Kapitel 34

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Es hat mich überrascht, doch nach einigen Minuten Fußmarsch sind wir am Rande einer abgelegenen Straße auf eine parkende Autokolonne gestoßen. Hier wurde mir kommentarlos ein Sitzplatz zugewiesen. Meine angeblichen Eltern sind nicht mit mir im Auto gefahren, sondern woanders eingestiegen. Ich bin etwas enttäuscht, denn mir brennen Unmengen an Fragen auf der Zunge. Doch ich werde mich gedulden müssen. Außerdem verunsichert es mich, wie ich von meinen Mitreisenden die ganze Zeit skeptisch beäugt werde.

Der Fahrer mustert mich immer wieder im Rückspiegel und die Beifahrerin sieht mich durch den Seitenspiegel an. Neben mir sitzt eine ältere Dame und starrt mich ganz unverhohlen an, was mich noch unwohler fühlen lässt, als ich mich fühlen müsste. Das machen sie sicherlich mit Absicht. Sie wollen mich verunsichern und schwach machen. Doch das wird nicht passieren. Daher erwidere ich ihren Blick entschlossen und warte auf unsere Ankunft. Ich werde die Wahrheit erfahren und zu meinen Freunden zurückkehren. Das schwöre ich mir.

Wir fahren einige Stunden und steigen anschließend sogar noch in ein größeres Privatflugzeug, welches uns eine weitere Stunde entfernt an einem entlegenen Ort raus lässt. In all der Zeit habe ich leider keine Chance mit meinen angeblichen Eltern zu sprechen, welche sich immer wieder mit den unterschiedlichsten Leuten in den hinteren Teil der Maschine begeben. Immer wenn ich zu ihnen will, werde ich aufgehalten, was wirklich frustrierend ist. Doch dieses Flugzeug zu vereisen hätte mir auch nicht weiter geholfen.

Daher übe ich mich in Geduld, was mir gar nicht liegt und steige in einen weiteren Wagen, welcher uns schließlich zu einem abgelegenen Schloss bringt. Mit einem Turm und drei Etagen, welche sich zu einem Quadrat zusammenschließen und den Turm umgeben. Wir fahren hinein und parken im Innenhof. Staunend sehe ich mich um, werde aber direkt weiter geführt, bevor ich mir alles genau anschauen kann.

Durch eine große Doppeltür betreten wir das Gebäude und treffen hier das erste Mal auf weitere Menschen, welche bei meinem Anblick beginnen zu tuscheln. Wieder fühle ich mich unsicher, doch auch ihnen versuche ich mit möglichst viel Entschlossenheit zu begegnen. Wahrscheinlich kann man mir die Wahrheit von den Augen ablesen, doch es traut sich niemand meinem Blick standzuhalten. Alle wenden sich ab und sagen nichts dazu. Ich werde in einen Raum geführt und nur die ältere Dame aus dem Auto leistet mir Gesellschaft.

Wir setzen uns an eine Sofaecke und schweigen. Bis endlich meine Eltern den Raum betreten. Sie werfen mir einen kurzen Blick zu, ehe sie sich der älteren Dame zuwenden. „Mutter Janina, wie ist deine Meinung?" Die Blicke aller wandern zu mir, weshalb ich aufstehe. Es könnte ja passieren, dass sie mich doch noch angreifen. „Sie ist eine solide Mischung aus euch beiden. Der Charakter der Mutter und das Gesicht des Vaters.", werde ich überrascht und endlich bekomme ich ein aufrichtiges Lächeln von meinen Eltern.

Langsam kommen sie auf mich zu und wir reichen uns die Hände. „Kayla, wir freuen uns wirklich dich wieder zu sehen. Lass dich anschauen." Sie mustern mich von oben bis unten, dieses Mal aber mit Freude und Liebe in den Augen. Das habe ich gesucht. Schüchtern umarme ich meine Mutter. Es fühlt sich merkwürdig an, aber auch irgendwie schön. Danach zieht mich mein Vater in eine kurze Umarmung, ehe wir uns schließlich setzen.

„Du hast sicherlich viele Fragen, doch lass uns erst unsere Seite der Geschichte erzählen. Wir sind dir eine Erklärung schuldig, nach allem, was wir dir angetan haben." Ich nicke zustimmend und bin froh, dass ich nicht gezwungen bin Fragen zu stellen. Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte. Ich habe so unendlich viele Frage, die alle in meinem Kopf durcheinander wirbeln, dass ich nicht weiß, welche ich zuerst stellen sollte.

„Wir haben dich im Alter von wenigen Monaten an eine Familie übergeben, von der wir hofften, dass sie sich gut um dich kümmert und dich vor den Gefahren der elementaren Mächte beschützt. Das hat, wie wir jetzt wissen, nicht so recht funktioniert.", beginnt meine Mutter mit sprechen und verzieht missbilligend das Gesicht. „Ihr wolltet nicht, dass ich Kräfte habe? Aber ihr habt doch auch welche!", platzt es aus mir heraus und ich weiß überhaupt nicht, was ich davon halten soll. Doch meine Mutter schüttelt den Kopf.

„Du solltest durchaus deine Kräfte erwecken, wie wir es einst taten. Aber nicht auf diese Art und Weise." Nun greift mein Vater ein. „Wir sollten mit unseren Erklärungen eher beginnen." Noch einmal atmet er tief durch, als wöllte er seine Gedanken sortieren. Und ich bleibe ruhig und versuche möglichst nicht enttäuscht zu sein, egal, was er mir nun sagen wird. Vielleicht ist das alles nur eine Ausrede und ich bin einfach nur ungewollt gewesen. Damit werde ich leben müssen. Bevor ich mich in meine Gedanken reinsteigern kann, spricht mein Vater aber auch schon weiter.

„Die ersten Elementare gab es weit vor unserer Zeit. Weit, bevor es überhaupt moderne Medizin gab oder Menschen, die in der Lage waren das Serum herzustellen. Du weißt, es wird genutzt, um die elementaren Kräfte zu erwecken." „Es gab vorher Menschen, die zu dem in der Lage waren, was wir jetzt machen? Wie haben sie das ohne das Serum geschafft?" Mein Vater deutet mir an abzuwarten und ich muss mir leicht auf die Zunge beißen, um nicht noch mehr Fragen zu stellen und ihn zu unterbrechen.

„Wenige Familien waren in der Lage mit der Natur und den jeweiligen Elementen in Verbindung zu treten und sie zu beherrschen. Doch diese Fähigkeiten wurden über Generationen weitergegeben. Bis schließlich Außenstehende davon erfuhren und diese Macht für sich nutzbar machen wollten. Du kannst dir vorstellen, was geschehen ist. Viele wurden gefangen genommen und untersucht. Man wollte herausfinden, warum ausgerechnet diese Familien zu dem in der Lage gewesen sind. Und sie fanden schließlich die Antwort. In ihrem Blut."

Sprachlos schaue ich zwischen meinen Eltern hin und her, ehe mein Blick auf die ältere Dame trifft, welche Schmerz in den Augen stehen hat. „Die Zeiten waren damals grausam. Also beschlossen die Familien sich zu verstecken, ihre Kräfte geheim zu halten und alles in ihrer Macht stehende zu tun, um das Leben ihrer Familien zu beschützen. Und als das Serum schließlich erfolgreich hergestellt und getestet worden ist, haben sie sich unter die Bevölkerung gemischt."

Das klingt alles wie eine abgedrehte Geschichtsstunde. Ich kann überhaupt nicht glauben, dass das damals wirklich geschehen ist. „Und was hat das mit mir zu tun?", wage ich schließlich zu fragen und schaue auf meine Hände, welche von meiner Mutter erfasst werden. „Dein Vater und ich stammen beide aus einem Familienzweig der Urelementare. Ich mit dem Element Luft und dein Vater mit dem Wasser. Du vereinst unsere beiden Familien in dir, was dich unglaublich mächtig macht." Stirnrunzelt schaue ich zwischen beiden hin und her. Ich verstehe es leider immer noch nicht so richtig.

„Und wieso sollte ich nun das Serum nicht trinken?" „Weil das Serum eine lächerliche Nachahmung unserer eigentlichen Kräfte ist!", donnert die ältere Frau vom anderen Sofa aus, was mich erschrocken zusammenzucken lässt. „Das Serum aktiviert ein Areal im Gehirn, welches bestimmte Botenstoffe freisetzt und einem so Zugriff auf ein Element ermöglicht. Es ist, als würde mein einen weiteren Sinn aktivieren.", greift mein Vater wieder ein und seine beruhigende Stimme lässt mich wieder etwas entspannen. Daher nicke ich einfach nur. Was ihn schließlich fortfahren lässt.

„Wenn du dazu geboren wurdest die Elemente zu beherrschen, weiß dein Körper schon ganz genau, was er zu tun hat. Als Urelementar spürst du keine Erschöpfung beim Anwenden der Elemente. Es ist ein Teil deiner selbst." „Und wie passiert es dann, dass einige mehr als ein Element beherrschen können?" Meine Mutter seufzt enttäuscht, erklärt es jedoch. „Das geschieht, wenn man von einem Urelementar abstammt und das Serum nimmt. Durch die Vermischung unserer Gene kommt das inzwischen sogar ziemlich häufig vor, wie dir inzwischen aufgefallen sein dürfte."

Nachdenklich nicke ich. Deshalb haben Jace und sein Vater die gleiche Fähigkeit. Es liegt in ihren Genen. „Und warum gibt es dann immer noch Menschen, die über gar kein Element verfügen?" Traurig muss ich an meinen ehemaligen besten Freund denken, welcher es sich damals so gewünscht hat. „Das liegt daran, dass im Laufe der Jahre die Evolution dafür sorgt, dass nicht genutzt Bereiche zurückgebildet werden. Das Areal im Gehirn ist einfach zu verkümmert, um zu funktionieren." Mitleidlos zuckt mein Vater mit den Schultern.

„Es ist schon spät. Wir sprechen morgen weiter. Du musst dich erstmal ausruhen. Und du hast sicherlich einiges zu verarbeiten. Ich zeige dir dein Zimmer." Nachdenklich, aber auch etwas enttäuscht stimme ich zu. Der Tag hat mich sehr geschlaucht und ich bin auch wirklich müde. Daher lasse ich mich einfach von meiner Mutter durch die Gänge führen, bis wir an einem Zimmer ankommen.

„Du hast ein eigenes Bad und etwas zu essen. Ich würde dich nur bitten zu warten, bis dich jemand abholt. Hier kennt dich noch kaum jemand und er könnte dich unwissentlich für einen Feind halten." Damit verabschiedet sich meine Mutter und verschwindet. Na, herzlichen Dank auch. Wie soll ich denn jetzt schlafen?

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