gescheitert, aber Steff hatte vor Lachen fast auf dem Boden gelegen, als die Jungs sich wieder und wieder auf die Füße getreten waren und Thomas schließlich mit vollkommen ausdrucklosem Gesicht in perfekter Llambi Manier verkündet hatte, dass für ihre Darbietung eigentlich negative Punkte erfunden werden müssten. Als die Zwei ihn schließlich dazu aufgefordert hatten, selber Mal das Tanzbein zu schwingen, statt immer nur blöde Sprüche zu klopfen, hatte sie alle nicht schlecht gestaunt, als Thomas sich Yvonne geschnappt hatte und einen fast perfekten Walzer zu Stande gebracht hatte. Er hatte nur etwas verlegen mit den Schultern gezuckt und etwas davon gemurmelt, dass seine Großmutter ihn früher zu Tanzstunden gezwungen hatte, aber Steff hatte sich sofort eine mentale Notiz gemacht, für den Fall, dass sie jemals einen männlichen Tanzpartner brauchen sollte, definitiv auf ihren Gitarristen zurückzugreifen. Im Anschluss an das gemeinsame Training waren sie noch etwas Trinken gegangen. Die Jungs hatten Yvonne einen Drink nach dem Anderen ausgegeben, und Steff hatte gewusst, dass das so etwas wie eine Art letzte Prüfung gewesen war. Natürlich stand es für die Jungs an oberster Stelle, dass Steff glücklich war – aber, um bei ihnen richtig Eindruck zu schinden, musste man vor allem Eins sein: Trinkfest. Doch Yvonne hatte auch diesen Test mit Bravour bestanden und sich schließlich sogar davon überzeugen lassen, gemeinsam mit Nowi auf die Karaoke Bühne der Bar zu klettern und mit ihm einige Songs zu schmettern. Es war das erste Mal gewesen, dass Steff Yvonne singen gehört hatte. Sie hatte zwar gewusst, dass die Tänzerin auch eine Gesangsausbildung hatte, doch sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie tatsächlich so eine gute Stimme haben würde. Es war fast, als würde sie sich nicht nur in die Tänzerin, sondern zusätzlich auch noch in ihre Stimme verlieben. Steff war völlig überfordert gewesen, von dem Schwall an Emotionen, der da auf sie eingeprasselt war. Wie Yvonne dagestanden hatte, sich sanft im Takt der Musik gewogen und ihren Blick fest auf Steff gerichtet hatte, während sie „Alles mit dem Mund" von den Prinzen zum Besten gegeben hatte, hatte Steffs emotionale Gedanken dann sehr schnell in eine andere Richtung gelenkt. Sie hatte es plötzlich sehr eilig gehabt, die Bar zu verlassen, hatte den Jungs gegenüber nur eine schnelle Ausrede gemurmelt, Yvonne bei der Hand gepackt und dann unter den amüsierten Blicken der anderen Anwesenden das Gebäude verlassen. Sie hatten es kaum bis in ihre Wohnung geschafft, bis Steff Yvonne ganz genau gezeigt hatte, dass auch sie am liebsten alles mit dem Mund machte (ohje ich gehe mich verbrennen) und schließlich waren Beide erschöpft in ihre Kissen gesunken. Steff war mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht eingeschlafen und wieder hatte ihre Emotionalität sie eingeholt. Für sie war es alles andere als selbstverständlich, dass Yvonne sich so gut mit ihren Jungs verstand und genau zu wissen schien, was für eine große Rolle die Drei in ihrem Leben spielten. Zu oft waren ihre Beziehungen in der Vergangenheit an genau diesem Punkt gescheitert. Zu oft hatten ihre Partner nicht mit dem innigen Verhältnis zwischen ihr und der Band umgehen können, waren eifersüchtig geworden und hatten Steff die wildesten Vorwürfe an den Kopf geknallt. Mit Yvonne war das anders. Sie schien zu verstehen, dass die Jungs Steff die Stabilität im Leben gaben, die sie nach außen hin so unheimlich selbstsicher und stark wirken ließ – und hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sehr auch nur der Gedanke daran, sie zu verlieren, Steff den Boden unter den Füßen wegzureißen schien – und wenn Steff ehrlich war, schien sich auch Yvonne mehr und mehr zu einer solchen Konstanten in