Ich wanderte ohne Ziel durch Hogwarts. Die Arme um mich geschlungen, etwas orientierungslos, nachdem die Lichter inzwischen alle aus waren, und komplett verzweifelt. Ich versuchte meinen Kopf freizukriegen, die Gedanken, die drohten mich zu erdrücken, zu verbannen, aber sie kreisten trotzdem wie Geier, die nur auf den Tod ihrer Beute lauerten, um mich herum.
Ich hatte mit Lavender Schluss gemacht - der erste Geier.
Ihr Herz gebrochen - der zweite.
Und das ausgerechnet am Valentinstag - alle guten Dinge sind drei, nicht?
Ich wimmerte leise, bevor ich mir die Hand vor den Mund schlug und hoffte, dass mich niemand gehört hatte. Als nach einer Minute immer noch nur das leise Rauschen des Windes zu hören war, das aus einem geöffneten Fenster zu kommen schien, lief ich weiter.
Aber das Schlimmste kam ja noch, denn Geier schienen nicht bei drei bleiben zu wollen. Lavender kannte nicht die ganze Wahrheit.
Sie wusste den echten Grund, der mich dazu gebracht hatte mit ihr Schluss zu machen, nicht, dabei verdiente sie es so sehr. Sie verdiente es, ihn zu erfahren, wenn ich ihr schon das Herz hatte brechen müssen, aber nicht jetzt.
Im Moment konnte ich einfach nicht, denn wie sollte ich ihre Tränen aushalten, wenn mein Herz ebenfalls blutete?
Lavender bedeutete mir etwas - viel -, als eine Freundin, und deshalb tat es so ...
Abrupt stoppte ich und sah auf. Habe ich gerade noch gesagt, dass ich kein Ziel hatte? Nun, mein Unterbewusstsein schien sich wohl doch eins für mich ausgesucht zu haben, denn ich war vor der Treppe zum Astronomieturm gelandet.
In Gedanken wurde ich zum ersten Mal zurück katapultiert, als ich nach Ausgangssperre an eben dieser Stelle gestanden und überlegt hatte, ob ich wirklich gehen sollte und jetzt plagte mich dieselbe Frage.
Wieso eigentlich nicht?, sagte ich zu mir selbst. Der Tag kann ja wohl kaum noch schlimmer werden ...
Eigentlich hätte ich nun davon überzeugt sein müssen, dass es sehr wohl schlimmer ging, doch stattdessen zwang ich mich den ersten Schritt zu machen.
Zweiter Schritt, zweite Stufe.
Dritter Schritt, dritte Stufe - bis ich schließlich oben war und feststellte, dass Blaise schon da stand und auf mich wartete.
Ich stellte mich in guter Entfernung zu ihm ans andere Ende der Plattform hin und biss mir auf die Zunge, um nichts zu sagen. Der Slytherin sah mich lang einfach nur schweigend aus seinen schwarzen Augen an und ich hätte nicht sagen können, was er suchte oder worauf er wartete.
"Hey Ron", begrüßte er mich schließlich.
"Hey." Ich klang kühler, als ich es beabsichtigt hatte, aber ein anderer Ton, der zu dieser Situation passte, fiel mir nicht ein, obwohl dieser es wohl auch kaum tat.
Er sah unruhig zur Seite und schob einen Ring an seinem Finger auf und ab, bevor er sich dazu entschied ihn abzunehmen und eine Faust darum zu ballen. "Ich ... muss mit dir reden", krächzte er.
"Okay. Was ist los?"
Blaise sah mich überrascht an, weil ich so hilfsbereit geklungen hatte und auch ich war etwas aus dem Konzept gebracht, obwohl ich gerade sowieso neben der Spur war. Er fing sich als erstes wieder. "Hör zu, Ron. Es stimmt, was ich dir geschrieben habe. Es ... tut mir wirklich leid. Ich ... ich habe dir die Briefe, also die ... die ganz am Anfang, geschrieben, weil ich dieses Gefühl nicht mehr mit mir herumtragen konnte, ohne ... ohne es irgendwie loswerden zu können, aber ... als du dann hier warst, hatte ich auf einmal Angst, dass ... dass ..." Er sah beschämt zu Boden und schluckte. "Dass du mich nur damit aufziehen und mein Herz brechen wirst, wenn ich es zugebe. Ich weiß, ich ... hätte dir vertrauen sollen, aber ich hatte solche Angst, weil meine Mutter ... Ich habe sie gefragt, ob ihrer Meinung nach eine Beziehung zwischen einem Slytherin und einem Gryffindor funktionieren würde und sie hat mir eine schreckliche Geschichte aus ihrer Zeit in Hogwarts erzählt, als ... als eine Gryffindor und ein Slytherin zusammen waren und am Ende ... nur noch das Mädchen gelebt hat, bis sie schließlich auch verschwunden ist, und dass es immer Streit zwischen den beiden gab und sie es nie leicht hatten. Ich weiß noch nicht einmal, ob die wirklich wahr ist, weil meine Mutter nicht unbedingt für ihre Ehrlichkeit bekannt ist, aber ... es hat mir trotzdem Angst gemacht und da ... da habe ich das gemacht, was alle mit stolzen Eltern aus Slytherin beigebracht bekommen haben: Eine Maske aufgesetzt." Blaise verzog das Gesicht. "Es tut mir leid ... Ich will es wirklich wieder gut machen, aber ... ich weiß nicht was ich tun kann. Ob ... ich etwas tun kann ..."
Er sah mich flehend an und ich wusste, dass er es ernst meinte, denn dieses Mal verrieten mir seine Augen, was er dachte.
"Aber wieso sagst du ... erst jetzt etwas?", fragte ich. Es war fast ein ganzes Jahr vergangen; hatte es ihn wirklich so viel Zeit gekostet seinen Mut zusammenzubringen?
"Ich ... hatte eben Angst", gab er zu. "Und dachte, dass ich dich vielleicht vergessen könnte. Aber ich konnte nicht. Und als Pansy mich immer wieder gefragt hat, ob die Briefe wirklich von mir seien und was jetzt mit uns wäre, da ... ich habe das als Zeichen des Schicksals gesehen."
"Pansy? Woher wusste Pansy davon?" Das war sicherlich nicht die Reaktion, auf die Blaise gewartet hatte, aber die Frage brannte mir auf der Zunge.
Der Slytherin verzog das Gesicht erneut, nur dass es jetzt etwas weniger schmerzerfüllt wirkte. "Von Hermine, schätze ich. Und die ... wusste es von Neville."
Ich stutzte. "Neville?"
"Ja ..." Blaise kratzte sich am Nacken, als würde die Situation hier von Sekunde zu Sekunde immer peinlicher für ihn werden, aber vielleicht tat sie das ja auch. "Ich habe ihn gebeten dir die Briefe unter zu schmuggeln, weil er in deinem Schlafsaal ist und ich sicher war, dass er dichthalten würde. Aber wenn man mal bedenkt, wie viel Zeit er und Hermine zusammen verbringen ... Ich denke, sie ist eingeweiht. Wahrscheinlich, weil sie ... eine Verbindung zu Pansy hat und die ja mit mir befreundet ist."
Wow. Das waren echt viele Informationen auf einmal und ich brauchte ein paar Sekunden, bevor ich es kapiert hatte.
Blaise hatte Neville gebeten mir die Briefe zu "geben".
Neville hatte gewusst, dass sie von Blaise waren.
Er hatte Hermine eingeweiht, als es eskaliert war.
Die hatte es Pansy erzählt.
Und Pansy hatte Blaise dazu gebracht mir endlich die Wahrheit zu sagen?
"Wow", gab ich von mir. "Das ist ... hätte ich nie gedacht."
Blaise sah mich erwartungsvoll an und rollte schließlich zögerlich, aber dennoch mit den Augen, als ich schwieg. "Was ist dann jetzt ... mit uns beiden? Ich ... würde es gerne versuchen. Als Paar, meine ich."
"Wir müssen auch nicht sofort zusammen sein, wenn du nicht willst. Wir können auch erst ... Freunde werden und schauen, ob es funktioniert", fügte er schnell hinzu, als ich weiter schwieg.
Langsam kam wieder Leben in mich. Mein Kopf arbeitete wieder und meine Gefühle schienen wohl auch zu bemerken, dass sie gebraucht wurden, wenn ich kein emotionsloser Roboter sein wollte. Leider war ich nicht auf das Gefühl vorbereitet, das meine Reaktion darstellte.
Tränen, all die, die ich die ganze Zeit nicht geweint hatte, schossen in meine Augen, kullerten meine Wangen herunter und Schluchzer entwichen meiner Kehle. Lavender, Blaise, Verwirrung, Schmerz. Der Orkan erreichte mich oder vielleicht waren es auch die Geier, die endlich herabstürzten und ihre knochigen Klauen in mich gruben.
Blaise starrte mich bestürzt an und schien kurz davor zu sein mich in den Arm zu nehmen, doch er zögerte.
"Ich weiß es nicht", schluchzte ich. "Ehrlich nicht. Ich ... ich hatte heute echt einen miesen Tag. Ich habe mit Lavender Schluss gemacht, ihr wehgetan! Ich bin so ein Idiot! Ich hätte gar nicht erst damit anfangen dürfen, dann wäre nicht von all dem passiert. Dann könnte ich dir eine Antwort geben, dann ... Es ist meine Schuld ... alles!"
Blaise kam auf mich zu und packte mich bei den Schultern. "Das stimmt nicht!", versicherte er mir verzweifelt. "Ich ... ich bin Schuld!"
"Nein, du kannst doch nicht für meine Entscheidungen!"
"Natürlich! Wenn ich damals die Wahrheit gesagt hätte, dann wärst du nicht zu Lavender gegangen! Weil du dich dann niemals ungeliebt gefühlt hättest."
Ich fragte nicht, woher er das wusste; wunderte mich noch nicht einmal.
"Ich weiß es nicht", sagte ich noch einmal, als mein Weinen nicht mehr von den Wänden widerhallte und ich wieder halbwegs normal atmen konnte. "Kannst ... kannst du mir noch ein bisschen Zeit geben?"
Blaise nickte, ließ mich wieder los und sofort vermisste ich die Wärme seiner Hände an meinen Schultern. "Klar. So viel, wie du brauchst."
Und obwohl ich sah, dass er es zu verbergen versuchte, klang seine Stimme genauso gebrochen wie meine.
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Wer bist du? - Blairon
FanfictionRon weiß nicht von wem, auch nicht wieso auf einmal, aber eines Morgens findet er einen Liebesbrief neben seinem Kopfkissen. Auf diesen folgen drei weitere, danach bricht sein Kontakt zu dieser Person ab. Er weiß nur, dass sie auf jeden Fall unerkan...