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Ich stelle mich vor den Spiegel, nur darauf fokussiert endlich aufzuhören zu weinen. Jämmerlich, einfach jämmerlich verhalte ich mich.

Da es nicht funktioniert, sondern die Panik nur schlimmer wird, entschließe ich mich das zu tun, was mir schon immer hilft. Mir wehzutun. Meinen sowieso schon verbrühten Arm halte ich unter heißes Wasser am Wasserhahn, der selbe Schmerz wie eben setzt ein, nur jetzt noch ein wenig schlimmer. Die Haut wird immer röter und die Narben beginnen wehzutun, aber ich ändere nichts an der Situation. Ich habe das voll und ganz verdient.

"Hoseok, mach die Tür auf. Ich bins." Ich höre Taehyungs Stimme, jedoch antworte ich ihm nicht. Er soll mich nicht so sehen, nicht schon wieder. Ich weiß doch wie die anderen jetzt werden. Taehyung redet auch nicht mehr mit mir über das Thema, seit er es weiß. Sie werden genauso handeln.

"Ich verstehe wie du dich gerade fühlst und offen gesagt habe ich Angst, dass du jetzt was Dummes tust. Gib mir wenigstens ein Lebenszeichen." Ich erwidere ebenso nichts.

"Hobi bitte."

"Hoseok, ich habe Angst."

"Mach jetzt diese verdammte Tür auf, sonst trete ich sie ein. Ich schwöre dir, wenn du dir jetzt was antust, komme ich nach!" Ich kann an der zitternden Stimme hören, wie sehr er weint. Ich.... ich kann ihm nicht noch mehr wehtun. Auch wenn es mir peinlich ist, sich jemandem so schwach gegenüberzustellen, ich muss.

Ich überwinde die paar Schritte zur Tür und schließe sie auf. Nachdem ich sie geöffnet habe, falle ich Taehyung in die Arme, der zerschnittene Arm tropfend vor Wasser und immer noch ohne Ärmel. Aber jetzt ist es eh zu spät. Taehyung umarmt mich ein paar Sekunden, bis wir es endlich geschafft haben nicht mehr zu weinen.

"Wollen wir zurück zu den anderen? Sie machen sich bestimmt auch Sorgen um dich und vielleicht wäre es gut, wenn du es ihnen einfach erklärst. Gesehen haben sie es sowieso alle, also kannst du praktisch nichts mehr verheimlichen." Ich nicke nur während ich mir mit meinem Ärmel die Wangen trockne. Verheult sehe ich zwar eh aus, aber ein wenig abmildern kann man es ja trotzdem.

In der Küche angekommen sehe ich meine Freunde, sie sind teilweise auch ein wenig verheult. Ich hasse mich selbst so sehr, dass ich ihnen das antue.

"Ich... es tut mir so Leid, ich wollte euch damit nie wehtun." Ich merke, wie mir erneut Tränen in die Augen steigen.

"Du musst dich nicht entschuldigen dafür, du kannst ja nichts dafür, dass es dir schlecht geht. Die Frage ist nur, wieso geht es dir so schlecht?"

"Ehrlich gesagt weiß ich nicht so recht, wie ich das erklären soll. Es.... es ist einfach alles so anstrengend im Moment. Die Schule und das alles, außerdem der Gedanke daran, dass ich ab nächstem Jahr arbeiten muss und ausziehen werde." Mein Gesicht zu Boden gerichtet, sehe ich gar nicht, wie sie reagieren. Aber scheinbar verstehen sie ungefähr, was ich meine, da sie keine weiteren Fragen stellen. Bis auf Jimin nach ein paar Minuten der Stille.

"Du... hast aber nicht vor dich... dir das Leben..." Jimin verstummt in der Hälfte des Satzes, wird von einem Schluchzer unterbrochen. Aber ich verstehe, was er meint.

"Nein, oh Gott Jimin, nein. Ich habe nicht vor mich umzubringen, es hilft einfach nur dabei mit dem ganzen Stress klarzukommen, es hilft Panik zu unterdrücken. Und um ehrlich zu sein, lieber mache ich das in einer "geordneten" Art, als dass ich mir bei einer Panikattacke sonst was antue. Aber keine Sorge, ich habe wirklich nicht vor mich umzubringen. Wenn ich erstmal einen festen Job habe, wird das bestimmt besser. Ihr helft mir auch immer wieder, das müsst ihr mir glauben!" Ich sehe wie Jimins Blick sich erleichtert, er beruhigt sich ein wenig.

Und schon wieder muss ich sie anlügen. So ziemlich alles was ich gesagt habe, war eine Lüge. Dass ich mich nicht umbringen will, Lüge. Dass ich es nur tue, um Panik zu überwinden, Lüge. Ich mache das hauptsächlich einfach, weil ich es verdient habe. Weil ich etwas dummes gemacht habe, mich blamiert habe, jemandem mit irgendwas wehgetan habe, Es gibt so viele Gründe, ich kann das schon gar nicht mehr aufzählen. Und leider vor allem, dass sie mir helfen, Lüge. Sie sind mir wichtig und ich bin wirklich froh so tolle Freunde zu haben, aber gerade in dieser Sache können sie mir nicht helfen. Immer diese Angst sie könnten es sehen. Die Schuld, wenn ich ihnen einen falschen Ratschlag gebe. Die Schuld, wenn ich irgendein Treffen vergesse oder ihnen bei etwas nicht helfen kann. Diese verdammte Schuld jeden einzelnen Tag. Auch wenn das meine und nicht ihre Schuld ist, sie können mir damit einfach nicht helfen.

"Wie schlimm ist es denn schon? Also... wo hast du es noch überall?" Ich zögere ein wenig, doch nach ein paar Sekunden ziehe ich mir einfach wortlos den Pullover über den Kopf. Was bringt es jetzt, es zu verheimlichen? Wenn ich es ihnen nicht einfach zeige, machen sie sich nur noch mehr Sorgen.

Ich höre scharfes Einatmen und kann die geschockten Blicke förmlich auf meinem Oberkörper spüren. Aus Scham schaue ich zu Boden. Alles ist übersäht mit Schnitten. Beide Arme, vom Handgelenk bis zur Achsel, vollkommen zerschnitten. An meiner Seite, sowohl über den Rippen als auch mehr an der Hüfte. Und dann noch die anderen Verletzungen, die ganzen blauen Flecken und Blessuren auf meinem Brustkorb und Bauch, sie sind durch die täglichen kleinen Tritte und Schläge nicht zurück gegangen. Die kleinen aber tiefen Schnitte auf meinem Rücken durch das Glas des Bilderrahmens. Weitere große blaue Flecken, weil er mich mit solch einer Wucht gegen die Wand geworfen hat.

Taehyung, welcher noch hinter mir steht blickt geschockt darauf, ihm scheint das ganze ja bekannt vorzukommen.

"Hoseok...." Jin klingt geschockt und so... traurig.

"Woher kommen die ganzen Blessuren?" Jungkook hat sich als erster wieder gefasst.

"Mein Vater hat es letztens herausgefunden und... war ziemlich wütend wenn ihr versteht was ich meine."

Auf einmal spüre ich kalte Finger an meinem Rücken, einen kurzen, ziehenden Schmerz an den Glaswunden. Ich zucke zusammen.

"Und die hier? Da kannst du dich ja wohl kaum... selbst schneiden." Taehyung geht ein Stück weiter hinter mich um sich das ganze Ausmaß ansehen zu können.

"Auch mein Vater, er war so wütend, dass er mich so sehr gegen die Wand geworfen hat, dass das Glas des Bilderrahmens gebrochen ist. Es hat sich dann in meinen Rücken gebohrt und jetzt ist es ein wenig entzündet, weil ich danach ohnmächtig wurde und die Scherben nicht rausziehen konnte."

Ich erzähle alles in einer relativ ruhigen Stimme, so schlimm war es jetzt auch wieder nicht. Taehyung muss schon so viel schlimmeres erlebt haben, außerdem tun die paar Scherben im Rücken jetzt auch nicht sonderlich weh. Ich konnte sie ja sogar selbst rausziehen.

Doch als ich endlich hoch schaue und ihre Gesichter sehe, gefriert mit das Blut in den Adern. Sogar Taehyung sieht zutiefst erschüttert aus. Ist es... wirklich so schlimm?

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Therapy° ~ Hoseok FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt