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"JUNG HOSEOK" Gerade als ich die Wohnung betrete, höre ich schon das Geschrei meines Vaters. Wenn sogar er schon schreit, was ich dann bitte passiert?

"Kannst du mir das erklären? Wieso hast du eine vier in Politik?" Ach ja richtig, heute ist der Tag, an dem die Lehrer mit den Eltern telefonieren, es ist ein wenig wie der Elternsprechtag nur, dass man nicht in die Schule kommt und es ausschließlich um schlechte Zeugnisnoten geht. Und ab einer Vier rufen sie an. Ich hätte daran denken und heute wegbleiben sollen. Hoffentlich sind die blauen Flecken bis Montag wieder weg, die anderen sollen sich keine Sorgen machen.

"I-Ich war in letzter Zeit so beschäftigt, da konnte ich nicht für jedes einzelne Fach lernen." Den Kopf zu Boden gerichtet, um nicht direkt eine Ohrfeige zu kassieren, höre ich aufmerksam zu wie er reagiert. Und wie erwartet rastet er aus.

"Keine Zeit?! Wie, keine Zeit, was machst du denn bitte den ganzen Tag? Es ist ja auch so schwer für einen kleinen Test zu lernen, das ist unglaublich. Warst du jemals Vollzeit arbeiten? Das wäre "keine Zeit", aber das bisschen Lernen kann doch nicht zu viel verlangt sein!? Vernebelt dir dein scheiß Geschneide jetzt schon so das Hirn, dass du nicht mehr Lernen kannst. Unglaublich, wie konntest du nur so enden. Du gehörst in die Klapse, da kannst du mit anderen Verrückten zusammen sein, die sich selbst schneiden nur weil sie ihr Leben nicht auf die Reihe bekommen...!"

Wie immer verletzen mich seine Worte, aber ich lasse es mir nicht anmerken. Wenn ich etwas erwidere, bekomme ich nur noch mehr Ärger mit ihm. Daher lasse ich einfach alles über mich ergehen, warte auf die zweite Phase seines Aggressionsanfalls. Die Phase, in der er mich nur noch schlägt, anstatt mich zu beleidigend. Ironischerweise tut das weniger weh als das hier gerade.

Und dann fängt er an, er schubst mich mit dem Rücken an die Wand und schlägt drauf los, mehrmals in den Bauch und auch ins Gesicht. Ich bin gespannt, wann ich das erste mal eine große Verletzung davon trage. Hoffentlich nicht während der Schulzeit.

Ich sacke bereits nach wenigen Minuten auf den Boden, sodass er genervt aufhört und mich allein lässt. Meine Mutter war eben zwar kurz hier, jedoch nahm sie kaum Notiz von mir, sondern ging einfach an uns vorbei. Daher bin ich jetzt allein und laufe in mein Zimmer. Das Blut wasche ich mir von der Lippe und schaue dann ein wenig geistesabwesend meine Serie weiter. Was mache ich eigentlich noch hier, ich verdiene es doch gar nicht überhaupt zu leben. Seit sie es wissen, behandeln sie mich als wäre ich ein hauchdünnen Stück Glas, welches bei jeder Bewegung zu brechen droht. Wieso? Sie haben mich doch sonst auch nicht belastet, wieso tun sie das jetzt? Ich wusste es vorher, ich mache ihnen von jetzt an nur noch mehr Probleme, da sie nicht mehr mit mir reden können. Was, wenn ich ihnen überhaupt nie geholfen habe? Vielleicht war ich ja auch nur die ganze Zeit Ballast. Ich sollte dieses sinnlose Leben einfach beenden...

Wie immer leiten mich diese Gedanken ins Bad und ich nehme die Klinge vom Rand des Waschbeckens. Die Mühe es zu verstecken kann ich mir inzwischen sowieso sparen, da es alle wissen. Ich setze mich auf den kalten Boden und schiebe meinen Ärmel nach oben, ziehe den Verband unvorsichtig herunter; selbst dabei reißen schon einige Narben wieder auf, aber das ist mir egal. Dort gibt es generell nichts mehr zu retten.

Ich setze an ohne darauf zu achten wo genau, und ziehe das kleine kalte Stück Metall einfach durch meine vernarbte Haut. Einmal, zweimal... ich zähle schon gar nicht mehr mit, es sind unzählige neue Schnitte die kleine Blutrinnsale meinen Arm herunter laufen lassen und Narben hinterlassen werden, die mich mein ganzen Leben daran erinnern werden, was für eine schlechte Person ich doch bin. Was mache ich hier nur? Es ist alles immer anstrengender.

Als ich merke, dass mein Bewusstsein langsam schwindet, höre ich auf und wickele ein wenig hektisch einen Verband darum, so fest wie es mir in dieser Verfassung gerade möglich ist. Auch wenn ich einfach Taehyung oder so anrufen könnte um mir zu helfen, ich will sie nicht unnötig belasten. Sterben werde ich schon nicht, nur vermutlich ohnmächtig. Aber das macht nichts.

Nachdem ich die Blutlache beseitigt und mir ein neues Oberteil angezogen habe, lege ich mich einfach schlafen. Morgen muss ich arbeiten und wenn ich zu lange wachbleibe ergibt das in Kombination mit dem Blutverlust nicht gerade den besten Kreislauf...

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Der Rest meines Wochenendes lief nicht gerade besser, ich wurde bei der Arbeit im Konbini gestern fast ohnmächtig weil ich die Nacht davor einfach nicht schlafen konnte und heute bei der Arbeit sind mir ein paar der neuen Schnitte wieder aufgerissen und haben durch mein Hemd geblutet. Kunden haben das zwar nicht gesehen, aber Yoongi und er bestand darauf, mir beim Verarzten zu helfen. Er ist recht gut in Sowas, da er wie ich eben herausgefunden habe, Taehyung seit ein paar Wochen auch oft damit hilft. Er ist anscheinend der einzige abgesehen von mir, welcher davon weiß. Vermutlich war ich ihm nicht einmal eine Hilfe dabei, sodass er es Yoongi sagen musste. Als er meine Arme gesehen hat, sah er jedoch zutiefst geschockt aus. Es ist schließlich auch um einiges schlimmer seit er es das letzte mal gesehen hat, vermutlich wäre da jeder geschockt. Jedenfalls, hatte er zum Glück ein Ersatzhemd da, sodass ich weiter arbeiten konnte. Und jetzt stehe ich hinter der Kasse im Konbini, noch eine halbe Stunde dann habe ich Schluss.

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Am Montagmorgen bin ich überrascht, dass Taehyung nicht in der Schule ist. Er hat nichts davon gesagt, dass er krank ist und wieso sollte er in der letzten Schulwoche schwänzen? Unterricht machen wir eh keinen. Auch die andern wissen nichts davon, wieso er fehlt.

Allerdings spüre ich wie mir das Blut aus den Adern läuft, als der Lehrer uns erklärt, wieso er fehlt...

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Therapy° ~ Hoseok FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt