Kapitel 10

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Nachdem ich es durch meine etwa einen halben Meter dicke Eiskuppel geschafft habe, stehe ich plötzlich wieder mitten im Sandsturm. So richtig habe ich mir noch keine Gedanken darüber gemacht, wie ich das jetzt anstellen soll, doch irgendwas werde ich schon improvisieren können.

Mit geschlossenen Augen stehe ich im Sandsturm und denke an die Worte von Alex zurück. Ein Ritter in einer Rüstung. Mal sehen, ob sich das bewerkstelligen lässt. Langsam beginne ich damit mich an den Füßen selbst einzufrieren. Die Kälte spüre ich kein bisschen, weshalb ich etwas schneller weiter mache. Die Sandkörner kratzen unangenehm über die Haut und verursachen sicherlich die ein oder andere Schürfwunde. Zumindest brennt es an einigen Stellen ziemlich.

Zum Schluss umschließe ich meinen Kopf. Davor hatte ich am meisten Bedenken. Doch die waren unbegründet. Wie unter Wasser kann ich auch umschlossen von Eis ohne Probleme atmen. Vorsicht öffne ich die Augen, kann jedoch nur verschwommen etwas erkennen. Genervt versuche ich das Eis so zu verändern, dass ich mehr sehen kann, leider ist es aber immer noch als wäre ich unter Wasser. Aber damit muss ich jetzt erst mal klar kommen. Später kann ich das sicherlich noch verbessern. Aber nun ist Rosie erstmal wichtiger.

Schwerfällig laufe ich vorwärts. Das alles ist irgendwie schwieriger als ursprünglich von mir angenommen. Doch im Gegensatz zu den anderen kann ich mich wenigstens draußen bewegen. Daher laufe ich nun einfach weiter. Nur vereinzelt kann ich Stimmen hören, doch ich versuche in diese Richtung zu gehen.

Zum Glück kann niemand sehen, wie ich immer wieder stolpere und zu Boden gehe. Man kann einfach die Hand nicht vor Augen sehen. Mühsam kämpfe ich mich zwischen den Bäumen hindurch, bis ich den See hinter mir gelassen habe und weiter in den Wald eintauche.

Als ich schon der Meinung bin, dass ich eine Pause brauche, stolpere ich mal wieder über eine Wurzel oder so und schlage der Länge nach auf den Boden. Mühsam stehe ich wieder auf und erstarre mitten in der Bewegung. Ich habe Rosie gefunden.

Sie sitzt am Boden. Den Kopf auf den Knien und die Hände darüber. Ich kann ihr ihre Überforderung ansehen und vollkommen nachvollziehen. Wie bei mir damals ist es hier Windstill, nur das der Sand den Boden komplett bedeckt. Einige Erdbrocken ragen an der Seite aus dem Boden und ich sehe gelegentlich Wasser oder Feuer dahinter hervorschießen.

Das Eis lasse ich von meinem Kopf abplatzen und kann nun wieder viel besser sehen. Mühsam kämpfe ich mich durch den Sand und setze mich schließlich neben Rosie. Anfangs scheint sie mich nicht zu bemerken, doch irgendwann hebt sie den Kopf und starrt mich mit Tränen in den Augen an.

"Weißt du, dass habe ich auch mal gemacht. Vor etwa einem Jahr. Nur habe ich einen ordentlichen Schneesturm verursacht.", gebe ich mit einem kleinen Lächeln von mir und sehe mich um. Schon damals ist Jace mir gefolgt und hat mir geholfen. Nun kann ich die Hilfe vielleicht weitergeben.

"Ich habe es gesehen. Und hatte furchtbare Angst davor.", flüstert Rosie neben mir und sieht mich mit ihren großen braunen Augen an wie ein erschrockenes Reh. Sie tut mir im Moment wirklich leid. Doch ich weiß nicht so recht, wie ich ihr helfen soll. Wir sind so unterschiedlich. Und Johanna und Jonas sind bei dem Versuch Rosie zu beruhigen nicht gerade eine Hilfe. Denn genau in diesem Moment bekommen sie die Felswand gesprengt und retten sich hustend in diese windfreie Zone. Langsam gehen sie mir wirklich auf die Nerven.

