Kapitel 12

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Cassandra und Fynn gingen den dunklen Gang entlang, der sie nach dem Labyrinth erwartet hatte. Cassandra stöhnte auf. „Die Fallon hatten es aber mit langen Gängen.", murmelte sie.
Fynn zuckte mit den Schultern. „Sieh es mal positiv. Besser lange Gänge als irgendwelche Fallen."
„Auch wieder war.", entgegnete Cassandra und führte eine Hand wieder zu ihrem Dekolleté.
„Was ist?"
Cassandra seufzte. „Ich wurde fast von der Hecke aufgefressen."
Fynn lachte auf. „Ach, das wurde ich auch. War nicht gerade angenehm."
Cassandra schüttelte den Kopf. „Als dein Doppelgänger mich befreit hat, ist meine Kette mit den Ranken verschlungen. Sie muss sich in den Dingern verhakt haben, als sie sich zurückgezogen haben. Es ist komisch sie nicht um zu haben."
Fynn nickte langsam. „Kann ich verstehen.", erwiderte er und notierte sich insgeheim, dass er eine weitere Kopie des Schlüssels anfertigen würde, sobald sie zurück im Zentrum waren.
„Willst du immer noch eine leuchtende Hecke über deinem Bett?"
Cassandra schüttelte entschieden den Kopf. „Das kommt gar nicht in die Tüte. Die Lichter waren zwar schön, aber ich kann darauf verzichten plötzlich im Schlaf von Pflanzen erwürgt zu werden.", antwortete sie und schaute dann nachdenklich weiter den Gang entlang. Fynn musterte sie.
„Woran denkst du?"
„Ach nichts. Das passt gerade gar nicht zu unserem Heckenthema."
Fynn stupste sie an. „Jetzt musst du es eigentlich sagen. Einfach aus Prinzip."
Cassandra grinste. „Ich frage mich gerade wie Noa so ist."
Fynn zog eine Augenbraue hoch. „Darauf kommst du jetzt?"
Cassandra zuckte mit den Schultern. „Ich habe ja gesagt, dass es nicht zum Thema passt."
„Noa ist nett."
„Das ist ja wirklich sehr viel Information."
„Wie soll ich denn sonst anfangen? Noa hat zwei spitze Hörner, die dich erstechen könnten?"
Cassandras Augen wurden groß. „Er hat Hörner?"
„Und spitze Ohren."
„Was ist er?", fragte Cassandra verwirrt. Spitze Ohren kannte sie nur von einer einzigen Spezies, aber diese besaß keine Hörner.
Fynn ließ die Flamme etwas vorausschweben. „Er ist ein Hybrid. Ein Hybrid aus einer Elfe und einem XY"
Cassandra nickte langsam. Sie hatte von dem Volk der Elfen gelesen. Bevor sie in diese Welt eingetaucht war, hatte sie sich die Elfen als kleine zarte Wesen vorgestellt, aber auch diese Vorstellung war von den Büchern, die sie für die Jägerprüfung auswendig gelernt hatte, widerlegt worden. Laut diesen hatten sich die Elfen aus einem Volk der Feen entwickelt. Cassandra hatte es fasziniert wie sich eine einzige Spezies über die Zeit hinweg grundlegend verändern konnte. Sie erinnerte sich daran gelesen zu haben, dass sich die Flügel des Feenvolkes zurückgebildet hatten, da sie nicht gebraucht wurden. Durch Kreuzungen mit anderen Wesen entstanden die spitzen Ohren und die farbige Haut, die sich hielten und somit zu den Merkmalen der Elfen wurden.
Cassandra nickte langsam. „Interessant.", meinte sie und legte die Stirn in Falten.
„Besitzt er Zauberkräfte?", fragte sie schließlich. Sie erinnerte sich, dass auch die Fähigkeit zur Beherrschung der Magie über die Jahre hinweg verblasst und teilweise ganz verschwunden war. Nur wenige Elfen hatten noch eingeschränkt Zugriff auf Magie, die sich jedoch eher durch besondere Begabungen bemerkbar machte, als durch die Art Magie, die sie von Fynn kannte.
Er schüttelte den Kopf. „Nein, alles, was er von seinem Vater geerbt hat, sind die spitzen Ohren."
In Cassandras Kopf hatte sich ein wirrer Knoten aus Gedanken gebildet. „Es hat schon einen Grund warum ich den Chemieleistungskurs und nicht den Biologiekurs besetzt habe.", murmelte sie.
Fynn lachte auf. „Glaub mir, Genetik ist ein Thema, was uns wohl für immer ein Rätsel sein wird. Amber und Mara haben es mal versucht anhand ihrer Familiensituation zu erklären, aber ich habe schon bei der Hälfte nicht mehr aufgepasst. Es gibt so viele Wege wie sich die Merkmale von verschiedenen Wesen vererben können. Bei manchen ist eine Art dominant und bei anderen werden Merkmale von beiden Elternteilen vererbt."
Cassandra hob abwehrend die Hände. „Hör bloß auf. Mein Gehirn raucht schon. Manche Sachen sollte man nicht durchdenken und einfach so hinnehmen."
Fynn schlenkerte mit den Armen. „Zumindest ist er eine der sanftmütigsten Personen, die ich kenne. Ihn kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Und er kann singen. Tony begleitet ihn dann mit auf der Gitarre. Er hat mir mal erzählt, dass die beiden oft zusammen mit Jen Gitarre gespielt haben."
Cassandra klappte die Kinnlade herunter. „Jen spielt Gitarre?", fragte sie überrascht, „Das hätte ich nicht gedacht."
„Sie hat auch lange nicht mehr gespielt."
Er lächelte. „Ich würde die drei gerne mal zusammen hören."
Cassandra nickte. „Ich auch. Vielleicht kriegen wir sie ja dazu zusammen etwas zu spielen."
Fynns Gesicht wurde wieder ernst. „Dafür müssen wir hier erstmal raus."
Cassandra, die etwas vorausgegangen war, drehte sich wieder zu ihm um. „Wohl wahr, aber das werden wir schon. Und weißt du auch warum? Weil da vorne eine Tür ist."
Tatsächlich betraten sie nun einen hellen Raum. Sie konnten nicht wirklich ausmachen woher dieses Licht kam. Es war, als würden die Steine von innen heraus leuchten. Es ähnelte beinahe dem Licht im Labyrinth. Fynn ließ die Flamme auf seiner Hand erlöschen. Langsam trat er weiter auf die Tür zu und ließ eine Hand darüber gleiten. Er schloss die Augen. „Der Raum dahinter ist voller Magie.", flüsterte er. Cassandra stellte sich neben ihn. „Ist das nicht die ganze Grabstätte?"
Fynn öffnete die Augen wieder. „All die Magie, die durch diese Pyramide fließt, scheint hinter dieser Tür zusammenzulaufen."
Cassandra schaute die hohe Tür hinauf, die mit allen möglichen Zeichnungen verziert war. „Also sind wir am Ziel?"
Fynn wollte gerade etwas erwidern, als laute Schreie ihre Unterhaltung unterbrachen.

Die Freunde drehten sich um und beobachteten mit offenen Mündern wie Jen, Medusa und Tony aus einer Lucke in der Decke fielen. Während Tony elegant auf seinen Beinen landete, die die Energie seines Aufpralls zu absorbieren schienen, landeten Medusa und Jen wie zwei nasse Säcke auf dem Boden. Medusa rappelte sich auf und betastete mit scherzverzerrtem Gesicht ihren Arm. „Ich glaube der ist gebrochen."
Jen zog sich an einer Wand hoch. Schnell checkte sie, ob sie sich irgendwo verletzt hatte, aber, außer ein paar Prellungen, die langsam wieder verschwanden, war sie unverletzt. Wütend funkelte sie ihre Freundin an. „Das geschieht dir ganz recht! Wie kommst du auch auf die Idee an einem Hebel zu ziehen? Wir hätten sterben können."
Medusa versuchte ihren Arm anzuheben, bereute es aber sofort. „Sind wir aber nicht.", entgegnete sie.
Cassandra fand als erste ihre Sprache wieder. „Ihr seid hier!", rief sie glücklich, rannte auf Medusa zu und schlang die Arme um sie. Sie hätte es nie zugegeben, aber die leise Angst, dass sie ihre Freunde nie wieder sehen würde, hatte sie die ganze Zeit begleitet.
Medusa stöhnte auf, „Ich freue mich zwar auch dich zu sehen, aber du drückst zu fest. Gleich bricht mein Arm noch einmal."
Jen war inzwischen zu Fynn gegangen und umarmte ihn ebenfalls. „Du kannst dir gar nicht vorstellen wie froh ich bin, dass es euch gut geht.", flüsterte sie. Fynn löste sich von ihr. „Und ich erst." Er sah zu Medusa. „Ich glaube ich richte erstmal deinen Arm."
Jen stieß genervt die Luft aus. „Eigentlich hätte sie es verdient ein bisschen mit dem gebrochenen Arm herumzulaufen."
Cassandra schaute verwirrt zu Tony, als hoffte sie, dass er ihr erklärte, warum die drei gerade aus der Decke gefallen waren.
Tony seufzte. „Wir waren in einer falschen Grabkammer.", erklärte er dann, „Die hat sich mit Sand gefüllt und Medusa hat uns in den Sarkophag gescheucht."
Jen verschränkte die Arme. „Und dann hat Medusa einen Hebel gefunden und hat daran gezogen, was ziemlich dumm war, und nun sind wir hier."
„Und ich habe einen gebrochenen Arm.", fügte Medusa hinzu und biss die Zähne zusammen, als Fynn seine Hand über ihren Arm gleiten ließ.
„Selbst Schuld."
Tony hob beschwichtigend die Hände. „Jetzt beruhigen wir uns alle erstmal wieder. Wir sind wieder zusammen und das ist gut. Wir haben das Schlimmste überstanden."
Jen sank erschöpft an der Wand herab. „Beschrei es nicht.", murmelte sie, „Wir sind noch immer in einer Pyramide."
„Fallon Grabstätte."
Jen warf ihrem Bruder einen vorwurfsvollen Blick zu.
Fynn hatte seinen Heilungszauber inzwischen beendet. Medusa drehte den Arm einmal im Kreis. „Wie neu.", meinte sie grinsend und drehte sich zu Fynn. „Und was habt ihr so erlebt?"
Fynn und Cassandra wechselten einen Blick. „Wir haben uns mit einem verzauberten Labyrinth herumgeschlagen.", antwortete Cassandra, „Ach, und ich habe Fynn umgebracht."
Tony runzelte die Stirn. „Wie bitte?"
„Einen Doppelgänger von mir. Ich muss echt sagen: Die Fallon waren ein starkes Volk."
„Und sehr kreativ.", fügte Cassandra hinzu, „Auf so etwas muss man erstmal kommen."
Medusa war inzwischen auf die Türzugetreten und legte nachdenklich einen Finger an die Lippen. „Ich habe zwei gute und eine schlechte Nachricht.", meinte sie dann.
Jen fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. „Bist du dir sicher, dass deine zwei guten Nachrichten nicht doch schlechte sind?"
Medusa drehte sich halb zu ihr und zog eine Augenbraue hoch. „Tatsächlich nicht. Zuerst die guten oder die schlechte Nachricht?"
Jen verdrehte die Augen. „Schieß einfach los."
Medusa rieb sich die Hände. „Na schön. Zuerst die guten Nachrichten. Wir sind am Ziel und wir müssen kein Rätsel lösen, um die Tür zu öffnen."
Jen schaute zu Tony. „Das ist tatsächlich mal etwas positives."; murmelte sie. Ihr Bruder verschränkte die Arme. „Und was ist jetzt die schlechte Nachricht?"
Medusa klopfte ein paar Mal auf einen der Steine der Tür, auf dem eine große Hieroglyphe abgebildet war. Es knackte einmal in der Wand und dann sprang der Stein etwas aus der Wand. Medusa zog ihn heraus und warf ihn unachtsam in eine Ecke. Missmutig deutete sie in die runde Einbuchtung, die dahinter zum Vorschein gekommen war. „Wir brauchen einen Schlüssel."
Cassandra stellte sich neben sie und betrachtete die Einbuchtung genauer. „ Wie haben Sie gewusst wie sie das öffnen können?"
Medusa zuckte mit den Schultern. „Auf dem Stein ist eine Hieroglyphe, die Schloss bedeutet. Aber ohne Schlüssel bringt und das herzlich wenig."
„Aber ein Schlüssel welcher Art? Und woher kriegen wir den? Hier ist doch nichts.", überlegte Cassandra laut.
„Vielleicht hätten wir den auf dem Weg finden sollen.", warf Fynn ein und sah zu ihr, „Im Labyrinth habe ich aber keinen gesehen. Du etwa?"
Cassandra schüttelte den Kopf. „Nein, und wenn doch, habe ich schon wieder vergessen wo es war, oder die Ranken haben ihn."
Fynn schaute zu Jen. „Ihr habt auch keinen gefunden oder?"
Jen schüttelte müde den Kopf. „Wir waren zu sehr damit beschäftigt nicht verschüttet zu werden."
Tonys Gesicht hellte sich auf. „Vielleicht...", murmelte er und ging auf das Schloss zu. Er griff in seine Hosentasche und zog den runden Stein mit den seltsamen Symbolen heraus. Jen seufzte. „Woher hast du den denn jetzt?", stöhnte sie, „Es ist wirklich kein Wunder, dass wir in immer neue Fallen tappen, wenn man alles anfasst."
„Ich habe ihm im falschen Sarg gefunden.", entgegnete Tony und versuchte den Stein in die Einbuchtung zu stecken. Er stöhnte auf. „Er würde passen, aber er hält nicht!" rief er frustriert.
„Gib mal her. Du machst das bestimmt falsch.", meinte Medusa und nahm ihn den Stein aus der Hand. Ebenso wie Tony versuchte auch sie den Stein in die Aushüllung zu stecken, jedoch ebenfalls ohne Erfolg. Frustriert hielt sie den Stein hoch. „Will noch jemand?"
Cassandra zuckte mit den Schultern. „Probieren geht über Studieren.", sagte sie und griff nach dem Stein. Nach einigen Minuten, in den sie vergebens versucht hatte den Stein in die Einbuchtung zu stecken, reichte sie ihn an Fynn weiter. „Versuch du mal. Du bist ja irgendwie mit den verwandt."
Fynn verdrehte die Augen. „Du hast zwar recht, zumindest im weitesten Sinne, aber das ist gar nicht mehr nachzuweisen.", antwortete er. Seine Finger streiften den Stein. Sofort leuchteten die Symbole darauf in einem gedimmten Licht."
Medusa legte den Kopf schief. „Soll das so sein?"
Jen, die sich inzwischen neben sie gestellt hatte, seufzte. „Ich habe absolut keine Ahnung, aber es ist ein Fortschritt. Vielleicht kommen wir ja doch irgendwann hier raus."

Fynns Hand schloss sich jetzt vollständig um den Stein, was ihn nur noch stärker leuchten ließ.
Entschlossen drückte er den Stein in die Einbuchtung. Diesmal blieb er darin haften. Fynn machte einen Schritt zurück. Medusa klopfte ihm auf die Schulter. „Wir haben wirklich Glück eine Fee bei uns zu haben."
Der Stein leuchtete immer heller, bis die Freunde geblendet die Augen schließen mussten.
„Soll das auch so sein oder soll das uns nur die Augen ausbrennen?", fragte Tony und presste die Augen noch fester zusammen, „Ich mag meine Augen wirklich."

Medusa 3-Die Fallon GrabstätteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt