Kapitel 20

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„Aufstehen! Aufstehen ihr Schlafmützen!"
Jen warf sich stöhnend auf die andere Seite und vergrub ihr Gesicht unter dem Kissen. „Warum zum Teufel müssen mich immer alle beim schlafen stören? Ich bin müde verdammt!"
In diesem Moment landete Medusa auf dem Boden und streckte sich. „Ich weiß gar nicht was du willst. Ich habe sehr gut geschlafen."
Jen strafte sie mit einem genervten Blick und setzte sich in ihrem Bett auf. Medusa öffnete unterdessen die Tür und lehnte sich gegen den Türrahmen. „Guten Morgen Professor Chaos. Haben Sie ihre Haarbürste verlegt?"
Tony verdrehte die Augen. Er wusste genau auf was Medusa anspielte. Ihm standen die Haare wortwörtlich zur Berge. Schnell versuchte er sie wenigstens etwas zu ordnen, was ihm eher schlecht als recht gelang. „Ich habe mit Fynn zusammen an seinen Prothesen gearbeitet und dabei habe ich einen kleinen Stromschlag abbekommen." Er schlenkerte mit seinen metallenen Armen. „Meine Arme und Beine fanden das nicht gerade lustig."
Medusa lachte auf. „Ich dachte die halten einiges aus? Warum macht ihnen ein kleiner Stromschlag so viel zu schaffen?"
Tony verdrehte erneut die Augen. „Weil ein Kabel ein Stück frei lag."

„Ist doch egal.", meldete Jen sich zu Wort, „Warum weckst du uns so früh morgens?"
Tony kratzte sich am Kopf. „Jen, es ist fast neun Uhr."
Jen ließ sich wieder rücklings auf ihr Bett fallen. „Eben! Wer steht um diese Zeit auf?"
Tony zog eine Augenbraue hoch. „Seit wann ist Jen denn so ein Morgenmuffel?"
Medusa grinste. „Sie musste sich heute mitten in der Nacht meine wirren Gedanken anhören."
„Möchte ich die wissen?"
Jen schob sich neben Medusa. „Nein, das willst du nicht. Warum hast du uns geweckt?"
„Es gab einen Vorfall."
Jen fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht. „Geht's noch ungenauer?"
„Ich glaube du brauchst einen Kaffee.", bemerkte Medusa. Jen und Tony beachteten sie gar nicht.
Tony verschränkte die Arme. „Kommt gleich in den Missionsraum."
Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand um eine Ecke.
Medusa zuckte mit den Schultern. „Du hast es gehört.", meinte sie und drehte sich um. Sie seufzte. „Was machst du da?"
Jen lag mit ausgebreiteten Armen auf ihrem Bett und vergrub ihr Gesicht im Kissen. „Bitte, nur noch fünf Minuten."
Medusa stöhnte auf, ließ ihre Fingerknöchel knacken und zog ihre Freundin an den Beinen aus dem Bett.

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Blaze jagte den Kater um den Missionstisch. Sammy versuchte ihn abzuschütteln, doch es war zwecklos. Immer, wenn es so schien als würde er ihn in Frieden lassen, tauchte Blaze wieder auf.
Noa saß an dem Tisch und hatte die Beine überschlagen. „Sollten wir die beiden nicht mal auseinanderbringen? Die tun sich sonst noch weh."
Fynn, der sich auf den Tisch gesetzt hatte, grinste. „Wieso? Die scheinen doch Spaß zu haben."
Noa erhob sich. „Ja, Blaze hat Spaß, aber Sammy nicht.", entgegnete er, bückte sich und bekam den Kater zu fassen. Dieser miaute dankbar auf und warf dem Drachen einen missbilligenden Blick zu. Blaze verzog das Gesicht und tapste zu Cassandra, die sofort begann ihn zwischen den Ohren zu kraulen.
Sie sah zu Tony, der unruhig vor einem der großen Monitore auf und ab lief. „Was ist denn eigentlich los?"
Tony drehte sich zu ihr. „Ich warte mit der Erklärung am besten noch, bis die Schlafmützen auch hier sind."
Fynn deutete auf die Treppe. „Meinst du die beiden?"
Tony warf Jen und Medusa einen leicht genervten Blick zu, als diese endlich zu ihnen stießen. „Wo bleibt ihr denn?"
Medusa stieß Jen in die Seite. „Eine von uns beiden kam nicht aus dem Bett."
Ihre Freundin ließ sich auf einen der Stühle fallen. „Um was geht es?", fragte sie, ohne auf Medusas Stichelei einzugehen.
Tony beförderte eine Videoaufnahme auf den Bildschirm, die ein in Flammen stehendes Haus zeigte, das langsam in sich zusammenbrach. Cassandra musste schlucken. „Das ist furchtbar."
„Ja, aber eigentlich nicht unser Aufgabengebiet. Das ist Aufgabe der Feuerwehr.", mischte sich Medusa ein, „Oder wurde es auf magische Art und Weise gelegt?"
„Das ist anzunehmen.", meinte Tony und tippte erneut auf dem Bildschirm herum, „Denn kurz bevor das Haus explodierte, ging dieser Notruf bei der Polizei ein."
Gespannt lauschten die Freunde der Audioaufnahme.
„Notrufzentrale?"
„Ja, hallo? Ich-ich brauche Ihre Hilfe. Mein Mann ist besessen."
„Beruhigen Sie sich bitte."
„Sie verstehen nicht. Seine Augen waren schwarz-"
In diesem Moment ertönte eine laute Explosion und das Audio endete. Medusa sog scharf die Luft. „Gut, das ist etwas für uns."
Cassandra wechselte einen Blick mit Fynn. „Was hat das zu bedeuten?", fragte sie leise, „Was kann denn Besitz von einem Menschen ergreifen?"
Fynn legte die Stirn in Falten. „Geister.", sagte er schließlich, „Laut den Legenden auch Dämonen, aber die sind in den Aufzeichnungen der Zentren noch nie aufgetaucht."
„Also ein Geist.", überlegte Jen laut und seufzte, „Von denen hatte ich eigentlich schon genug."
Fynn rutschte vom Tisch. „Ich meine mich aber zu erinnern, dass nur böse Geister, also Geister von Personen, die in ihrem Leben einer bösen Sache gedient haben, von einem Menschen ohne Erlaubnis Besitz ergreifen können."
Medusa klatschte in die Hände. „Großartig! Ich wusste gar nicht, dass so viel in der Wüste los ist."
„Ich auch nicht.", murmelte Noa.
Jen stützte sich mit den Armen auf dem Tisch ab. „Und was ist jetzt der Plan?"
Tony zuckte mit den Schultern. „Ein paar von uns sehen sich das mal an."
„Und damit meinst du wen?", harkte Cassandra nach, „Schließlich können wir ja nicht alle als Ermittler aufschlagen."
Fynn schnippte mit den Fingern und hielt nur wenig später einen Zettel und einen Stift in der Hand.
Cassandra lächelte, als sie bemerkte, dass er seine Hand langsam von seiner Kette löste. Inzwischen ignorierte sie das merkwürdige, kribbelnde Gefühl in ihrem Bauch. Es war jetzt ihr täglicher Begleiter. Sie musste sich wohl damit abfinden.
Fynn schrieb unterdessen etwas auf den Zettel. Dann riss er ihn in sechs kleine Stücke. „Wir losen.", schlug er vor, „Ich habe unsere Namen da drauf geschrieben. Wir ziehen zweimal und die beiden gehen dann."
Er schloss die Hände um die Schnipsel und schüttelte sie ein wenig. Er schaute in die Runde. „Wer ist die Glücksfee?"
Medusa trat auf ihn zu. „Ich! Gib her die Zettel.", rief sie und zog nacheinander zwei Zettel. Sie faltete sie auf. „Es gehen...Jen und...Cassandra."
Enttäuschte zerknüllte sie die Zettel. „Schade, das klang interessant. Aber gelost ist gelost."
Tony schaute zu Fynn. „Dann können wir ja an deinen Flügeln weiterarbeiten.", schlug er vor. Fynn nickte. „Klingt gut."
„Kannst du mein Handy vielleicht auch reparieren?", fragte Jen und reichte ihr Telefon an ihren Bruder weiter. „Aus irgendeinem Grund geht es nicht mehr an."
Sie warf Medusa einen Seitenblick zu, die gerade den Mund öffnete, um etwas zu sagen. „Und ehe du fragst: Ja, es ist geladen."
Medusa kicherte. „Da bist du mir voraus. Meins ist es nämlich nicht."
Tony nahm Jen das Handy aus der Hand. „Ich schaue es mir einmal an."
Cassandra klatschte in die Hände. „Super, wo sind die falschen Ausweise? Wir müssen ein Feuer aufklären."
Medusa blickte zu Noa, der Sammy durch das Fell fuhr. „Und was machen wir beide?"
Noa zuckte mit den Schultern. „Alles, was noch so ansteht. Aber das wichtigste ist, dass wir Sammy und Blaze von einander fern halten. Dann müssen wir noch auf Patrouille gehen..."
„Eine Patrouille? Durch die Wüste? Das ist doch langweilig.", maulte Medusa.
Noa zog eine Augenbraue hoch. Willst du lieber die Küche putzen?"
Medusa hob abwehrend die Hände. „Nein. Wir gehen patrouillieren."