ihrem Leben zu entwickeln. Es gab abgesehen von den Jungs kaum jemanden, bei dem es ihr so leicht viel sich zu öffnen. Jeder Tag den die Beiden miteinander verbrachten, schien sie ein kleines Stückchen näher zusammenzuschweißen. So war es für niemanden eine wirkliche Überraschung gewesen, dass die zwei auch in der Folgenden Show wieder eine unfassbar gute Leistung abgeliefert hatten. Es hatte sich allerdings für die Beiden herausgestellt, dass es nun für sie neben dem Tanzen noch eine zusätzliche Herausforderung gab: Trotz der dauerhaften Nähe zueinander, vor laufender Kamera die Hände voneinander zu lassen. Für Steff war es schon so sehr zur Selbstverständlichkeit geworden, Körperkontakt zu Yvonne zu suchen wann immer es ging, ihre Hand wie selbstverständlich in ihre gleiten zu lassen, ihr locker einen Arm um die Hüfte zu legen, so dass ihr die Umstellung unter der konstanten Beobachtung der Kameras sichtlich schwergefallen war. Auch Yvonne hatte sehr mit sich zu kämpfen gehabt. Nachdem die beiden für ihren Cha-Cha-Cha 29 Punkte erhalten hatten, war sie ihr vor Freude in dem Arm gefallen. Von außen betrachtet, hatte es wohl ausgesehen, als hätten die Beiden inzwischen eine sehr innige Freundschaft entwickelt, doch Steff hatte Yvonne angemerkt, dass es sie ihre ganze Selbstbeherrschung gekostet hatte, sich nicht für einen kurzen Moment aus der Umarmung zu lösen und ihre Lippen stattdessen auf die von Steff zu pressen. Als die Beiden schließlich nach der Urteilsverkündung ein wenig zu spät und ein wenig außer Atem wieder hinter der Bühne hergekommen waren und sich auf ihre Plätze gesetzt hatten, hatte Steff es gerade noch geschafft, unauffällig die Spuren ihres dunkelroten Lippenstiftes von Yvonnes Hals zu wischen, während die Tänzerin sich durch die Haare gefahren war, um das Chaos, was Steffs Hände dort angerichtet hatten, irgendwie zu beseitigen. Wenn sie im Nachhinein drüber nachdachte, hätte Steff klar sein müssen, dass Alles vielleicht ein klein wenig zu gut lief. Ihr hätte klar sein müssen, dass das nicht mehr lange gut gehen konnte. Als Steff an diesem Morgen die Augenaufschlug und ihr Blick durch ihr Schlafzimmer Fenster auf den wolkenverhangenen Himmel fiel, zog sie sich murrend die Decke über den Kopf und debattierte für einen Moment mit sich selber, ob sie den Tag nicht einfach gemeinsam im Bett verbringen könnte. Doch als sie schließlich unter der Decke hervorlugte, und ihr Blick auf den leeren Platz neben ihr fiel, erinnerte sie sich daran, dass Yvonne heute schon in aller Frühe die Wohnung verlassen hatte, um sich im Tanzstudio mit den anderen Profitänzern zu treffen. Steff selbst musste gegen Mittag ebenfalls zum Training. Ein Tag im Bett stand somit außer Frage. Sie seufzte schwer und rang sich schließlich dazu durch, die Beine aus dem Bett zu schwingen und barfuß in die Küche zu tapsen. Noch immer im Halbschlaf setzte sie eine Kanne Kaffee auf, und als sie gerade dabei war, das Getränk in eine Tasse zu füllen, stahl sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen, als ihr Blick auf eine kleine Notiz auf dem Küchentisch fiel. „Bis Nachher. – Yve." Neben der krakligen Schrift prangte ein roter Kussmund. Steffs Lächeln wurde breiter. Notizen wie diese waren zu einer Art Running Gag zwischen den Beiden geworden und auch dieses Mal wanderten Steffs Gedanken sofort zurück zu der ersten Nacht, die sie gemeinsam mit Yvonne verbracht hatte und dem Kussmund, den sie als Zeichen für die Tänzerin hinterlassen hatte. Ihre hitzigen Erinnerungen wurden jedoch viel zu schnell von einem anderen heißen Gefühl überspielt – dem Gefühl des kochenden Kaffees, der aus der inzwischen viel zu vollen Kaffeetasse über ihre Hand floss. „Verdammte Scheiße." Steff schrie laut auf und verschüttete, während sie in einer äußerst uneleganten Bewegung versuchte ihre Hand wegzuziehen, eine gesunde Portion des Kaffees über ihrem weißen Shirt. Von diesem Moment an ging es mit dem Tag nur noch weiter bergab. Während Steffs Kaffee Aktion war ihr Handy auf den Boden gefallen und als sie es seufzend vom Boden aufhob, entdeckte sie, dass nun ein breiter Riss den Bildschirm zierte. Zu allem Überfluss schien auch ihr warmes Wasser nicht richtig zu funktionieren und als sie nach einer kalten Dusche schließlich in ihr Auto stieg, kostete sie es geschlagene drei Versuche, bis der Motor endlich ansprang. So kam sie letztendlich völlig genervt und ein wenig zu spät im Tanzstudio an. Sie konnte es kaum erwarten, endlich von Yvonne und dem Tanzen auf andere Gedanken gebracht zu werden, doch als ihr Blick auf die brünette Tänzerin fiel, die wie immer bereits auf sie wartete, wusste sie sofort, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Sie lächelte ihr zwar zur Begrüßung zu, doch ihr Lächeln erreichte nicht ganz ihre Augen und generell wirkte ihre ganze Körperhaltung irgendwie steif, so als würde sie sich in ihrer Situation unwohl fühlen. Sofort kamen in Steff Erinnerungen an ihre ersten Treffen in diesem Raum hoch. Sie lief mit einem mulmigen Gefühl im Magen auf Yvonne zu. „Yve? Alles okay?" Yvonne lächelte noch immer gezwungen, als sie nickte. „Ja, alles gut. Warum fragst du?" Steff verringerte den Abstand zwischen ihnen noch etwas und legte ihr eine Hand auf den Arm. Yvonne schien fast ein wenig vor ihr zurückzuweichen. Steffs Stimme wurde eindringlicher. „Yvonne, verarschen kann ich mich alleine. Du benimmst dich komisch. Ist irgendwas passiert?" Yvonne schien noch für einen kurzen Moment mit sich zu ringen, dann seufzte sie resigniert auf. „Es ist nur... ich habe mich doch vorhin mit den anderen Tänzern für die Planung getroffen. Sie haben die ganze Zeit so Andeutungen gemacht." Steff wusste bereits, was als nächstes kommen würde und ihre Befürchtungen bestätigten sich, als Yvonne mit unsicherer Stimme weitersprach. „...Andeutungen über uns. Nicht darüber, dass sie denken, dass zwischen uns irgendwas läuft... Aber die Zuschauer. Sie sagen wir sind das Traumpaar Nummer Eins online. Ich habe das Ganze nicht weiter kommentiert, habe nur gelacht und dann versucht das Thema zu wechseln, aber als wir dann kurz Pause gemacht haben, hat doch die Neugierde gesiegt." Sie dreht sich um und kramte ihr Handy aus ihrer Tasche. Nachdem sie das Gerät entsperrt hatte, reichte sie es Steff, die zögerlich begann, durch die Screenshots auf dem Display zu scrollen. „Steff, es ist überall." Yvonnes Stimme klang fast ein wenig panisch und als Steff die Screenshots genauer betrachtete, begann sie zu verstehen, woher diese Panik rührte. Kommentar über Kommentar von Fans, die darüber spekulierten, wann die Beiden ihre Beziehung öffentlich machen würden, diverse Fotos aus der Show, die die Beiden in vermeintlich unbeobachteten Momenten zeigten, Steff, die Yvonne eine Haarsträhne hinter die Ohren strich, Yvonne die ihre Hand vielleicht einige Zentimeter zu tief auf Steffs Rücken platziert hatte. Zu allem Überfluss schienen nicht nur die Zuschauer ihre eigenen Theorien zu entwickelt, auch die ersten Klatschmagazine hatten von den Gerüchten Wind bekommen. Steff scrollte durch verschiedene Beiträge ominöser Online Portale, für die eine mögliche Liebesbeziehung zwischen den Beiden natürlich gefundenes Fressen war. Sie konnte verstehen, warum Yvonne das Ganze verunsicherte, auch wenn sie selber nicht viel auf solche Gerüchte gab. Als sie ihren Blick schließlich vom Handy losreißen konnte, zuckte Yvonne nur ein wenig resigniert mit den Schultern. „Naja, was soll man machen." Diese Aussage überraschte Steff dann doch. Alles in Yvonnes Auftreten strahlte das genaue Gegenteil von der Gleichgültigkeit aus, die sie Steff hier gerade präsentieren wollte. „Du sagst also, das ist okay für dich?" Wieder dieser merkwürdige Ausdruck auf Yvonnes Gesicht, der Steff deutlich machte, dass es alles andere als okay für sie war. Wieder Yvonnes Worte, die das genaue Gegenteil deutlich machen wollten. „Ist nicht so, dass wir irgendwas dagegen machen können. Wenn wir auf die Gerüchte eingehen, versuchen sie zu dementieren, heizen wir das Alles nur noch weiter an." Steff nickte. Yvonne hatte einen Punkt. Zwar war sie sich sicher, dass die Tänzerin noch mehr an der ganzen Geschichte zu knabbern hatte, als sie es hier gerade durchblicken ließ, aber für den Moment beschloss Steff es auf sich beruhen zu lassen. Yvonne würde eh nur weiter abblocken. Also wechselte sie das Thema und lenkte es auf etwas, das Yvonne hoffentlich aus ihren Gedanken reißen würde. „Also, wir tanzen heute den Paso Doble, richtig?" Dann wackelte sie mit den Augenbrauen. „Das heißt ich darf mich jetzt in einen heißen, spanischen Stiertänzer verwandeln?" Doch Yvonne rollte nur mit den Augen. „Bevor du dich hier in irgendwas verwandelst, musst du erstmal die Schritte in deinen Kopf bekommen." Sie begann ohne ein weiteres Wort damit, Steff die Schritte zu erklären. Nun gut, soviel zu dem Versuch die Stimmung zu heben. Yvonne war während des ganzen Trainings unheimlich gereizt, von ihrer geduldigen Art war weit und breit nichts zu sehen. Es kostete Steff eine Unmenge an Energie, die bissigen Kommentare von Yvonne herunterzuschlucken, während ihre eigene Stimmung weiter und weiter in den Keller wanderte. Sie wusste, dass das Ganze sonst in einem handfesten Streit ausarten würde – und dazu reichte ihre Energie heute definitiv nicht mehr. Normalerweise verging jedes Training wie im Flug, doch heute zog es sich für Steff bis ins Unermessliche in die Länge. Als Yvonne schließlich endlich die Musik abdrehte, schien durch das Tanzen zumindest ein Teil ihrer Anspannung von ihr abgefallen zu sein. Steff nutzte die Gelegenheit und lief erneut auf die Tänzerin zu. „Hey." Sie griff nach Yvonnes Hand und drückte sie leicht. „Ich weiß, es fällt dir nicht leicht und das ist okay." Yvonne erwiderte zwar den Druck ihrer Hand, doch wirkte noch immer nicht mit sich selbst im Reinen. Steff lächelte ihr aufmunternd zu. „Wir müssen einfach ein wenig vorsichtiger sein, dann werden die Leute ganz schnell über irgendetwas Anderes nachdenken." Dann trat sie einen Schritt näher, beugte sich vor und flüsterte Yvonne mit leiser Stimme ins Ohr. „Schläfst du heute wieder bei mir? Ich bin mir sicher, ich habe ganz gute Mittel, um dich auf andere Gedanken zu bringen." Doch Yvonne trat nur vorsichtig einen Schritt zu Rück und in ihren Augen lag ein Ausdruck ehrlichen Bedauerns. „Würde ich gerne, aber ich habe heute leider keine Zeit. Tut mir leid." Wie zur Entschuldigung presste sie Steff einen schnellen Kuss auf die Wange, das höchste der Gefühle, die sich Yvonne in der Öffentlichkeit zu zeigen traute. „Alles gut.", murmelte Steff, obwohl sie wusste, dass Alles, alles andere als gut war. Dieses Mal war es ihr Lächeln, was nicht ganz ihre Augen erreichte, als sie sich von Yvonne verabschiedete. Später wälzte sie sich unruhig im Bett hin und her. Sie hatte sich schon viel zu sehr an Yvonnes warmen Körper neben ihr gewöhnt, dass jetzt irgendwas zu fehlen schien. Seit dem Abend, an dem sie den verhängnisvollen Contemporary getanzt hatten, war dies die erste Nacht, die die Zwei getrennt voneinander verbrachten und aus irgendeinem Grund hatte Steff das Gefühl, dass noch einige weitere folgen würden.
DU LIEST GERADE
Let's Dance (Your Way into my Heart)
RomanceCatterkloß AU - Yvonne ist Profitänzerin bei Let's Dance und Steff wird in der neuen Staffel ihre Tanzpartnerin.