40. Kapitel

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Luke's P.o.V.

„Luki? Was machst du da?" fragte eine leise Kinderstimme von außerhalb meines Schutzwalles, bestehend aus Baumwolle und Polyester. Es war eine Angewohnheit aus Kindertagen, mich unter meiner Decke zu verstecken, wann immer mir etwas Angst machte. An sich hatte ich diese kindische Angewohnheit schon in längst vergangenen Tagen abgelegt, doch auch heute noch spürte ich dieses beruhigende Gefühl nach Sicherheit, wenn ich mir die Decke über den Kopf zog und mich darunter verkroch. Auch wenn mir mit meinen nun Achtzehn Jahren sehr wohlbewusste war, dass die dünne Stoffdecke wohl gegen die wenigsten Dinge einen reellen Schutz bieten würde.

Vorsichtig hob Mia die Bettdecke an und streckte ihren Kopf darunter. Einzelne Lichtstrahlen fielen in meinen dunklen Zufluchtsort.

„Ich verstecke mich.", murmelte ich.

„Und vor was?", neugierig legte sie den Kopf schief.

„Vor allem."

„Darf ich mich mit verstecken?"

„Komm her." Sie krabbelte mit ihrem Stoffschaf im Arm mit unter die Decke und die beruhigende Dunkelheit kehrte zurück.

Es war später Donnerstagnachmittag. Dieser Tag hatte mich geschafft. In der Schule hatte ich kein Wort mit meinen Freunden gewechselt. Aus Angst sie würden mich verachten, hatte ich Abstand zu ihnen gehalten. Doch auch keiner von ihnen hatte irgendwelche Anstalten gemacht mit mir reden zu wollen, nicht einmal Zack. Ich fühlte mich in meinen Befürchtungen bestätigt, dass sie alle und vor allem Zack nun wohl endgültig genug von mir hatten. Man konnte es ihnen nicht einmal verübeln in Anbetracht der Tatsache was für ein riesen Arsch ich gewesen war. Zusätzlich hing mir das gestrige Telefonat mit meiner Großmutter noch nach. Gemischt mit dem fehlenden Schlaf, da ich die letzten Tage kaum bis gar nicht schlafen konnte, ergab das einen explosiven, oder eher depressiven Cocktail.

„Warum genau versteckst du dich?" fragte Mia neben mir, ihre Stimme klang gedämpft unter dem Mantel der Decke.

„Weil ich Angst habe."

„Vor was?"

„Mir wird das alles zu viel. Ich habe Angst irgendetwas falsch zu machen, ich habe Angst, dass ich das alles nicht geregelt bekomme, ich habe Angst das ich Zack jetzt für immer verloren habe, Angst meinen Freunden gegenüber zu treten. Ich habe Angst, dass ich Mama nicht gerecht werde, ich habe Angst erwachsen zu werden, Angst nicht stark genug zu sein, ich habe Angst vor dem hier und jetzt, ich habe Angst vor der Zukunft, ich habe Angst zu scheitern und ich habe Angst vorm Vergessen. Eigentlich macht mir im Moment alles Angst."

„Das wird schon wieder Luki!" sagte Mia und umarmte mich, soweit ihre Ärmchen reichten, von der Seite.

Da lag ich nun, im Dunkel der behütenden Decke wie ein verängstigter vier jähriger und ließ mich von meiner kleinen Schwester trösten.

„Wovor hast du Angst, Mia?" fragte ich in die Dunkelheit hinein.

„Ich habe Angst, weil du Angst hast."

Ich wusste nicht, wie lange wir zwei so dort lagen, aneinander gekuschelt, jeder in seinen Gedanken versunken, doch ich wusste, dass es vorbei war, als Caro durch die Eingangstür gepoltert kam.

„Bin wieder da!" rief sie.

„Bei Luki!" rief Mia zurück.

Schritte kamen näher, betraten mein Zimmer, mit einem Schwung wurde uns unser Schutzwall entrissen und Caros fragender Blick traf uns.

„Was um alles in der Welt tut ihr da?"

„Uns verstecken." Gab ich monoton zurück.

„Und vor was genau versteckt ihr euch?"

Liebe stirbt nicht! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt