24. Kapitel

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Luke's P.o.V.

Die Tage bis zum Freitag gestalteten sich in einer fast schon beängstigenden Normalität. Für einige Tage schien es so, als wäre wieder alles wieder beim Alten. Mein Vater war wieder in das Loch zurückgekehrt aus dem er gekrochen war, hatte jedoch klar gestellt, dass er uns in Zukunft finanziell unterstützen würde. Ich war froh, dass er weg war, denn der ganze Trubel hatte keinem von uns gut getan und vor allem meiner Mutter hatte das alles ganz schon zugesetzt. Ebenso war ich froh den Streit mit meiner Mutter einigermaßen geklärt zu haben. Ich mochte es nicht, wenn wir uns uneinig waren.

Doch an der Schule und insbesondere an meiner Clique war diese Normalität leider vorüber gegangen. Es herrschte komische Stimmung. Die meisten Schüler hatten meinen Ausraster am Montag mitbekommen und die wenigen die es verpasst hatten, waren dank einigen gesprächigen Tratsch Tanten auf dem neusten Stand gebracht worden. Ich spürte ihre neugierigen Blicke auf mir, es fühlte sich an, als würden sie sich in meine Haut bohren, überall hörte ich sie Flüstern und Tuscheln. Sie alle zerrissen sich das Maul über mich und Caro, ‚die Kinder des Asozialen' wie Laura-Sophie uns getauft hatte. Zum Glück waren nicht alle so überheblich wie diese dumme Kuh. Doch auch Sie verlor langsam das Interesse und würde sich schon bald neuerem Klatsch und Tratsch zuwenden.

Meine Freunde hatten den Vorfall nicht weiter erwähnt, wofür ich ihnen sehr dankbar war, jedoch hatte ich das Gefühl Vanessa wäre ein klein wenig enttäuscht, dass ich ihr nie von meinem Vater erzählt hatte. Sie ließ es sich nicht wirklich anmerken, doch ich war schon lange genug ihr bester Freund um zu wissen, wie sie tickte. Im Moment war sie jedoch viel zu beschäftigt damit sich mit Robin zu duellieren, wem es egaler war, was der jeweils andere machte. Das sah in etwa so aus: Vanessa hatte ein Date, Robin hatte einen riesigen Knutschfleck am Hals, Vanessa saß in der Pause auf dem Schoß von einem der beliebtesten Typen der Schule, Robin flirtete mit Laura-Sophie. So ging das die ganze Zeit. Man muss nicht extra dazu erwähnen, wie lächerlich sich die beiden dabei machten.

Aber auch Zack benahm sich komisch, es schien als wollte er mich keine Sekunde aus den Augen lassen, er beobachtete mich ununterbrochen, so als würde etwas in der Art wie ich mich bewegte oder in den Worten die ich sprach, ihm eine Antwort geben auf die Frage die er sich offensichtlich stellte. Ich wurde das Gefühl nicht los dass er etwas wusste, dass er nicht wissen sollte. Seit Montag benahm er sich schon so komisch, dabei war es doch eigentlich ein schöner Nachmittag gewesen. Wir hatten eine Menge Spaß zusammen gehabt, seit langem hatte ich nicht mehr so viel gelacht. Für eine kurze Zeit war alles vergessen, die Diagnose meiner Mutter, das Erscheinen meines Erzeugers, die Angst vor der Zukunft, dieses Gefühl Nutzlos zu sein, dass tief in meinem Inneren an mit knabberte, es war alles vergessen. Dieser Moment auf der Bank, er war mir die letzten Tage nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Die Art wie er mich angesehen hatte, die Sachen, die er gesagt hatte, das Gefühl als unsere Hände sich berührten. Für Manchen mag das kitschig klingen, aber für mich war dieser Moment magisch gewesen. Ich wusste nicht, was aus Zack und mir werden würde, doch ich wusste dieser Moment würde mir für immer bleiben.

„Luke! Verdammt hörst du mir überhaupt zu?" mein rechtes Ohr schmerzte, wie jedes Mal, wenn Vanessa aufgebracht war, wurde ihre Stimme schrill und unerträglich.
„Die letzten zehn Minuten nicht wirklich, aber du hast sowieso nur über Robin geschimpft." erwiderte ich gelangweilt.
„Das stimmt doch gar nicht!" rief sie empört und ich hatte das Gefühl mein Trommelfell verabschiedete sich gerade, weshalb ich sicherhalshalber nicht widersprach. „Er ist nur so ein Idiot! Wie tief kann man sinken um sich mit Laura abzugeben?" keifte sie weiter.
„Laura-Sophie." verbesserte ich sie automatisch. Sie ging aber gar nicht darauf ein.

„Bestimmt hatte er von ihr diesen ekelhaften Knutschfleck..." Ihre Stimme trifte nur so vor Verachtung und Abscheu, dennoch konnte sie den verletzten Ausdruck in ihren Augen nicht kaschieren. Ich wusste, dass sich die beiden nur gegenseitig verletzten mit ihren dummen Aktionen, aber sie wollte es nicht kapieren.
„Staubsauger." warf ich ein. Sie unterbrach ihre Schimpftirade um mich verwirrt zu mustern. Ich konnte kleine Fragezeichen um ihren Kopf tanzen sehen. Vielleicht lag das aber auch nur an meinem akuten Schlafmangel. Gestern war es meiner Mutter wieder schlechter gegangen und ich hatte die ganze Nacht an ihrem Bett gesessen und kein Auge zugemacht. Ich konnte nicht anders, die Angst war zu groß, dass sie einfach zu atmen aufhören würde, wenn ich nicht dort saß.

„Es war ein Staubsauger." herzhaft gähnte ich. Vanessa verstand immer noch nicht was ich meinte. „Der Knutschfleck. Robin hat ihn sich mit einem Staubsauger selber gemacht. Ist ziemlich offensichtlich. Keiner außer dir hat ihm das abgekauft. Ich wette er hatte auch nichts mit Laura-Sophie. So wenig Selbstachtung hat er dann doch nicht. Hoffe ich zumindest." So hatte ich mir die Freistunde nicht vorgestellt. Ich hatte gehofft noch ein bisschen Kraft zu tanken vor der anschließenden Doppelstunde Mathe die mir bevorstand. Eigentlich hätte sowas verboten werden sollen, Doppelstunde Mathe und das auch noch in der Fünften und Sechsten Stunde an einem Freitag, das war Folter pur.

Ein vibrieren in meiner Hose zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich hatte eine Nachricht von Detlef bekommen, meinem Chef aus der Bar, er schrieb dass ich heute Frei hatte, da es einen Wasserrohrbruch in der Bar gegeben hatte. Genau in dem Moment als Vanessa zu erneuten Beschimpfungen ansetzen wollte begannen Schülermassen in die Cafeteria, in der wir die Freistunde verbracht hatten, zu stürmen. Anscheinend hatten wir jetzt Pause. Als ich Caro in der Menge entdecke, kam mir eine Idee.

„Rede mit Robin! Dieser Kindergraten muss aufhören." sprach ich an Vanessa gewandt. „Ich muss jetzt gehen, wir sehen uns Montag oder so." waren meine Worte bevor ich aufsprang und eilig auf meine Schwester zuging.

„Für heute ist die Schule für dich zu Ende!" teilte ich meiner kleinen Schwester mit sobald ich sie erreicht hatte, nahm sie an der Hand und zog sie mit mir mit.
„Wieso? Ich habe noch zwei Stunden Kunst. Ist etwas passiert?" Verwirrung und Besorgnis sprach aus ihrer Stimme.
„Keine Sorge alles gut, aber ich habe einen Plan." erklärte ich geheimnisvoll, während ich sprach tippte ich bereits seine Nummer in mein Handy ein.
„Das kann ja nur schief gehen, wenn du etwas planst." seufzte sie. Mittlerweile hatten wir den Ausgang der Schule erreicht und überquerten den Schulhof.
„Meine Pläne sind immer brillant! Und jetzt schweig, Weib!" erwiderte ich gespielt eingeschnappt, drückte auf den grünen Hörer und hielt mir das Handy ans Ohr.

Es dauerte nicht lange bis er ran ging.
„Luke was..." weiter kam er nicht da ich ihn unterbrach.
„Hast du heute etwas vor?" fragte ich gerade heraus.
„Eigentlich nichts. Ich habe heute Frei, aber wie..." wieder ließ ich ihn nicht ausreden.
„In einer halben Stunde. Bei uns. Vergiss dein Auto nicht." schon hatte ich aufgelegte.

„Luke du machst mir langsam Angst! Was hast du vor? Und wohin gehen wir überhaupt?"

„Wir holen Mia vom Kindergarten ab. Und dann machen wir einen Familienausflug!"

„Einen Ausflug? Wohin?"

„Zurück zu schöneren Zeiten."

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Hat jemand eine Idee wen Luke angerufen haben könnte?

Liebe stirbt nicht! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt