Kapitel 24

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»Sag bescheid, wenn sich etwas verändert, ja?« fragte Lockwood, doch ich nickte bloß. Das Thermometer zeigte inzwischen nur noch ein paar Grad über Null an und meine man sah unseren Atem in der staubigen Luft. Durch ein Fenster fiel Licht herein und man sah die wenigen Sonnenstrahlen in der Luft, wie einen Transparenten Tunnel oder einen Gang.
»Geh nicht in das Licht« frotzelte der Schädel, aber ich fröstelte aller höchstens. Mir war nicht nach Späßen, so gar nicht.
»Hey!« sagte, schrie mir Kipps regelrecht ins Ohr, sodass ich zusammenzuckte. Er wirkte selbst überrascht, wie Laut er gesprochen hatte und hielt mir eine Eisenkette hin. »Hilf mir mal«
Ich griff nach der Kette, blieb aber wie angewurzelt stehen und sah in meine Hand. Die Musik war verstummt, mitten drin.
»Lucy?«
Ich nickte, weiter ohne ihn anzusehen und fragte allgemein nach der Uhrzeit.
»Kurz vor halb neun.« sagte George, ich nickte erneut und Kipps sah mich auffordernd an. »Wird das noch was?«
Ich nickte ein weiteres Mal und setzte mich, wenn auch mühselig in Bewegung. Es war, als würde der Druck im Raum langsam höher, mit jedem Schritt viel es mir schwerer die Füße anzuheben, als würde ich durch tiefer werdendes Wasser waten. Ich konnte mich nicht entscheiden, was gespenstischer war. Die schiefe Geigenmusik, oder die Stille die nun darauf gefolgt war und den Raum noch leerer erscheinen ließ, als er es sowieso schon war.
Kipps und ich legten die Kette aus, in deren Mitte der Pfahl aus Sonnenuntergangslicht viel. Mit der Schuhspitze schob ich ein Kettenglied zurecht, sodass sie einen ordentlichen Kreis bildete und sah wieder auf. George und Lockwood schienen sich kaum bewegt zu haben, auch sie spürten offensichtlich die Bedrückung, die im Raum und im ganzen Haus herrschte.
Vor mir stand, nun im Kreis Kipps, wir sahen uns an, bis Kipps tief einatmete.
»Ich brauche eine Umarmung« sagte er und nahm mich in den Arm. Wir waren uns vorher vermutlich noch nie so nah gekommen und unter normalen Umständen wäre mir die Situation vielleicht komisch vorgekommen, aber ich hatte plötzlich genau dasselbe verlangen. Kipps war fast ersetzbar, wahrscheinlich hätte ich jeden umarmt, der jetzt vor mir gestanden hätte, mir war einfach danach und kaum standen wir so da schien der Druck ein wenig zu schwinden und das Atmen viel plötzlich wieder leichter. Als ich nach ein paar Sekunden die Augen wieder öffnete, sah ich über Kipps' Schultern Lockwood ins Gesicht, der sich seit einer gefühlten Ewigkeit wieder lächelte, aber nicht so wie sonst. Mir wurde nicht warm als ich ihn so sah. Es war ein schiefes lächeln, unsicher und fast ein bisschen traurig.
»Kriege ich auch eine Umarmung?« kam es gespielt eifersüchtig aus meinem Rucksack, doch selbst in der Stimme des Schädels schwang ein wenig Unsicherheit mit.

Lockwood & Co. - Das kreischende BildWo Geschichten leben. Entdecke jetzt