Steff bewegte sich zielsicher durch die ihr inzwischen vertrauten Gänge des Tanzstudios. Ihre Beine schmerzen tatsächlich ziemlich vom gestrigen Training, doch Steff biss die Zähne zusammen und hatte sich fest vorgenommen, sich nichts anmerken zu lassen. Diese Genugtuung wollte sie Yvonne nicht geben. Sie wusste, dass sie sie am ersten Tag testen wollte, herausfinden wollte wie Steff und Stress und Belastung reagierte, sie hatte ihren Kopf ausgeschaltet und einfach fast schon mechanisch die Anweisungen der Tänzerin befolgt. Mehr als ein anerkennendes Nicken hatte sie Yvonne trotzdem nicht entlocken können, aber dass war genug, um ihrem Selbstbewusstsein den nötigen Schub zu geben. Abgesehen von Yvonne's Trainingstechniken und ihrem Ehrgeiz, dass beste aus Steff herauszuholen, war die Brünette ihr allerdings ein absolutes Rätsel. Steff war eigentlich unheimlich gut darin Menschen einzuschätzen, durchblickte ihre Charaktere schnell und erkannte leicht Gründe für Konflikte und Spannungen. Doch aus Yvonne wurde sie einfach nicht schlau. Sie hatte gedacht, dass sie bei der Eröffnungsshow bloß einen schlechten Tag hatte, oder einfach eine unheimlich verschlossene Person war, die ihre Zeit brauchte, sich Anderen gegenüber zu öffnen. Sie war sich sicher gewesen, dass sie und Yvonne nur etwas Zeit brauchen würden und dann zu einem eingespielten Team werden würden. Mit genau dieser Einstellung war sie gestern zum ersten Training gekommen – und dann hatte Yvonne ihre positiven Gedanken förmlich in der Luft zerrissen. Sie war von Yvonne's Worten völlig überrumpelt gewesen. Die Kälte in ihrer Stimme hatte sie beinahe zusammenzucken lassen und der Inhalt ihrer Botschaft fühlte sich ein wie ein Schlag ins Gesicht. Es war offensichtlich, dass Yvonne sie am liebsten gegen einen anderen Tanzpartner austauschen wollte und Steff verstand beim besten Willen nicht, was sie ihr getan hatte. Im Verlaufe des Trainings war ihr dann allmählich klar geworden, dass es Yvonne vermutlich gar nicht darum ging, was Steff ihr persönlich getan hatte, sondern darum wofür sie stand und sich einsetzte. Steff war nicht dumm – und sie hatte sich nicht erst gestern geoutet. Wenn jemand ein Problem mit ihrer Sexualität hatte, mit der Tatsache, dass sie auch auf Frauen stand, dann gab es dafür meist immer dieselben Anzeichen. Anzeichen, die sie fast alle an Yvonne beobachten konnte. Sie war stets darauf bedacht, bloß nicht zu dicht an Steff heranzukommen, wie als ob sie sich beim kleinsten Körperkontakt direkt in ein Tier verwandeln würde, dass ihr die Kleidung vom Leib reißen würde. Sie konnte Steff nicht in die Augen blicken, so als ob darin ein Film ablaufen würde, in dem sie einer Frau gerade die Zunge in den Hals schieben würde. Sie vermied das Thema von Steff's Sexualität vollständig, und sobald Steff selbst auch nur die Tatsache zur Sprache gebracht hatte, ob sie als Frauenpaar beim Langsamen Walzer irgendetwas beachten mussten, war Yvonne nur rot geworden und hatte das Thema gewechselt. Nach ihren Erkenntnissen hatte Steff es sich nicht nehmen lassen, am Ende einen zweideutigen Kommentar in ihre Richtung abzugeben. Das war das mindeste, was Yvonne sich nach dem unfassbar harten Training verdient hatte. Ihre Reaktion war fast noch besser ausgefallen, als Steff es sich erhofft hatte. Nun hatte Steff es sich zur Aufgabe gemacht, herauszufinden, woher Yvonne's Unbehagen kam. Sie machte sich keine Illusionen, sie wusste, dass sie niemanden von jetzt auf gleich bekehren konnte. Doch sie hoffte, dass sie so zumindest ein bisschen mehr Verständnis für Yvonne entwickeln konnte und die beiden es schaffen würden, die Zeit bei Let's Dance ohne größere Konflikte zu überstehen. Als Steff bereits vor der Tür zum Studio stand, warf sie einen letzten Blick auf ihr Handy und stellte überrascht fest, dass sie viel zu früh war. Sie zuckte die Schultern und beschloss, einfach im Studio auf Yvonne zu warten und währenddessen nochmal die Tanzschritte von gestern zu wiederholen. Doch als sie die Tür langsam aufstieß, blieb sie wie angewurzelt im Türrahmen stehen. Sie war nicht alleine im Studio. Yvonne war heute die Erste hier. Sie schien Steff nicht zu bemerken und war völlig in die Musik und ihren Tanz vertieft. Steff beobachtet sie mit großen Augen. Sie trug das gleiche Outfit wie gestern, hatte jedoch ihr Shirt so hochgekrempelt, dass ihr Bauch frei lag. Unweigerlich ließ Steff ihren Blick über den Körper der Tänzerin gleiten. Ihren flachen Bauch, die muskulösen Arme, die sich im Takt der Musik auf und ab bewegten und ihre unfassbar langen Finger. Jetzt verstand Steff definitiv, was Yvonne mit Fingerstreckung gemeint hatte. Sie schüttelte leicht den Kopf, um sich selbst davon abzuhalten, ihre Gedanken in eine definitiv nicht jugendfreie Richtung wandern zu lassen. Nein, sie würde nicht bereits am zweiten Trainingstag jedes noch so abgenutzte Klischee erfüllen und anfangen, über Yvonne's Finger zu fantasieren. Stattdessen fokussierte sie sich wieder auf die gezielten und doch federleichten Bewegungen, mit denen die Brünette sich durch das Tanzstudio bewegte. Sie hatte ihre Augen geschlossen und schien sich völlig der Musik hinzugeben. Ihre Schritte waren leicht und ausdrucksstark, ihre Haltung strahlte eine unfassbare Stärke und Eleganz aus. Steff schluckte. Was auch immer sie über Yvonne dachte, sie musste zugeben, dass sie unfassbar gut tanzte, sie mit ihren Bewegungen wirklich berührte und eine Geschichte zu erzählen schien. Sie fühlte sich auf dem Tanzparkett vermutlich ebenso zu Hause, wie Steff auf der großen Konzertbühne, umgeben von einem riesigen Publikum. Als die Musik schließlich langsamer wurde, stoppte auch Yvonne ihren Tanz. Noch immer hatte sie Steff den Rücken zugekehrt, und die Sängerin räusperte sich laut, um sie nicht zu erschrecken. Yvonne drehte sich zur Tür und als sie Steff erblickte lief sie sofort rot an und krempelte in unwahrscheinlich schneller Geschwindigkeit ihr Shirt herunter. Steff musste sich ein spöttisches Auflachen verkneifen. Da waren sie wieder, diese Anzeichen, die es Steff so unfassbar schwer machten, ihr gegenüber freundlich zu bleiben. „Stefanie du bist zu früh." Steff zog nur eine Augenbraue hoch. „Ich kann auch wieder gehen, wenn du Angst hast ich schau dir irgendwas weg." Yvonne schüttelte den Kopf, doch der Ausdruck auf ihrem Gesicht machte deutlich, dass das genau ihr Gedankengang gewesen war. „Nein alles gut. Je früher wir anfangen, um so früher sind wir hier fertig." Wow. Wieder musste Steff sich auf die Zunge beißen, um sich einen bissigen Kommentar zu verkneifen. Stattdessen warf sie ihre Sporttasche in die Ecke und trat dann in die Mitte des Studios. „Na dann mal los. Du meintest wir tanzen den langsamen Walzer heute zusammen, oder?" Yvonne stand noch immer in einer Ecke des Raumes und schien nicht wirklich zu wissen, wie sie weitermachen sollte. Schließlich bewegte sie sich mit unsicheren Schritten auf Steff zu und blieb einige Meter vor ihr stehen. Wieder breitete sich eine unangenehme Stille zwischen den beiden aus. Steff hatte genug, sie lief mit erhobenem Kopf auf Yvonne zu. „Ich bin ja jetzt echt kein Profi, aber ich glaube mit drei Meter Abstand wird der Walzer ziemlich schwierig." Als sie beobachtete, wie Yvonne fast schon instinktiv einen Schritt vor ihr zurückwich, gab ihr das den Rest. Es war als würde alles, was sie versucht hatte über die letzten Tage herunterzuschlucken, plötzlich an die Oberfläche kommen. „Sag mal kannst du mir mal erklären, was eigentlich dein verdammtes Problem ist?" Sie war selber ein wenig erschrocken darüber, wie laut ihre Stimme durch das Tanzstudio hallte. „Was genau habe ich dir getan? Pass auf, ich erwarte nicht von dir, dass du mir vor laufender Kamera um den Hals fällst oder dir eine große Pride Flagge auf die Stirn tätowieren lässt, aber wir stecken gemeinsam in dieser Situation und so wie du hier gerade damit umgehst, ist das einfach unterste Schublade." Sie sah, wie Yvonne den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, doch ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. „Ich komme inzwischen echt damit klar, wenn Leute meine Sexualität nicht akzeptieren, aber du setzt dem ganzen hier gerade echt die Krone auf. Verdammt, nur weil ich auf Frauen stehe, heißt das nicht, dass ich dich gleich in die nächste Ecke zerre und dir meine Zunge in den Hals schiebe. Mit einem heterosexuellen Mann hättest du doch genau so ohne diese beschissenen Vorurteile getanzt. Und überhaupt bis du so überhaupt gar nicht mein Typ." Der letzte Satz war eine glatte Lüge, das wusste Steff besser als jeder andere, und die vielsagenden Blicke ihrer Jungs nach der Show, hatten ihr das nur nochmal vor Augen geführt. Aber das tat jetzt überhaupt nichts zur Sache. Wichtig war, dass Yvonne endlich verstand, dass das zwischen ihnen Beiden irgendwie funktionieren musste. Sie blickte Yvonne schwer atmend an und dann tat die brünette Tänzerin etwas, womit Steff beim besten Willen nicht gerechnet hatte. Sie hob ihren Kopf und blickte Steff zum ersten Mal direkt in die Augen. „Du hast recht. Es tut mir leid." Sie schien für einen Moment zu überlegen, ob sie sich Steff gegenüber irgendwie erklären sollte, kam dann aber anscheinend zu dem Entschluss, dass jeder Rechtfertigungsversuch nur zu noch mehr Diskussionen führen würde. Stattdessen trat sie mit erstaunlicher Sicherheit näher an Steff und griff nach ihrer Hand. Steff blickte sie erstaunt an. „Lass uns jetzt einfach mit dem Tanzen anfangen und die ersten paar Minuten vergessen. Wir tanzen immer noch den langsamen Walzer. Ich tanze die Rolle des Mannes, das heißt ich werde dich führen." Yvonne's Blick fiel auf ihre Hand, die Steff's Handgelenk umschlossen hatte. Sie schien kurz mit sich zu ringen, ließ dann aber ihre Hand in die von Steff gleiten, verschränkte ihre Finger miteinander und streckte dann ihren Arm aus. „Leg deine andere Hand auf meinen Oberarm und erschreck dich nicht, wenn ich meine gleich auf dein Schulterblatt lege." Steff folgte ihre Anweisungen und schluckte kurz, als sie bemerkte, wie nah sie die Tanzhaltung zueinander gebracht hatte. Sie konnte einige Schweißperlen auf Yvonne's Stirn glitzern sehen und fühlte, wie schwer ihr Atem ging. Ihr Blick fiel auf Yvonne's strahlend blaue Augen und sie konnte ihren Blick nicht mehr von ihnen lösen. Ein leichter Schauer lief ihr über den Rücken. Yvonne räusperte sich leise. Ihre Stimme klang etwas belegt. „Du darfst mir nicht in die Augen schauen, dreh deinen Kopf nach rechts und versuch ihn die ganze Zeit so zu halten." Dann merkte Steff wie sich Yvonne's Hand warm auf ihr Schulterblatt legte und sie mit sanftem Druck einen Schritt nach vorne zog. Es dauerte einen kurzen Moment, aber schließlich konnte Steff sich an die Tanzschritte des gestrigen Tages erinnern. Sie bewegte sich zunächst zögerlich, aber dann fiel es ihr immer leichter, sich an Yvonne zu orientieren. Die Tänzerin führte sie sicher durch den Saal. Steff merkte, dass sie noch immer angespannt war. Ihre Finger in ihrer Hand waren kalt und verkrampft und ihr Atem ging zögerlich. Aber zum ersten Mal hatte sie das Gefühl mit Yvonne einen Schritt weiter gekommen zu sein. Vielleicht gab es doch noch Hoffnung, dass ihre gemeinsame Zeit keine totale Katastrophe werden würde.
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Let's Dance (Your Way into my Heart)
RomansaCatterkloß AU - Yvonne ist Profitänzerin bei Let's Dance und Steff wird in der neuen Staffel ihre Tanzpartnerin.