Kapitel 18

917 66 22
                                    

"Won-Won!" Lavender schlang ihre Arme von hinten um mich und kicherte in mein Ohr. Ich zwang mich zu einem Lächeln und ignorierte Harry und Hermine, die sich etwas entnervte Blicke zuwarfen.

"Lavender ..." Es war unfair ihr gegenüber, dass meine Stimme selbst in meinen eigenen Ohren nicht gezwungener klingen könnte, sie verdiente jemanden, der sie ehrlich liebte, aber ich konnte einfach nichts tun. Gefühle konnte man nicht ändern. "Wie geht es dir?"

Die Frage war erbärmlich. Fiel mir wirklich nicht Besseres ein? Nein, offenbar nicht, sonst hätte ich das ja genommen.

Aber Lavender schien sich nicht daran zu stören. Sie verschränkte ihre behandschuhten Finger mit meinen, die schon längst eiskalt waren, zog sich den Schal mit der anderen Hand über die Nase und kicherte wieder. Der Wind spielte mit ihren Locken. "Mir geht es prima", säuselte sie.

Eventuell machte Harry im Hintergrund unterdrückte Kotzgeräusche, aber ich verdrängte den Gedanken. Oder eher das Geräusch, denn er beabsichtigte wohl kaum, dass wir das hörten.

"Schließlich bin ich bei dir! Was ist mit dir?"

"Oh, mir geht es auch ... gut. Sehr gut. Echt, ich freue mich dich zu sehen", stammelte ich eine der größten Lügen der Welt, doch meine Freundin schien das eher so aufzufassen, dass ich in ihrer Nähe nervös war.

"Awww!" Sie schien noch etwas sagen zu wollen, aber wurde von einem Rufen hinter uns unterbrochen.

"Harry!" Draco flog meinem besten Freund um den Hals, der ihn lachend herumwirbelte. Pansy begrüßte Hermine mit einer weitaus schüchterneren Umarmung und ich fragte mich, was Blaise wohl gerade machte, schließlich kam er nie mit, wenn die beiden anderen Slytherins Zeit mit uns verbrachten. Ich hatte ihn irgendwie komplett aus den Augen verloren, aber vielleicht war es auch besser so. Vielleicht ...

Ich verdrehte die Augen, als Pansy leicht rot wurde und ignorierte das Ziehen in meiner Brust. "Ich hasse euch", murmelte ich, definitiv zu mir selbst, nur leider hatte Lavender zu gute Ohren.

Sie legte den Kopf schief. "Wen hasst du? Deine Freunde?"

Mist. Wie sollte ich da denn bitteschön wieder rauskommen? Ich konnte ihr ja wohl kaum die Wahrheit sagen, denn meinen Grund dafür konnte ich niemandem sagen.

Und trotzdem nickte ich vorsichtig.

Lavender runzelte die Stirn. "Bist du eifersüchtig?", fragte sie, ließ mir aber keine Zeit für eine Antwort, denn schon lagen ihre Lippen auf meinen.

Wir waren schon seit einigen Monaten zusammen und eigentlich sollte ich mich an Küsse von ihr inzwischen gewöhnt haben, doch trotzdem verkrampfte ich mich unwillkürlich.

Idiot, Idiot, Idiot!, schimpfte mich die Stimme in meinem Kopf. Erwider ihren Kuss! Du liebst sie doch, oder?

Ich kam ihr ein bisschen entgegen, doch schon schob mich Lavender mit einem Stupser gegen die Nasenspitze weg und stieß mich gegen die Schulter.

Hatte ich etwas falsch gemacht? Würde sie sich von mir trennen?

Selbst in meinem Kopf hätte ich nicht so erleichtert darüber klingen dürfen.

Doch sie lachte. "Später Won-Won", sagte sie. "Aber du brauchst nicht eifersüchtig zu sein. Du hast doch mich!"

Ich lächelte sie an, als Parvati angelaufen kam.

"Hey, Lav!", rief sie außer Atem und gab ihrer besten Freundin zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. "Oh, hallo Ron."

"Hi." Irgendwie fühlte ich mich fehl am Platz und wahrscheinlich wäre Lavender die Einzige gewesen, die behauptet hätte, dass das nicht stimmte, wenn jemand uns drei gefragt hätte.

Parvati schien auf einmal auch so auszusehen, als könnte sie nicht schnell genug verschwinden und räusperte sich verlegen. "Also ... ich will euch wirklich nicht stören, nur ... Lavender und ich waren für heute eigentlich verabredet und ..."

"Richtig!", fiel Lavender ihr ins Wort und ließ meine Hand los. "Tut mir leid, Won-Won, aber ..."

Sie sah mich entschuldigend an und ich winkte ab. "Kein Problem", versicherte ich. "Geht ruhig und viel Spaß!"

"Super!" Parvati lief schon wieder los, nur Lavender beugte sich noch zu mir.

"Du brauchst wirklich nicht eifersüchtig zu sein", flüsterte sie in mein Ohr, winkte und eilte der Gryffindor hinterher.

Du bist nicht nur ein Idiot, sondern auch ein furchtbarer Lügner! Am liebsten hätte ich meinen Kopf jetzt gegen eine Hauswand geschlagen.

Lavender war so wunderbar zu mir und ich ... Ich spielte ihr etwas vor! Dabei war sie so ein tolles Mädchen, auch wenn sie ab und zu etwas zu begeistert von einer Sache - oder einem Menschen - sein konnte, dass man sie doch einfach lieben musste! Eigentlich hatte ich das am Anfang auch getan, irgendwie, aber jetzt war es anders.

"Hey Ron!" Harry schlug mir auf den Rücken. "Gehen wir in die drei Besen?"

Meine besten Freunde und die zwei Slytherins strahlten mich an. Wie konnte ich da denn Nein sagen? Außerdem hoben sie mit ihrer guten Laune auch meine Stimmung etwas. "Klar. Dafür sind wir doch hergekommen, oder?"

"Super!" Hermine und Pansy gingen voran und wir folgten.

Leise seufzte ich und meine halbwegs gute Laune stürzte wieder ins Bodenlose.

Am Anfang des Schuljahres, als wir wieder nach Hogwarts zurückgekehrt waren, hatte ich mich verdammt hilflos gefühlt. Blaise hatte ich auch über die Sommerferien nicht aus dem Kopf bekommen können, was sie ja inzwischen mehr oder weniger geändert hatte, wobei ich nicht auch jetzt nicht sagen konnte, ob es zum Besseren war, und ich konnte einfach nicht anders, als in den Gesichtszügen jedes anderen nach dem anonymen Schreiber zu suchen. Natürlich vergebens, schließlich wusste ich nichts über sein oder ihr Aussehen.

Und Lavender? Na ja, sie war einfach da gewesen und auf einmal hatte ich festgestellt, dass sie ziemlich hübsch war und als sie dann immer mehr Interesse an mir zeigte, hatte ich gedacht, dass ich mich vielleicht ganz in sie verlieben und endlich wieder glücklich sein könnte.

Was genauso egoistisch gehandelt war, wie es klingt. Und jetzt hatte es noch nicht einmal funktioniert und ich wusste, dass ich so schnell wie möglich mit Lavender Schluss machen sollte, am besten morgen, aber irgendetwas kam immer dazwischen.

Ich hatte es schon viel zu oft probiert. Zuerst war es Parvati, die noch etwas mit Lavender besprechen musste, und danach hatte ich mich nicht mehr getraut. Dann hatte Lavender so glücklich gewirkt, dass ich mich einfach nicht dazu bringen konnte, ihr das Herz zu brechen. Als drittes waren es zu viele Hausaufgaben gewesen, wegen denen wir uns kaum gesehen hatten und jetzt war es ein Feiertag.

Um genau zu sein, war es der 14. Februar.

Valentinstag.

Und einen schlimmeren Zeitpunkt, um Schluss zu machen, gab es wohl nicht. Vor allem, weil wir ausgemacht hatten morgen zusammen nach Hogsmeade zu gehen, angesichts der Tatsache, dass es ein Sonntag war.

Draco hielt mir die Tür zu den drei Besen auf und ich lächelte ihn kurz, aber diesmal ehrlich, an. Er strahlte zurück und legte Harry einen Arm um die Schultern, während wir uns an den letzten freien Tisch, in der hintersten Ecke, durchkämpften.

Also musste ich es auch morgen noch für mich behalten, nur zweifelte ich langsam daran, ob der richtige Zeitpunkt jemals kommen würde. Vielleicht gab es den auch gar nicht. Vielleicht musste ich es einfach ohne Rücksicht tun, denn so langsam zerfraß es mich von innen.

"Rotschopf. Was ist los?", fragte Pansy. Sie hatte sich noch nicht einmal von Hermine dazu erweichen lassen mich bei meinem eigentlichen Namen zu nennen. "Ist es wegen deiner Freundin? Ich bin ein Mädchen, ich könnte sie für dich anbrüllen, wenn du willst."

Ich lachte leise. "Nein, ist schon gut. Bei mir ist alles in Ordnung."

Wer bist du? - BlaironWo Geschichten leben. Entdecke jetzt