Da die zwei gerade noch abgelenkt sind gehe etwas näher an sie heran und schließe sie so schnell wie möglich in eine kompakte Eiskugel ein. Ich bin von mal zu mal glücklicher das ich das achte Element habe und nicht Wasserdampf oder Sand. Das wäre beides so gar nicht meins.

Von meinem Kampf mit Amelia und Timothy habe ich gelernt, dass ich jemanden ungefähr eine halbe Stunde lang einfrieren kann, bevor er langfristige Schäden davontragen kann. Weshalb ich keinerlei Gewissensbisse verspüre. Die Zwillinge verkraften das schon. Stattdessen wende ich mich nun wieder Rosie zu und lasse mich neben sie in den Sand fallen.

"Am Anfang machen einem die Elemente etwas Angst, das stimmt. Gerade, wenn es niemanden gibt, der einem beim erlernen helfen kann. Aber irgendwann hat man dann den Dreh raus.", versuche ich ihr gut zuzusprechen, doch es scheint nicht sehr erfolgreich zu sein. Ihr laufen noch immer Tränen übers Gesicht.

"Weißt du, in Jace hast du einen wirklich guten Lehrer gefunden. Und vor allem hat er auch schon Erfahrung darin. Was glaubst du denn, wer mich in mitten von diesem Schneesturm gefunden hat?", meine ich schief grinsend und sehe nun echte Überraschung in Rosie's Augen aufblitzen. "Jace hat dir damals geholfen?", flüstert sie noch immer sehr leise und unsicher, doch endlich laufen ihr keine neuen Tränen übers Gesicht. "Oh ja. Aber das erzähle ich dir ein anderes Mal. Erstmal sollten wir diesen Sturm hier beenden.", fordere ich Rosie auf und stehe auf. Notgedrungen folgt sie mir, steht denn jedoch nur unsicher neben mir und sieht sich um.

Nun kann ich erkennen, dass sie eine heftige Verbrennung an der Seite hat und könnte Johanna und Jonas dafür schlagen. Wie kann man nur so unverantwortlich sein? Jetzt weiß ich, warum man das Serum und seine damit verbundenen Kräfte erst so spät bekommt. Man braucht erstmal eine gewisse Reife, um nicht ständig andere damit verletzen zu wollen. Das müssen die Zwillinge noch dringend lernen.

"Mach die Augen zu und konzentriere dich. Deine Elemente sind ein Teil von dir. Und wenn du tief in die hinein horchst, dann kannst du es auch spüren.", gebe ich ruhig von mir und denke an meine eigenen Elemente, welche mich nun schon so lange begleiten. "Beim Wind kann ich versuchen dir zu helfen. Aber mit Erde und Sand kenne ich mich leider überhaupt nicht aus.", biete ich an, als ich die Verzweiflung auf Rosie's Gesicht sehe.

Doch auch mit meiner Hilfe schaffen wir es nicht den Sandsturm merklich einzudämmen. "Okay.", gebe ich leise von mir und rüste mich für einen letzten Versuch. "Richte alles auf mich. Alle Wut, Verzweiflung und Angst, die du hast. Stell dir vor, dass ich an allem Schuld bin.", verlange ich und stelle mich etwa vier Meter von Rosie entfernt auf. "Das kann ich doch nicht machen!", flüstert sie entsetzt und scheint sich gegen meinen Vorschlag wehren zu wollen.

"Ich habe gegen Jace's Elektrizität bestehen können. Lass uns testen, ob Sand stärker ist!", verlange ich mit einem beruhigenden Lächeln und mache mich bereit. Meine Eisrüstung verstärke ich und bedecke auch wieder meinen Kopf. Immer weiter bedecke ich mich mit Eis und hoffe, dass es ausreichen wird. Und dann spüre ich, wie sich der Sturm auf mich konzentriert.

Doch ich halte dagegen. Mit allem was ich habe. Und das ist auch notwendig. Ich muss alles an Energie aufwenden, was mir zur Verfügung steht. Rosie ist stärker als ich angenommen habe. Doch ich kann noch gegen sie bestehen. Zumal sie keinerlei Übung damit hat. Trotzdem bin ich froh, als der Angriff endlich aufhört und ich eine Pause einlegen kann. Für heute reicht es erstmal. So müde bin ich lange nicht mehr gewesen.

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