Hermine tauchte ihr Stück Brot in ihre Kürbissuppe, die vielleicht ein wenig die Jahreszeit verfehlt hatte, während sie ihren Blick keine Sekunde von mir ließ. "Willst du nichts essen?"
"Äh ... was? Ich meine ..." Ich schüttelte den Kopf. "Ich bin gerade irgendwie überfordert."
"Davon, dass Hermine dich gefragt hat, ob du nichts mehr essen willst?" Harry hatte seinen Teller schon vor geraumer Zeit geleert und die entstandene Freizeit damit gefüllt, sich mit Draco in Zeichensprache über mindestens die halbe große Halle hinweg zu unterhalten.
Überrascht und etwas erschrocken, dass er dennoch genug Aufmerksamkeit für uns übrig hatte, zuckte ich zusammen. "Nein! Es ist nur ... in letzter Zeit ist so viel passiert und es ist ständig Auf und Ab gegangen" - ich zeichnete mit meinem Zeigefinger Wellen in die Luft, als wüssten meine Freunde sonst nicht, was ich meinte - "und vom Gefühl her liegt noch mindestens die Hälfte vor mir."
"Mhm ..." Anscheinend reichte Harrys Konzentration doch nur für Einen von uns und ich verstand vollkommen, dass er seinen Freund gewählt hatte.
Weniger vorteilhaft daran war jedoch, dass ich dadurch aus Versehen ebenfalls zu den Slytherins schaute und augenblicklich feststellte, dass Blaise mich musterte.
Scheiße.
Scheiße. Guck weg! Guck weg! Mach was! Nur nicht weiter zu ihm schauen!
Ich spürte, wie mein Blick panisch zur Seite schoss und sich, nachdem ich in Lichtgeschwindigkeit nach einem Punkt zum fixieren gesucht hatte, auf das orangene Gebräu vor meiner Nase richtete. Und vielleicht war das in letzter Zeit einfach so, doch ich musste erneut feststellen, dass "unauffällig" etwas ganz anderes war.
"Weißt du, mir hilft es immer jemandem zu erzählen, was ich schon getan habe und was ich noch machen muss, um meine Gedanken ein bisschen zu sortieren, also wenn du willst, dann kann ich dir zuhören", schlug Hermine vor.
"Klar!"
Meine etwas zu euphorische Stimme brachte sie dazu eine Augenbraue hochzuziehen und mich dazu festzustellen, dass diese Idee eventuell doch nicht so ideal war, wenn ich gerade noch Probleme damit gehabt hatte mich von Blaises schwarzen Augen loszureißen. Aber genau so gut wusste ich, dass es immer offensichtlicher wurde, dass diese ganze Sache unausweichlich war. Und irgendwann würde ich mich ihr stellen müssen, also warum nicht jetzt?
Nur leider musste ich zu guter Letzt auch noch herausfinden, dass die Redewendung "Leichter gesagt, als getan" ganz eindeutig einen berechtigten Grund für ihre Existenz hatte, nachdem ich ganze fünf Minuten brauchte, bis ich Hermine wieder anschaute.
"Also ...", fing ich an und gewann ihre Beachtung, die sie - vermutlich nicht wissen, was sie sonst tun sollte - ihrem Essen zugewandt hatte, zurück. "Es geht um Blaise, weil ... also mit Lavender ist ja jetzt alles geklärt und mit Ginny auch und eigentlich bleibt jetzt nur noch übrig mit ihm zu reden ..."
Eigentlich hatte ich vorgehabt mit meiner Schwester erst heute Abend zu sprechen, da ich somit immerhin noch diese temporäre Ausrede gehabt hätte, um nicht auf Blaise zugehen zu müssen, nur war ich zu ihrem Glück und meinem Pech kurz vor dem Mittagessen über ihren Weg gestolpert und wie der Zufall es so wollte, hatte sie gleich wieder nach Luna gefragt - da hatte ich einfach nicht lügen können. Zum Einen, weil es nicht fair gewesen wäre, schließlich hätte sie es mir gegenüber auch nicht getan, und zum Anderen, weil mein schlechtes Gewissen wegen des Aufschiebens mich da schon fast erdrückt hatte, dass ich irgendwie froh gewesen war es doch loswerden zu können.
Jetzt war Ginny vermutlich mindestens genau so glücklich, wie sie gewesen war, als sie mit schmerzend hohem Quietschen nach einer kurzen Umarmung, mit der sie mich fast erwürgt hätte, davon gerannt war - und ich saß ohne Freund am Gryffindortisch und ignorierte den Jungen, den ich wirklich mochte.
"Und wieso sprichst du dann nicht mit ihm?"
"Weil ... ich Angst davor habe."
"Und wovor genau hast du Angst?"
Ich wollte etwas sagen, wollte Hermine zeigen, wie schrecklich unwohl ich mich fühlte, weil mein Inneres fast zersprengt wurde von der Gewissheit, dass ich bald mit dem Slytherin reden müsste, obwohl ich ihn aus vermutlich nicht einmal für mich mehr wirklich nachvollziehbaren Gründen liebte, nur war da auf einmal nichts. Mein Kopf war leer und lieferte mir noch nicht einmal mehr einen komplett lächerlichen Grund dafür, warum ich mich nicht traute.
Da war nur die Angst.
Hermine legte ihren Löffel zur Seite und sah mich ernst an. "Im schlimmsten Fall weist er doch zurück, richtig?" Ich nickte. "Und im besten ergibt sich ein erstes Date oder ihr werdet gleich ein Paar, richtig?" Ich nickte erneut. "Ich glaube nicht, dass ich das einschätzen kann, weil ich vermutlich nicht jedes Detail von dem kenne, das zwischen euch vorgefallen ist, also sag du es mir: Wie wahrscheinlich ist es, dass das Eine oder das Andere passiert?"
Fifty-Fifty, wollte ich sagen, weil ich es mir nicht erlaubte zu viel zu hoffen.
Er wird mich zu 100 Prozent abweisen!, verlangte die Angst von mir zu sagen.
"Äh ... 20 zu 80 denke ich", sagte ich dann aber tatsächlich und hätte mir eine Sekunde später fast die Hand vor den Mund geschlagen, bis mir auffiel, dass es eigentlich gar nichts so realitätsfern war.
Mein Herz fing an schneller zu schlagen.
"Das ist doch g-", setzte Hermine an mich noch weiter zu ermutigen, als sie von Harry unterbrochen wurde, der mir gegen den Arm boxte.
"Leute! Die Slytherins kommen rüber!", flüsterte er, sein Gesichtsausdruck hin- und hergerissen zwischen hoffnungslos verliebt und unsicher.
Hermine und ich wirbelten herum und ich erstarrte, während meine beste Freundin fast zu einem Ebenbild von Harry wurde.
Da war nicht nur Draco, der auf uns zulief.
Da war nicht nur Pansy.
Da war auch Blaise, der sich zusammen mit den anderen beiden erhoben hatte, und alle Aufbauversuche von Hermine liefen sofort den Bach hinunter.
Da war die Angst.
Sie brüllte mir zu, dass ich rennen sollte, solang ich noch die Möglichkeit dazu hatte.
Ich blieb sitzen.
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Wer bist du? - Blairon
FanfictionRon weiß nicht von wem, auch nicht wieso auf einmal, aber eines Morgens findet er einen Liebesbrief neben seinem Kopfkissen. Auf diesen folgen drei weitere, danach bricht sein Kontakt zu dieser Person ab. Er weiß nur, dass sie auf jeden Fall unerkan...