Kapitel 4

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Unser erster Übungstag ist nicht sonderlich erfolgreich verlaufen, trotzdem habe ich beste Laune, als wir uns alle wieder in der Mensa treffen. Alex und ich ziehen uns noch immer gegenseitig damit auf, dass wir es nicht hinbekommen haben und lachen sehr viel, als wir uns mit unserem Kartoffelbrei und Fischstäbchen zu den anderen setzen.

„Wie war euer erster Tag?", will ich grinsend von meinen Freunden wissen, welche alle nichtssagend mit den Schultern zucken oder die Augen verdrehen. Scheinbar nicht so lustig wie unserer. „Langweilig.", gibt Flavia schließlich genervt von sich und sieht sich bei uns in der Mensa um. Bis ihr Blick an jemandem hängen bleibt. Und als ich über meine Schulter schaue erkenne ich sofort, wer ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.

Johanna und Jonas, wie ich annehme. Beide stehen noch etwas verloren im Raum und wissen scheinbar nicht, wo sie wirklich hin sollen. Doch schneller als ich irgendetwas tun könnte, ist bereits eine andere Schülerin bei ihnen. Weshalb ich mich darauf beschränke Johanna einmal zuzuwinken, als sie in meine Richtung sieht.

Schüchtern winkt sie zurück, ehe sie ihrem Bruder folgt. Immerhin diese beiden haben relativ schnell Anschluss gefunden. Und so selbstbewusst, wie Johanna mir begegnet ist, wird sie sicherlich auch sehr schnell Freunde finden. Da bin ich ziemlich sicher.

Schnell esse ich weiter und beobachte meine Freunde. Ich bin sehr froh sie alle zu haben. Auch, wenn wir uns nicht immer hervorragend verstehen oder einer Meinung sind. Aber wir sind ja gerade deswegen Freunde, weil wir uns trotz Meinungsverschiedenheiten immer aufeinander verlassen können.

„Was denkt ihr wer dieses Jahr die Schulwettkämpfe gewinnen wird?", höre ich Flavia fragen und sehe sie irritiert an. Es ist noch ein halbes Jahr Zeit bis dahin. Wieso macht sie sich jetzt schon Gedanken darüber? Außerdem wird nach allem was letztes Jahr geschehen ist wohl kaum einer meiner Freunde freiwillig daran teilnehmen. Hoffe ich zumindest.

„Ist mir vollkommen egal.", antworte ich daher etwas genervt und verdrehte die Augen. Ehrlich gesagt will ich über die Kämpfe und ganz besonders das Finale nicht mehr weiter nachdenken. Ich hätte beinahe jemanden getötet und versuche seitdem die Schuldgefühle daran zu verdrängen.

Aus meinen düsteren Gedanken werde ich erst gezogen, als sich Jace und Rosie zu uns an den Tisch setzen. Was meine Laune noch weiter sinken lässt. Schnell packe ich meine Sachen zusammen und verabschiede mich von den anderen. Ich habe keine Lust mehr Jace und Rosie in trauter Zweisamkeit zu beobachten. Das muss ich mir wirklich nicht antun.

Schnell bringe ich mein Geschirr weg und gehe wieder zum See. Dort tauche ich direkt unter Wasser und genieße die Stille. Es ist so angenehm hier, seit ich das Element zumindest annähernd beherrsche. Warum klappt es da mit der Luft nicht so gut?

Mit neuem Ehrgeiz klettere ich wieder aus dem Wasser und schließe die Augen. Es muss doch möglich zu sein auf Luft zu laufen, wie ich es auf dem Wasser tun kann! Noch immer mit geschlossenen Augen stelle ich mir eine Treppe aus Luft vor und versuche sie nach oben zu gehen. Und als ich den Fuß hebe und plötzlich etwas weiter oben stehe, kann ich ein kleines Lächeln nicht unterdrücken. Man muss nur wissen wie.

Nach und nach erklimme ich die Stufen, noch immer mit geschlossenen Augen. Bis ich das Gefühl habe, das ich etwa fünf Meter erreicht habe und es nun erstmal reicht.

Doch leider habe ich mich mal wieder grandios verschätzt. Ich bin etwa zehn Meter hoch und befinde mich auch nicht mehr über dem See. Das nächste Mal sollte ich alles mit offenen Augen versuchen, auch wenn man sich so schlechter konzentrieren kann. Denn nun habe ich ein Problem.

Wackelig versuche ich oben zu bleiben, doch meine aufsteigende Panik macht es noch schwieriger mich zu konzentrieren. Und dann falle ich etwa zwei Meter runter, ehe ich mich wieder fangen kann. Einen kleinen Aufschrei kann ich nicht unterdrücken, versuche aber trotzdem wieder mich zu beruhigen. Auch, wenn ich nun etwas ungelenk etwa sechs Meter quer in der Luft schwebe. Was mache ich denn jetzt nur?

