40 - Das Licht

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Das Schwert und der Wind in ihr trieben sie an. Lenoa konnte und wollte nichts anderes tun, als diesem Drang nachzugeben und nach Südwesten zu eilen, dorthin, wo sie sein sollte.

Es war reinste Folter für sie, zu warten, bis die anderen vier ihre Sachen zusammengepackt hatten und ebenfalls aufbruchsbereit waren. Lenoa verstand nicht, wie sie immer noch erschöpft sein konnten. Wie sie nicht diese unbändige Energie spüren konnten, die sie nach Südwesten zog.

Arsiena fand einen Stock, auf den sie sich beim Laufen stützen konnte, doch mit ihrem beinahe unbrauchbaren Bein kam sie nur langsam voran. Einer undefinierten Eingebung folgend, legte Lenoa eine Hand auf Arsienas Oberschenkel und schloss die Augen.

Wie schon in den Bergen bei Arian, zapfte sie die Energie des Windes an und leitete sie weiter in den Körper der Inaari, die hörbar aufstöhnte. Unweigerlich dachte sie an ihre vergeblichen Versuche bei Malion, doch dieses Mal fiel es ihr leichter als bei Arian und sie fragte sich kurz, ob sie das für immer würde tun können.

Doch sogleich wurde dieser Gedanke wieder durch den Drang abgelöst, endlich loszulaufen. Arsiena ging es sichtlich besser danach und sie konnte humpelnd und auf den Stock gestützt eine einigermaßen akzeptable Geschwindigkeit halten.

Lenoa lief voraus, Inzarn fest in der einen Hand, die andere nervös zu einer Faust geballt. Innerhalb kürzester Zeit waren sie alle wieder bis auf die Knochen durchnässt, das schwarze Wasser tropfte ihnen von Haaren und Wimpern ins Gesicht. Es wurde so dunkel, dass sie kaum mehr sehen konnten, wo sie hintraten.

Das Schwert schimmerte noch immer und ließ eine blaue Flamme der Hoffnung in Lenoa brennen. Nach einer langen Weile, die ihr in ihrem Tatendrang wie eine Ewigkeit vorkam, erreichten sie das Ufer des Gordams, der inzwischen begann, über seine Ufer zu treten.

,,Und jetzt?", fragte Arian, gerade, als ein weiterer Donnerschlag die Erde erzittern ließ, doch Lenoa sagte nichts. Sie wusste, dass sie sich am Rande des Ligor-Beckens befanden. Der Fluss verbreiterte sich hier stark, das Wasser floss normalerweise ruhig und gleichmäßig.

Ein Flüstern erklang in ihrem Ohr. Eines, das sprudelnd und frisch und lebendig klang, so ganz anders als dieses Gewitter.

Blaue Klinge.

Und da wusste sie, dass trotz der Dunkelheit, trotz der Schwärze, Kaorea, der Führer des Stammes der Alanarae, über den Fluss und den Regen gebieten konnte.

Langsam bewegte sie einen Fuß auf den schwarzen Fluss zu. Kleine Wellen bildeten sich, ungeachtet der unruhigen, schäumenden Schwärze und trieben von allen Seiten auf ihren Fuß zu.

Das Wasser trug sie.

Bedacht setzte sie einen Fuß vor den anderen. Der Fluss schien um sie herum langsamer zu werden, bildete eine glatte Fläche, bis auf die kleinen Wellen, die sie trugen. Balyna zuckte umher, drängte sie vorwärts.

Lenoa spürte es, als sie in der Mitte des Beckens angekommen war. Der Wind schien von allen Seiten zu kommen und gleichzeitig aus ihr herauszuströmen. Der Regen erreichte sie nicht mehr. Das Donnern und das Blitzen schienen weit entfernt zu sein.

Vor ihr kräuselte sich das schwarze Wasser. Winzige Kieselsteine erschienen, verdichteten sich, wurden zu einer Steinplatte. Es war realer Stein, doch Lenoa wusste, dass es lediglich eine Abbildung war. Ein Podest erhob sich vor ihr aus dem Wasser. Die Ecken und Kanten flirrten, einige Kiesel schienen noch ihren rechtmäßigen Platz zu suchen, um den Steinsockel zu vollenden.

In diesem Moment verstand sie. Die Königin der Inaari'i sicherte das gesunde Leben in Arlemia, das Gleichgewicht der Natur. Die Krone war der Schlüsselpunkt dafür. Das Wasser war in jedem Lebewesen, war der Ursprung und die Voraussetzung des Lebens und deshalb mit Elrysia verbunden, auf eine Weise, die niemand erklären konnte. Dies war der Auslöser dafür, dass Balyna sich geregt hatte, als sie über den Linarw gelaufen war. Deshalb ehrte Kaorea und sein Stamm sie.

Ma'kani - Auserwählte der Inaari'iWo Geschichten leben. Entdecke jetzt