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Meine Mutter betritt das Zimmer und schaut geschockt zu uns. Was machen wir jetzt nur, sie hat die Narben bestimmt gesehen.

"Was das wieder dein Vater. Du ärmster, am besten bleibst du für ein paar Tage bei uns. Jedenfalls, wenn ihr hier fertig seid, kommt einfach in die Küche, dann könnt ihr euch etwas zu essen holen." Auch wenn die Worte die sie sagt freundlich klingen, ich kann an ihrem Gesichtsausdruck ablesen, was sie wirklich denkt. Und ich kann die Standpauke, dass ich mit "Soetwas befreundet bin" schon hören. Ich zwinge mir wieder einen halbwegs neutralen Gesichtsausdruck auf und drehe mich halbwegs unbekümmert zurück zu Tae. Ihm macht das ja schließlich keine Probleme, nur mir und damit komme ich schon klar.

In Stille versorge ich weiter die Schnitte an seinem Arm und wickele schlussendlich einen Verband darum, geübt wie eh und je. Schon ein wenig traurig...

"Ich habe eine Frage, wieso kannst du Verbände so gut binden? Als ich damit angefangen habe, habe ich mehrere Wochen gebraucht um das so halbwegs gut hinzubekommen und es dann einfach ganz gelassen, wieso bist du so geschickt?" Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet.

"Ich... ich weiß nicht, ich bin recht fingerfertig würde ich sagen, das war ich schon als ich ein Kind war. Jetzt ist es mein Vorteil." Sage ich ein wenig überfordert und kratze mich am Hinterkopf.

"Das muss praktisch sein..."

Nachdem ich das ganze Zeug wieder zusammen gepackt habe, machen wir uns endlich auf den Weg nach unten um uns etwas zu Essen zu holen. Ich hoffe nur, dass wir meiner Mutter nicht begegnen, ich habe einfach Angst, dass sie irgendwelche unangenehmen Kommentare dazu macht und Tae sich schlechter fühlt. Ich habe offen gesagt einfach Angst, dass er sich etwas antut, so schlimm wie die Verletzungen schon sind kann das ja durch aus sein....

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Inzwischen ist es elf Uhr, Taehyung schläft bereits auf meiner Ausklappcouch und ich bin im Bad. Nicht in dem an meinem Zimmer, da würde ich ihn nur stören, sondern in dem im Flur. Die Tür fest verschlossen sitze ich mit dem Rücken an der Badewanne gelehnt auf dem Boden und ein paar neue Schnitte zieren meinen Arm. Das war einfach alles anstrengend heute, sowohl herauszufinden wie schlimm es Taehyung geht, als auch mich automatisch mit ihm zu vergleichen und zu merken, wie lächerlich dagegen meine Narben sind...

Doch plötzlich höre ich Schritte vor der Tür, vermutlich von meinen Eltern. An den Stimmen lässt sich erkennen, dass meine Vermutung richtig war.

"Ich habe heute etwas rausgefunden, was mich beunruhigt. Taehyung, der Freund von Hoseok mit dem Säufer als Vater, ritzt sich wie so ein Psycho! Ich weiß nicht, ob das der richtige Umgang für Hoseok ist, ich meine wie gestört muss man den sein um sich selbst die Arme aufzuschneiden!? Absolut verrückt und lächerlich! Ich hätte mehr von Hoseok erwartet, wieso freundet er sich denn auch genau mit diesen Menschen an?!" Daraufhin folgten weitere Beleidigungen an Tae und ich schaltete irgendwann ab, ich weiß nicht einmal ob mein Vater überhaupt irgendwas geantwortet hat.

Wie kann sie sowas nur sagen? Versteht sie denn gar nicht, was es bedeutet psychisch krank zu sein? Wenn sie nur wüsste, was ihr eigener Sohn hier ein paar Meter von ihnen entfernt tut. Vermutlich würden sie mich vor die Tür setzen. Wenn ich genauer darüber nachdenke, würden sie das vermutlich wirklich, ich glaube ich sollte ausziehen, sobald ich kann. Am besten suche ich mir noch einen Job, genug Zeit habe ich ja. Dann kann ich sparen und mir vielleicht bald eine WG mit irgendwem leisten! Doch dann nehme ich einen weiteren Satz wahr...

"....ich hoffe dieser Taehyung stirbt, dann muss sich Hoseok nicht mit so einem Abschaum abgeben. Was, wenn er jetzt auch mit diesem Psychopathenscheiß anfängt?!" Das saß tief. Tiefer als es sollte. Tiefer als Worte der eigenen Eltern eigentlich sitzen sollten. Wieso belasten sie mich nur so, ich bin wirklich ein Schwächling!

Aus Frust schneide ich wie schon so oft in den letzten Wochen tiefer. Mehrmals tiefe, ungerade Schnitte in meine vernarbte Haut, sie überschneiden teils schon andere Wunden. Das Blut läuft immer schneller aus den Wunden und ich bleibe nachdem es sich angefühlt hat, als wäre es genug, einfach sitzen und tue nichts. Vielleicht sterbe ich jetzt. Wenn das anscheinend das ist, was sich meine Eltern für Menschen, die sich selbst verletzen, wünschen mache ich ja alles richtig.

Doch nachdem ich bestimmt eine Viertelstunde regungslos herumlag kommen mir Taehyung und meine anderen Freunde wieder in den Sinn, außerdem mein Job bei dem ich gebraucht werde. Wenn ich jetzt sterbe mache ich nur Probleme, ich muss mich jetzt zusammenreißen.

Ich raffe mich auf und nehme wahllos eins der Handtücher vom Haken, welches ich dann auf die Schnitte drücke. Nachdem ich es fest drumgewickelt habe, suche ich mir mit der freien Hand aus dem Schrank Verbandszeug und Wundendesinfektionsmittel. Ich will schließlich nicht solche entzündeten Wunden wie Tae.

Mit zitternden Beinen wasche ich meinen Arm ab, besprühe ihn mit dem Desinfektionsmittel und wickele geschickt, wenn auch einarmig, den Verband darum. Schon ein wenig schwummerig beseitige ich schlussendlich die Sauerei auf dem Boden und mache mich dann -selbstverständlich mit einem langärmeligen Oberteil- auf den Weg ins Zimmer. Ich werde es schon überleben, auch wenn mir schwindelig ist. Etwas anderes bleibt mir ohnehin nicht übrig.

Dort angekommen lege ich mich auf mein Bett, möglichst leise ohne Tae zu wecken, und schlafe sofort ein. Ob es jetzt am Schwindel lag oder einfach daran, dass ich müde war kann ich nicht sagen.

Ich hoffe gerade einfach nur, dass meine Familie diese Einstellung erstens wieder in den Griff bekommt und zweitens hoffe ich, dass Tae sich nicht wirklich was antut. Das würde ich nicht aushalten.

Und morgen muss ich mich dann auf die Suche nach einem zweiten Job machen, schließlich komme ich mit dem vergleichbar geringen Verdienst bei Yoongis Mutter nicht aus, wenn ich mal ausziehen will...

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Therapy° ~ Hoseok FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt