17. Leben, die es zu beschützen gilt

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POV: Clary

Nachdem wir uns gestärkt hatten und Alec sich noch etwas ausgeruht hatte, brachen wir in Richtung Elbenkönigin auf. 

Seit wir vor einem Tag angekommen waren, hatte sich die Karte bereits vier Mal verändert, was bedeutete, dass sich auch das Elbenreich genau sooft verändert hatte. Ich würde Catherina niemals genug dafür danken können, dass sie uns diese Karte gegeben hatte. Ohne sie wären wir verloren gewesen.

Wir wanderten gerade durch einen Wald, wo es zum Glück angenehm kühl war. In der Sonne war es kaum auszuhalten. Die Bäume des Waldes, in dem wir uns befanden, standen so dicht aneinander, dass man den Himmel nur hin und wieder zwischen einzelnen Blättern hindurch erkennen konnte. Dadurch war es auch dementsprechend dunkel, doch die Elbenlichtsteine in unseren Händen erleuchteten mit Leichtigkeit unsere Umgebung, auch wenn wir uns durch die Bäume schlängeln mussten, da wir bis dahin noch keinenWeg, der durch den Wald führte, gefunden hatten.

Seit dem Vorfall von gestern Abend war Alec nichts mehr passiert, was bedeutete, dass auch Jace seit gestern nicht mehr Schmerzen zugefügt worden waren. Das beruhigte mich zwar etwas, doch ich wusste, dass es jeden Moment wiederpassieren konnte. Dieses Wissen ließ meinen Magen ganz flau werden. Diese Übelkeit hielt nun schon seit dem Tag an, an dem wir hierangekommen waren, doch ich versuchte, mir so gut wie möglich nichts anmerken zu lassen.

Außerdem ließ mich noch eine Sache nicht mehr los: seit dem Gespräch mit Magnus, welches von Simon unterbrochen wurde, hatte ich keine Gelegenheit mehr, mich mit Magnus zu unterhalten und ihn zu fragen, was er mich fragen wollte. Er bedachte mich zwar immer wieder mit einem besorgten Blick, doch er machte keine Anstalten, mit mir zu reden.

Wir schlängelten uns gerade durch eng nebeneinander stehende Bäume, als Simon einen Weg entdeckte und uns darauf hinwies. Magnus betrachtete kurz die Karte, dann nickte er und ging auf den Weg zu. Wir folgten ihm.

„Wenn wir diesem Weg folgen, müssten wir direkt zum Hof der Elbenkönigin kommen. Natürlich nur, falls der Weg sich nicht mit dem Rest des Reiches verändert.", meinte er, als wir alle auf dem Weg standen.

„Wie lange schätzt du, dauert es, bis wir dort sind?", fragte Alec und nahm mir damit die Worte aus dem Mund.

„Ungefähr einen Tag, schätze ich. Jedoch länger, wenn wieder so etwas wie gestern passiert.", antwortete Magnus, wobei er beim letzten Satz Alec besorgt musterte.

„Je schneller wir bei ihm sind, desto schneller hört das ganze auf. Lasst mich einfach zurück, wenn sich das von gestern wiederholt.", sagte Alec entschlossen.

Ich sah ihn an. Ich bewunderte ihn für diese Art der Selbstaufopferung. Das war etwas, was ich schon immer an ihm bewundert hatte. Er würde für seinen Parabatai durch die Hölle und wieder zurück gehen und das Gleiche würde auch Jace für ihn tun. Diese Art, sich auf jemanden verlassen zu können, muss unfassbar schön sein.

„Das kommt gar nicht in Frage, Alexander.", stieß Magnus hervor und man konnte seine Besorgnis und Wut förmlich greifen. „Wir lassen dich ganz bestimmt nicht zurück."

Alec seufzte und wandte sich in die Richtung, in die wir gehen mussten. Dann ging er einfach los und ließ uns stehen. Magnus eilte ihm nach und die beiden fingen an, zu diskutieren. Einerseits konnte ich Magnus verstehen, aber andererseits konnte ich auch Alec verstehen. Beide wollten nur ihre Lieben beschützen. Kurz darauf holte auch Izzy zu den beiden auf und diskutierte mit. Ich wusste, dass sie auf Magnus Seite sein würde, da ich sie gut kannte und wusste, dass auch sie Alec nie alleine zurücklassen würde.

Ich und Simon gingen mit etwas Abstand hinter den anderen her. Einige Zeit lang liefen wir einfach nur schweigend nebeneinander her und keiner sagte etwas. Es war keine unangenehme Stille. Es war einfach nur so, dass keiner von uns beiden wirklich wusste, was wir sagen sollten. Normalerweise würde Simon in so einer Situation einen Witz bringen, doch das war gerade mehr als nur unpassend.

Irgendwann brach er dann doch die Stille.

„Dir geht es nicht gut.", stellte er fest.

Ich schwieg.

„Damit meine ich nicht nur, dass du dir Sorgen machst und Angst hast, sondern ich meine körperlich. Du hast kaum etwas gegessen und hast dich, seit wir aufgebrochen sind, ständig übergeben."

Ich seufzte. „Ich weiß doch auch nicht, was mit mir los ist. Ich glaube, es ist einfach nur der ganze Stress."

„Ich glaube nicht, dass es nur daran liegt. Ich habe da eher eine andere Vermutung.", meinte Simon.

„Warum habt ihr denn alle eine 'Vermutung'? Erst Magnus, dann du. Kann mir bitte einer erklären, was das für Vermutungen sein sollen?", fragte ich gereizt. Eigentlich wollte ich ihn gar nichts so anfahren, aber die Worte hatten schneller meinen Mund verlassen, als dass ich noch darüber hätte nachdenken können.

Gerade wollte Simon antworten, als vor uns zwei Nymphen auftauchten. Sie mussten aus dem Wald gekommen sein, als sie uns gehört haben. Magnus, Alec und Izzy waren nirgends mehr zu sehen. Wahrscheinlich waren sie so in ihre Diskussion vertieft, dass sie uns nicht mehr beachtet haben.

„Was machen denn Schattenjäger und Vampire bei uns?", fragte die eine Nymphe neugierig.

Sie hatte blaue Haut und blaue Haare, in denen alle möglichen Blumen in bunten Farben steckten. Ihre Begleitung hatte gelbe Haare und auch ihre Haut war gelb. In ihren Haaren steckten grüne Blätter und Ranken. Insgesamt waren beide wunderschön, genauso, wie alle anderen Lebewesen im Elbenreich. Doch ich wusste nur zu gut, dass ihre Schönheit trügt. In Wirklichkeit waren sie grausame Biester, die sich an den Qualen anderer erfreuten.

Simon und ich sahen uns an, dann wollten wir uns an ihnen vorbei drängen, doch sie ließen uns nicht vorbei.

„Wo wollt ihr denn hin?", fragte nun die gelbe Nymphe.

„Wir finden den Weg alleine.", sagte ich kapp. Man sollte nie auf die Fragen von Nymphen eingehen. Dann wird man sie nicht mehr los.

„Aber eure Freunde haben die Karte und die sind schon ohne euch gegangen. Wollt ihr nicht, dass wir euch den Weg weisen?", fragte die Blauhaarige.

„Nein. Wir wissen, wohin wir müssen.", antwortete Simon.

Sie wollten uns in die Irre führen. Das erkannten wir beide sofort.

„Ihr solltet nicht so ganz alleine im Wald herumlaufen. Wer weiß, was euch dreien passieren könnte.", meinte die Gelbhaarige.

Ich runzelte die Stirn. Drei? Wir waren doch nur zu zweit. Ich schaute mich um, ob noch jemand in der Nähe zu sehen war, doch da war niemand.

Ich sah die Nymphen verwirrt an, doch die lachten nur. „Sie weiß es noch nicht. Vielleicht sollten wir es ihr sagen?", lachte die Blauhaarige und sah ihre Begleitung fragend an.

Die Gelbhaarige betrachtete mich von Kopf bis Fuß und dann wieder zurück. Dabei blieb ihr Blick für einen Moment an meiner Mitte stehen. Dann lachten beide, drehten sich um und wollten wieder gehen.

Eine Ahnung machte sich in meinem Verstand breit und ich erstarrte. Die Möglichkeit bestand und alles an meiner körperlichen Verfassung deutete darauf hin, doch ich wollte Gewissheit. Elben konnten nicht lügen und falls sie so etwas erkannten, musste ich es von ihnen wissen.

„Wartet!", rief ich ihnen nach. „Wen habt ihr gemeint, als ihr gesagt habt, dass wir zu dritt sind?"

Die Nymphen blieben stehen und drehten sich wieder zu uns um. „Du bist ja doch schlauer, als gedacht.", lachte die Gelbhaarige.

„Antwortet mir.", sagte ich, wobei ich merkte dass meine Stimme leicht zitterte. Ich hatte Angst vor der Antwort, die jetzt gleich kommen würde, da ich mir schon beinahe sicher war, was sie meinten.

Die Nymphen sahen sich an, dann seufzten sie. „Mit „euch dreien" meinten wir den Vampir, dich und das Schattenjägerkind, welches du in dir trägst." Damit liefen die beiden in den Wald zurück und verschwanden zwischen den Bäumen.

Meine Ahnung hatte sich bestätigt. Bevor ich irgendwie reagieren konnte, hatte mich Simon schon in denArm genommen und ich spürte, wie mir Tränen über die Wangen liefen, wobei ich nicht wusste, ob es sich um Tränen der Freude, oder Tränen der Angst handelte.

Jetzt hatte ich noch einen Menschen, dessen Leben es nun zu beschützen galt.

Clace - The story goes onWo Geschichten leben. Entdecke jetzt