                                                                                       ****

Cassandra schaute aus dem heruntergekurbelten Fenster des Geländewagens, in dem sie und Jen nach Kairo fuhren. Die Fahrt würde eine gute Stunde dauern.
Cassandra drang der Schweiß aus allen Poren. Sie und Jen hatten sich mit etwas abgenutzten Anzügen zurechtgemacht. Nur nach wenigen Sekunden hatten sie die Anzugsjacken wieder ausgezogen und im Kofferraum verstaut. Es war einfach viel zu heiß, um sie zu tragen. Jen musterte sie aus dem Augenwinkel.
„Beschäftigt dich etwas?", fragte sie vorsichtig.
Cassandra zuckte leicht zusammen und zögerte.
Jen umklammerte das Lenkrad etwas fester. „Geht es um Fynn?", fragte sie weiter.
Cassandra stöhnte auf. „Anscheinend scheinen alle etwas über uns zu wissen, was ich nicht weiß.", murrte sie und starrte wieder aus dem Fenster.
Jen kratzte sich verwirrt am Kopf. „Okay? Ich wollte doch nur einmal nachfragen wie es gerade zwischen euch läuft. Ihr hattet ja ein anstrengendes Jahr hinter euch und es scheint alles wieder beim Alten zu sein, aber anscheinend habe ich mich da geirrt."
Cassandra verschränkte die Arme und richtete den Blick weiterhin aus dem Fenster. Ein seltsames Gefühl beschlich sie und sie dachte wieder daran, was Medusa zu ihr gesagt hatte. Sie musste sich entscheiden. Sie schluckte.
„Das Problem ist, dass ich selbst nicht weiß was das zwischen uns ist.", gab sie leise zu.
Jen sah erstaunt zu ihr. „Was meinst du?"
„Es ist alles super zwischen uns. Es ist wie früher, bevor er mir gesagt hat, dass er mehr für mich empfindet als nur Freundschaft."
Sie lehnte sich wieder in ihrem Sitz zurück. „Es scheint fast wie vergessen, aber-"
„Aber was?"
„Aber jetzt ist da dieses Gefühl. Jetzt ist da etwas, was ich noch nie zuvor gespürt habe. Es ist neu und es macht mich verrückt. Er schaut mich an und ich vergesse alles um mich herum. Er lacht und es macht mich unendlich glücklich. Als er weg war, hat ein Teil von mir gefehlt und als ich ihn wiedergesehen habe, war alles anders."
Jen lächelte. „Du bist verliebt Cassandra. So fühlt sich Liebe an."
„Aber das darf nicht passieren! Ich habe ihm gesagt, dass ich in ihm nicht mehr als einen Bruder sehe und er ist darüber hinweg. Er hat es verarbeitet. Ich will keine alten Wunden aufreißen und es womöglich wieder verschlimmern."
Sie machte sich in ihrem Sitz ganz klein. Sie konnte nicht glauben, dass sie das alles gerade wirklich laut ausgesprochen hatte.
Für einige Minuten herrschte Stille zwischen ihnen, bis Jen wieder das Wort ergriff. „Du solltest mit ihm reden."
Cassandra lachte gequält auf. „Das sagst du so einfach."
„Ich sage dir jetzt mal was: Die Liebe für eine Person verschwindet nie. Sie ist immer da und du wirst dich dafür hassen, wenn du nicht mit ihm redest. Jeder in diesem Zentrum weiß, dass ihr beide für einander bestimmt seid. Gib das nicht auf, versprich es mir."
„Und, was ist, wenn ich doch alles zerstöre? Ich will ihn nicht verlieren."
„Das war derselbe Grund, warum er es dir zuerst nicht gesagt hat. Ihr werdet euch nicht verlieren, vertrau mir."

Medusa 3-Die Fallon GrabstätteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt