Ich hatte die Hälfte der Nacht wach verbracht.
Und wenn ich jetzt so darüber nachdachte, dann war es vermutlich keine gute Idee gewesen die Zeit, in der die Welt Pause machte, zu verkürzen und stattdessen auf dem Bett zu sitzen und leise raschelnd immer wieder vor und zurück zu schaukeln. Ich hatte zwar einen Stillezauber über mein Bett gelegt, um meine Freunde nicht ebenfalls wachzuhalten, aber so konnte mir nun einmal auch niemand sagen, dass ich mich verdammt noch mal schlafen legen sollte!
Vor meinem inneren Auge hatte ich einen aufgebrachten und dezent verzweifelten Seamus gesehen, während ich in die Richtung gestarrt hatte, in der Nevilles Bett war, obwohl ich das bei fast kompletter Finsternis, die nur durch silberne Mondstrahlen von außen ein wenig gebändigt wurde, nicht so gut erkennen konnte.
Mein Kopf - meine Gedanken waren herumgewirbelt wie die Schneeflocken, die vielleicht auch nachts noch vom Himmel gefallen waren, kreisten dennoch immer und immer wieder um dieselben Dinge, die mich in den Wahnsinn trieben, und es war vermutlich auch keine so gute Idee gewesen durchgehen auf meinem Daumennagel zu kauen.
Irgendwann gegen Mitternacht hatte ich meine Augen jedoch nicht mehr offen halten können. Sie waren fast von ganz allein zugegangen und aufgefallen war es mir erst, als ich am nächsten Morgen durch ein Schulterrütteln geweckt worden war. Harrys Gesicht hatte sich in mein Blickfeld geschoben; ein strahlendes Grinsen auf den Lippen.
Und eben jener Ausdruck schwirrte mir im Kopf herum, als ich in Zaubertränke saß, gleichzeitig verzweifelt versuchte Slughorn, den wir seit Anfang des Jahres hatten, zuzuhören, Blaise so gut es ging zu ignorieren (denn natürlich wollte er meine Gedanken nicht verlassen; genauso wenig wie der Schmerz, der durch die ganze Situation verursacht wurde, aufhörte meine Gefühle zu quälen) und nachdenklich auf meine Hände starrte, die ich miteinander verknotet hatte. Linker kleiner Finger unter dem rechten Zeigerfinger, linker Ringfinger über dem rechten Zeigefinger, linker Mittelfinger über dem rechten, linker Zeigefinger über dem rechten Ringfinger, linker Daumen über dem rechten kleinen Finger; rechter Daumen über dem linken kleinen Finger.
Es war sowohl faszinierend als auch verwirrend.
"Das gab's auch mal", murmelte ich unvorsichtiger Weise, während ich versuchte mich daran zu erinnern, wie es gewesen war, glücklich zu sein und so gut wie keine Beschwerden zu haben.
Doch es ging nicht - woran das einzig Erschreckende war, dass es mich nicht im geringsten beunruhigte -, weil mich irgendetwas noch zurückhielt; etwas, das ich bisher ungeklärt gelassen hatte - und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann wusste ich auch ganz genau was.
"Was gab's mal?", flüsterte Harry mir zu und mein Kopf ruckte überrascht und etwas erschrocken nach oben. Der Blick meines besten Freundes folgte immer noch Slughorn, der vor der Klasse hin und her schritt, das Kinn nach oben gereckt und Worte von sich gab, die bei mir nicht ankamen, aber auch er schien nicht ganz zu folgen.
Nur lag es ausnahmsweise nicht daran, dass er Draco verliebt anstarrte, der Slughorn leicht verachtend musterte - und was ihn sonst beschäftigen könnte, wusste ich nicht.
Vermutlich du, flüsterte die miese Stimme in meinem Kopf, die sich seit gestern Nacht wieder eingeschlichen hatte. Sie schien untrennbar mit Lavender verbunden zu sein, wenn die Dinge um mich und die blonde Gryffindor schlecht standen.
"Nichts Wichtiges", antwortete ich Harry und nahm meine Feder in die Hand. Hatten wir schon etwas aufschreiben sollen?
"Du kannst darüber reden, weißt du? Ich bin für dich da." Er sah mich fast schon flehend an, sodass mir die Worte um Haaresbreite einfach entwichen wären.
Es war Slughorn, der mich rettete, indem er auf Harry zeigte und wahrscheinlich eine Frage stellte, die mein bester Freund mit Leichtigkeit nach einem kurzen Schielen in sein Buch beantworten konnte. Kaum jedoch verfiel unser Lehrer in seine "Ich-lobe-Harry-weil-er-perfekt-ist"-Rede - wobei Dracos Blick noch ein wenig giftiger wurde -, drehte mein bester Freund sich wieder zu mir um und ich wusste, was er als nächstes sagen würde: "Ist es wegen Ginny?"
Ich hatte meine Schwester gestern schließlich überreden können, mit uns zurück ins Schloss und zum Krankenflügel zu gehen, nachdem ich ihr mindestens hundert Mal versichert hatte, dass ich mein Bestes tun würde, um ihr zu helfen, wobei ich mich abermals wie der größte Lügner auf dem Planeten gefühlt hatte.
Harry und Hermine hatten tatsächlich noch auf dem Quidditchfeld gestanden - vielleicht, um uns unseren Geschwistermoment zu lassen, vielleicht auch nicht - und sowohl erleichtert, dass Ginny lebte, als auch besorgt geschaute.
Ich schüttelte den Kopf. "Nein ... nicht wirklich."
Natürlich hatte ich mir Gedanken um sie gemacht, hatte mir vorgeworfen, dass ich früher mit ihr hätte reden sollen und Angst gehabt, dass sie schlimmer gefroren haben könnte als wir dachten; auch nachdem Madame Pomfrey ihr einen Trank gegeben hatte, der sie von innen aufwärmen würde, und sie nicht über Nach hatte dableiben müssen, aber den größten Teil der Zeit ging es in meinem Kopf um Lavender und Blaise.
Ich musste die Sache mit Lavender klären, wenn ich Ginny helfen wollte und gleichzeitig steckte Blaise so tief mit drin, dass mich irgendetwas drängte mich mich auch auszusprechen, wenn ich es schon mit Lavender tat.
Harry runzelte die Stirn. Er wusste nicht, was mit meiner Schwester los war, weil ich ihr hoch und heilig hatte versprechen müssen, dass ich nichts sagen würde. "Wenn du meinst", brummte er schließlich.
Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich meine Probleme lieber schnell löste, weil mein Verhältnis mit meinen besten Freunden sonst auch ziemlich auf der Kippe stand.
Der Schalter - einer, den ich vorher noch nie bemerkt hatte - kippte.
Wieso versuchst du es eigentlich noch? Du weißt doch eh, dass du dich nicht auf deine Hausaufgaben konzentrieren können wirst.
Woher willst du das wissen?, brummte ich die Stimme an und las mir die Aufgabe im Buch erneut durch. Vielleicht würde ich sie ja bei diesem Anlauf verstehen.
Weil ich du bin. Und du weißt, dass du dich mit Lavender aussprechen musst.
Ein Bild eines höhnisch grinsenden Schädels erschien in meinem Kopf. Hätte die Stimme nicht vorher schon so viel Unheil angerichtet, dann hätte ich vielleicht einfach versucht ihn zu ignorieren, aber so spürte ich, wie mein Blut langsam anfing zu brodeln.
Er lachte.
"Halt die Klappe!"
Ich verstand erst, dass ich es laut gesagt hatte, als dutzende von Blicken - verwirrt und was-ist-mit-dem-denn-bitte-falsch - sich durch mich hindurchbohrten.
Scheiße. Diese Situation konnte man dann wohl als extrem peinlich einstufen, vor allem, als ich bemerkte, dass meine besten Freunde mit mit der zweiten Art von Blick musterten. Mit glühendem Kopf und einem schrecklich unangenehmen Kribbeln im ganzen Körper, das nicht mehr Wut signalisierte, versteckte ich mich hinter meiner Pergamentrolle und tat wahrscheinlich fünf Minuten so, als würde ich etwas schreiben (obwohl ich die Aufgabe natürlich auch jetzt noch nicht verstanden hatte), bevor ich mich traute einen kurzen Blick zu den anderen Gryffindors zu werfen.
Besser gesagt zu Harry und Hermine, die sich schon wieder über ihre Hausaufgaben gebeugt hatten. Ich war sicher, dass mich gelegentlich jemand anders von irgendwo aus dem Raum anschaute, also vermied ich es dem Blick dieser Person(en) zu begegnen, indem ich Hermine dabei beobachtete, wie sie in ordentlicher Blockschrift einen Zeile nach der anderen schrieb.
Schließlich räusperte ich mich vorsichtig. Beide sahen auf und ich verstand den Zweifel in ihren Augen nur zu gut. Genauso gut, wie ich wusste, dass nichts mehr so sein würde wie es gewesen war, wenn ich ihnen sagte, was ich vorhatte. Ich räusperte mich noch einmal, holte tief Luft und versuchte mich an einem nervösen Lächeln. "Ich habe beschlossen mit Lavender zu reden."
Ich weiß, es ist nicht mehr Freitag, aber nächste Woche sind bei mir Ferien also schaffe ich es vermutlich öfter zum Schreiben zu kommen.
Also lasst uns ein drittes Mal hoffen.
LG, Fuchsjunge
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Wer bist du? - Blairon
FanficRon weiß nicht von wem, auch nicht wieso auf einmal, aber eines Morgens findet er einen Liebesbrief neben seinem Kopfkissen. Auf diesen folgen drei weitere, danach bricht sein Kontakt zu dieser Person ab. Er weiß nur, dass sie auf jeden Fall unerkan...