Zunehmend verzweifelt versuche ich mich wieder aufzurichten, falle aber erneut nach unten. Nun bin ich endgültig panisch und nicht mehr in der Lage mich zu konzentrieren. Und falle einfach nur wie ein Stein zu Boden. Nicht mal mehr ein Schrei entringt sich mir, so erschrocken bin ich. Mit zusammengekniffenen Augen warte ich einfach darauf, dass ich auf dem Boden aufschlage, doch nichts dergleichen passiert.

Statt einfach dumpf auf dem Boden aufzuschlagen werde ich aufgefangen. Vor Schreck kann ich gar nicht gleich bewegen und rühre daher einen Moment lang keinen Muskel, während ich versuche wieder zu Atem zu kommen. „Sag bloß du wolltest dich umbringen.", werde ich aus meinem Schock gerissen und kann nicht glauben, wer mich da offenbar aufgefangen hat. Und als ich es schließlich doch schaffe und mich überwinde die Augen zu öffnen, wird meine Vermutung leider bestätigt.

Jace ist mir wohl gefolgt und war gerade rechtzeitig da, um mich aufzufangen. Und so langsam realisiere ich auch, dass ich noch immer vollkommen hilflos in seinen Armen rumhänge. „Lass mich runter.", verlange ich daher einfach nur so beherrscht wie möglich und versuche meine drunter und drüber laufenden Gefühle in den Griff zu bekommen.

Und als Jace mich schließlich auf dem Boden abgesetzt hat schaffe ich es schließlich auch ihm in die sturmgrauen Augen zu sehen. Vor einigen Wochen konnte ich in ihnen noch ablesen, was in Jace's Inneren vor sich geht. Doch diese Fähigkeit scheint mir abhanden gekommen zu sein. Inzwischen habe ich das Gefühl, dass wir kaum mehr als Bekannte füreinander sind, was mich direkt wieder schmerzt.

„Danke fürs auffangen.", gebe ich leise gemurmelt von mir und drehe ich wieder um, damit er mir den Schmerz nicht ansieht. Doch ich komme nicht weit, da habe ich seine Hand auf meiner Schulter, welche mich aufhält. „Nicht so schnell. Wir haben uns in den letzten Tagen kaum gesehen, geschweige denn miteinander gesprochen.", beginnt Jace und läuft um mich herum, um mich anzusehen.

„Was ist los?", will er bestimmt wissen und mustert mich genau. Doch ich kann es ihm nicht sagen. Mir ist doch gerade erst klar geworden, dass ich in diesen Idioten verliebt bin. Und dabei ist er doch gerade dabei seine Zeit mit einem anderen Mädchen zu verbringen. Die ich wahrscheinlich nur nicht leiden kann, weil ich eifersüchtig bin. Wieso muss das Leben nur so furchtbar kompliziert sein?

„Lass gut sein, Jace.", flüstere ich daher leise, obwohl ich innerlich darauf hoffe, dass er mich trotzdem weiter löchern wird. Bisher habe ich Jace nämlich eher als stur und nervig kennen gelernt. Und genau das scheint er noch immer zu sein. Denn sein Griff um meine Schulter verstärkt sich noch einmal und er öffnet schon den Mund um etwas zu sagen. Doch bevor das geschieht werden wir durch lautes Rufen unterbrochen.

Als ich über meine Schulter sehe kann ich Rosie erkennen und in etwas weiterer Entfernung hinter ihr unsere anderen Freunde. Welche jedoch bei unserem Anblick stehen geblieben sind. Nur Rosie scheint uns etwas Privatsphäre nicht zu gönnen.

Mit zusammen gepressten Lippen schiebe ich die Hand von Jace von meiner Schulter und laufe an ihm vorbei in Richtung des Sees. „Versprich mir bitte das schweben nicht alleine zu üben!", ruft Jace mir noch hinterher, weshalb ich mich tatsächlich noch einmal umdrehe. Rosie ist inzwischen bei Jace angekommen und hat eine Hand auf seinen Arm gelegt.

Kurz nicke ich Jace zu, denn etwas anderes hatte ich sowieso nicht vor. Dieser eine Schreck hat definitiv gereicht. Dann lasse ich mich im Wasser versinken. Hier, wo ich erstmal über meine Gefühle und die mir offen stehenden Optionen nachdenken kann. Ein Ort, an welchem mich niemand stören kann. Der Grund des Sees ist mein persönlicher Rückzugsort. Und dazu noch viel sicherer als die luftige Höhe.

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