"Du hast hier überhaupt nichts unter Kontrolle, Claire!", ertönte die wütende Stimme meines Vaters, als ich die Tür öffnete und wieder das Krankenzimmer betrat. "Was ist los?", fragte ich besorgt, als ich die roten Augen meiner Mutter sah. "Keine Angst, deiner Mutter fällt es nur etwas schwer dich gehen zu lassen, falls du dich dazu entscheidest zurück nach Madrid zu ziehen", wand Dad schnell ein, doch ich konnte eindeutig sehen, dass es sich um etwas anderes handelte. "Erzähl mir doch nichts. Ich hab gehört, wie du sie grad angeschrien hast", sagte ich harsch und setzte mich neben meine Mutter. "Das hast du ganz falsch verstanden. Sag es ihr Claire", drängte er. Mit einem sanften Lächeln blickte meine übermüdete Mutter zu mir und hauchte: "Dein Vater hat recht. Ich werde dich einfach furchtbar vermissen." Ihre Worte machten mich wieder ganz sentimental, weshalb ich sie fest in den Arm nahm und in ihre Schulter hinein murmelte: "Ich dich auch..."
Wir saßen so einige Minuten bis ich sie langsam los ließ und meine einzelnen Tränen wegwischte. Ein Räuspern unterbrach unsere beruhigende Stille. "Entschuldigen Sie mich Miss Castell, aber sie müssen ihre Mutter jetzt leider wieder allein lassen. Sie brauch etwas Ruhe", erklärte uns eine leicht genervte Krankenschwester. "Na gut. Ich komme morgen nochmal vorbei. Ich hab dich lieb", meinte ich und umarmte sie noch ein letztes Mal. "Ich dich auch", flüsterte sie. Ich konnte sehen, wie sie sich zusammen riss nicht wieder in Tränen auszubrechen. Wir beide waren einfach zu nah am Wasser gebaut.
Während ich auf dem Weg raus aus dem Krankenhaus war, kam mir ein Gedanke, der mir schwere Kopfschmerzen bescherte. Der Abschied von mir eben fiel meiner Mutter wirklich sehr schwer. Wenn ich sie morgen nochmal besuchen würde, um mich richtig von ihr zu verabschieden, würde ihr dies noch schwerer fallen. In ihrem jetzigen Zustand würde ihr das nicht gut tun. Es wäre eigentlich wirklich besser, wenn ich einfach fahren würde, ohne sie noch einmal zu besuchen. Es brach mir das Herz allein darüber nachzudenken, doch ich musste an die Gesundheit meiner Mutter denken. Das war zur Zeit einfach wichtiger. Genauso auch der Abschied von meinen Freunden. Ich sollte ihnen nichts sagen, das wäre einfacher für uns alle.
Mit emotionsloser Miene trat ich durch die großen Türen und lief zum Auto meines Vaters, wo er auch schon auf mich wartete. "Bring mich nach Hause", sagte ich direkt und ließ mir von dem Fahrer meines Vaters die Autotür öffnen. "Ich dachte du wolltest dich noch bei deinen Freunden verabschieden", meinte er und setzte sich auch ins Auto. "Nein, ich packe meine Sachen. Wir fahren morgen ab", deutete ich, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Dad schien noch nicht mal überrascht oder so zu sein. Er sah aus, als hätte er es schon geahnt. Manchmal machte dieser Mann mir echt Angst.
Zu Hause fing ich dann auch an zu packen. Es war eine ganz schön harte Arbeit, da ich nicht wusste, von was ich mich trennen konnte und von was nicht. Dad meinte, dass ich nicht so viel mitnehmen müsste, da ich mir dort alles kaufen könnte, doch mir gings um den persönlichen Wert, den meine Sachen für mich hatten. Abends war mein Zimmer so gut wie leer geräumt, weshalb ich ratlos am Rande meines Bettes saß und nicht wusste, was ich als nächstes tun sollte. Plötzlich kam mir das Gespräch mit Vincent wieder in den Kopf, das dank der ganzen Aufruhe im Krankenhaus völlig in Vergessenheit geraten war.
"Ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Es geht um meine Beziehung mit Cheryl... Ich bin nur für dich mit ihr zusammen gekommen. Cheryl versprach mir im Gegenzug, das sie dich verschonen würde." Was für ein Bullshit. Wie kann man mit jemanden zusammen kommen, obwohl man die Person nicht liebt? Ich hatte noch einige andere Fragen an Vince, die mir im Kopf rumkreisten und sich wünschen endlich ausgesprochen zu werden. Heute wäre meine letzte Chance nochmal mit Vince darüber zu reden, weshalb ich mich dazu entschied ihm eine Nachricht zu schreiben. '21 Uhr im Pop's', schrieb ich und zog mir etwas Ordentliches an, damit ich mich draußen sehen lassen konnte.
Eine halbe Stunde später saß ich im Pop's an einem Tisch. Jetzt, wo ich morgen zurück nach Spanien reisen würde, fühlte ich mich ungewohnt fremd hier. Der Gedanke daran, dass ich hier nicht mehr jeden Tag mit meinen Freunden sitzen könnte, traf mich mehr, als ich es mir erhofft hatte. Ich musste an das erste Mal denken, an dem ich hier mit Jughead gesessen hatte und wir stundenlang einfach nur geredet hatten. Zu der Zeit kannten wir uns zwar noch nicht wirklich, doch mir war sofort klar, dass wir gute Freunde werden würden und ich hatte mich nicht getäuscht.
Es vergingen 15 Minuten, in denen ich allein saß und vor mich hin döste. Langsam kam mir diese ganze Situation äußerst blöd vor. Warum sollte ich auf Vince warten, wenn ich eh nicht genau wusste, ob ich ihm glauben könnte. Gerade, als ich wieder gehen wollte, klingelte die Glocke an der Tür. Es war er, der herein kam. Unsere Blicke trafen sich nach kurzem Umherblicken seinerseits. Nach kurzem Zögern setzte ich mich wieder hin und sah Vince dabei zu, wie er auf mich zu kam und sich zu mir an den Tisch setzte. "Hey", sagte er und räusperte sich kurz. "Hi", gab ich genauso trocken wider wie er, beließ es jedoch nicht allein bei der Begrüßung: "Deine Worte von vorhin... war das dein ernst?" Die Frage an ihn klang zögerlicher als ich es mir in meinem Kopf vorgestellt hatte. "Mein voller. Nichts was ich gesagt hatte, war auch nur ansatzweise gelogen", erklärte er selbstverständlich. Der Knoten, der sich in meinem Hals gebildet hatte, schien immer größer zu werden. Das hinderte mich daran, ihn die ganze angesammelten Fragen an den Kopf zu werfen. "Warum?", war das einzige, was ich peinlicherweise hervorbrachte. Vince sah jedoch auch so aus, als wäre dieses Gespräch unangenehm für ihn.
"Um dir deine Frage beantworten zu können, muss ich etwas mehr ausholen", meinte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf, "Ich kannte dich schon lang vor der Premiere im La Bonne Nuit. Durch Veronica. Sie wollte uns beide eigentlich gegenseitig vorstellen, doch leider war es dafür zu spät, da du dann mit Sweet Pea zusammen gekommen bist." "Warum hast du das nicht erwähnt?", fragte ich irritiert. "Ich wollte es dir nicht unnötig kompliziert machen. Naja, auch nachdem du mit Sweet Pea zusammen gekommen bist, konnte ich nicht aufhören an dich zu denken und dich dann auch noch richtig treffen zu können, hatte es nur schlimmer gemacht. Als ich dann bei Cheryl war, machte sie mir das Angebot, dass wenn ich mit ihr zusammen käme, sie dich in Ruhe lassen würde. Da du ja sowieso einen Freund hattest, kam mir die Idee dahinter gar nicht so schlecht vor."
"Du Idiot", hauchte ich, nachdem mir seine Sicht jetzt etwas klarer geworden war. Ich wusste gar nicht so richtig, was ich jetzt antworten sollte. Der Junge vor mir, mochte mich eindeutig. Er war extra wegen mir mit einem Mädchen zusammen gekommen, die eine grässliche Persönlichkeit hatte und unausstehlich war. Ehrlich gesagt, fühlte ich mich jetzt sogar etwas geschmeichelt. "Ich weiß, dass sich das alles jetzt ultra weird anhört, aber ich schwöre, dass ich keine anderen Hintergedanken hatte, als ich mit Cheryl zusammen gekommen war", machte Vince mir deutlich, was mich zum lächeln brachte. "Es tut mir Leid, Vince." Der Braunhaarige sah mich ganz schön perplex an und fragte dann: "Was tut dir Leid?" "Dass ich dich die ganze Zeit so fertig gemacht habe. Du wolltest mir nur helfen", flüsterte ich verlegen. "Hör auf. Nur wegen mir hattest du so viele Probleme. Ich bin mir nicht mal sicher, ob sich dieser ganze Aufwand lohnt", entgegnete er, was der Grund für meine nächste Frage war.
"Aber du machst doch jetzt Schluss mit Cheryl oder?" "Ich wollte schon seit Wochen mit ihr Schluss machen, doch sie lässt es nicht zu", gab er zu und wirkte dabei wirklich verzweifelt. "Was ist denn das Problem. Lass sie doch einfach links liegen", sagte ich ohne Weiteres. "Wenn das nur so einfach wäre..." Jetzt gerade sah ich in Vince ein kleines hilfloses Hündchen, das nach jeder möglichen Situation suchte, um seinem Frauchen zu entfliehen. Erst jetzt wurde es mir auch klar. "Sie hat dich wegen irgendetwas in der Hand oder?", fragte ich entsetzt und hoffte, das es nicht so schlimm sei. Vince nickte kaum merklich, doch ich konnte es mir auch so schon denken. "Wenn das rauskommt, bin ich am Arsch, Anni", sagte Vince niedergeschlagen. Also war es doch schlimmer als ich gehofft hatte.
Diese Bitch...

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Losing Yourself
Romance~Das ist der zweite Teil von meiner Fan-Fiction "Lost in You", deswegen empfehle ich zuerst den ersten Teil zu lesen~ Was machst du, wenn ein Problem nach dem anderen in dein Leben tritt und sie dich von Tag zu Tag immer mehr beunruhigen? Lohnt es s...